Syrien verhängt strenges Rauchverbot

Eine Spezialpolizei patrouilliert in den Straßen der syrischen Städte und kontrolliert regelmäßig Cafes und Restaurants

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Ob Zigaretten oder die beliebte Wasserpfeife, seit vergangener Woche ist in Syrien Rauchen in allen öffentlichen Einrichtungen und Räumen verboten. Kein Gesetz, das, wie in vielen anderen Fällen nur auf dem Papier steht, sondern durchgesetzt wird. Sollten andere arabische Länder dem Beispiel Syriens folgen, wäre das das Ende des Laisser-faire, das gerade westeuropäische oder US-amerikanische Raucher stets so genossen haben.

Welcher Raucher kennt das nicht. Nach einem langen Flug möchte man sich so schnell wie möglich eine Zigarette anstecken. Auf europäischen Flughäfen findet sich selten eine Raucherkabine oder Raucherecke auf dem Weg zur Gepäckausgabe. Nervös wartet man auf seinen Koffer, dass schon die Zollbeamten auf einen aufmerksam werden. Ein Problem, das Raucher in vielen arabischen Ländern nicht haben.

In Marokko, Algerien, im Libanon oder in Jordanien und Ägypten kann man sich in der Regel getrost eine Zigarette anzünden und auf die Ankunft des Koffers warten. Aber auch auf der Fahrt mit dem Taxi in die Stadt, sofern der Fahrer nichts dagegen hat, darf gleich noch eine Anschlusszigarette geraucht werden. Offiziell zwar nicht, denn eigentlich ist in den meisten der genannten Länder Rauchverbot gesetzlich vorgeschrieben, aber wen kümmert das schon. Paradiesische Zustände für Deutsche, Spanier oder Franzosen, die eine derartige Liberalität in ihren Heimatländern nicht kennen.

Syrien war ebenfalls eines dieser Eldorados für Nikotinkonsumenten. Nun ist es damit vorbei und es soll kein bisschen anders wie in Europa sein. Im Oktober vergangenen Jahres unterzeichnete der syrische Präsident Bashir Assad ein neues Rauchverbotsgesetz, das nun am 21. April in Kraft trat. Seitdem herrscht striktes Rauchverbot in allen öffentlichen Einrichtungen und Räumen, die keine offene Decke oder ein offenes Dach haben. Das trifft nicht nur auf Krankenhäuser, Universitäten oder öffentliche Verkehrsmittel zu, sondern auch auf alle Restaurants, Pubs und Cafes. Nicht ausgeschlossen sind dabei Luxusorte wie Sheraton Hotel, Vierjahreszeiten oder auch die Piano Bar in der Altstadt von Damaskus, in der die Wohlhabenden gerne Zigarren rauchten.

Die Strafen bei Zuwiderhandlung reichen zwischen 500 (8 Euro) und 100.000 (1.600 Euro) Syrische Pfund. Wobei die Strafen für den Raucher geringer gehalten sind als für den Besitzer des betroffenen Establishments. Im Wiederholungsfall kann es Gefängnisstrafen geben und Beamte verlieren ihre Lebensstellung beim Staat.

Eine Spezialpolizei patrouilliert in den Straßen der syrischen Städte und kontrolliert regelmäßig Cafes und Restaurants. Jeder soll registriert und zu Kasse gebeten werden, der das Antirauchergesetz bricht. Dazu gibt es eine Telefonhotline mit einer einfach zu merkenden, vierstelligen Nummer, damit jeder melden kann, sobald er einen Verstoß beobachtet. Eine Einrichtung, die keinen Lokalbesitzer vor Denunziation sicher macht.

Das Verbot trifft besonders das wieder in Mode gekommene Rauchen von Wasserpfeifen

Das neue Verbot ist besonders bitter für Cafes, die im Zuge der Renaissance von Shisha, Hookah oder Narghile, wie die Wasserpfeife genannt wird, in den letzten Jahren neu eröffnet haben. Alleine in der syrischen Hauptstadt müssen das hunderte sein. In den 90er Jahren begann die Narghile, ein eigentlich traditionelles Rauchinstrument, sich zur Mode zu entwickeln. Ob in Damaskus, Beirut oder Istanbul, immer mehr Leute trafen sich abends in Cafes, um gemeinsam Wasserpfeife zu rauchen, Backgammon zu spielen oder sich dabei einfach nur zu unterhalten. Unter den Konsumenten überdurchschnittlich viele Frauen, die das Rauchen der Wasserpfeife als einen Akt der Unabhängigkeit und der Emanzipation ansahen. Gleichzeitig auch viele junge Erstraucher, denen es um den gemeinsamen sozialen Ritus ging.

Fälschlicherweise hatte die Shischa den Ruf, weitaus gesünder als Zigaretten zu sein. Was auch daran lag, dass statt dem althergebrachten herben Tabak eine neue, leichtere Mischung mit künstlichem Apfel-, Honig- oder Erdbeergeschmack verwandt wurde. Der Narghile-Boom erreichte auch den Westen. In New York, Berlin oder Paris konnte man jederzeit ein Orient-Cafe findet, in dem Wasserpfeifen an den Tisch gebracht wurden.

Wer heute in Damaskus über keinen Innenhof verfügt, hat Pech gehabt. Eines der ältesten Cafes, das Havana, ist fast leer. An diesem Treffpunkt von Politikern, Journalisten und Künstlern musste man vor dem Rauchverbot abends manches Mal auf einen Platz warten. Das Havana verfügt zwar große Panoramafenster, die geöffnet werden können, aber das ist dem Gesetz nach nicht genug.

Anders ist es im Rwada-Cafe, im Stadtzentrum, unweit des syrischen Parlaments, das ebenfalls eine Cafe-Institution Damaskus ist. Es hat einen Innenhof, der dieser Tage voll besetzt ist und von dem ein süßer Tabakduft ausströmt. Hier können die Gäste nach wie vor zu ihrem Kaffee an ihrer geliebten Wasserpfeife ziehen. Das wäre auch im Innenteil des Cafes, der jetzt leer steht, nicht anders. Der Besitzer, Ahmad Kozoroch, hatte bereits letztes Jahr, einen Monat nach der Verabschiedung des Rauchergesetzes, einen Rückgang seines Profits vorhergesagt. "An Orten wie in Frankreich ist das Verbot nicht so schlimm, weil man schnell auf eine Zigarette hinausgehen kann. Aber das geht mit einer Wasserpfeife nicht." Die Frage bleibt noch, was machen seine Kunden, wenn der Sommer beginnt. Bei heißen Temperaturen würden sie gerne innen, mit Klimaanlage sitzen, anstatt draußen im Innenhof zu schwitzen.

In Syrien rauchen fast 80 Prozent der Männer

600 Millionen Dollar (448 Millionen Euro) geben die Syrer jedes Jahr für Tabak aus, hat die nationale General Organisation für Tabak (GOT) errechnet. 60 Prozent aller Männer und 23 Prozent der Frauen rauchen und geben 8 Prozent ihres Einkommens für Tabak aus. Die Preise für Zigaretten sind moderat, eine Schachtel kostet umgerechnet zwischen 60 Cents und 1,20 Euro.

Die letzte Untersuchung der Weltgesundheitsbehörde (WHO) von 2001 stellte fest, dass Syrien, zusammen mit Jemen, in dem 77 Prozent aller Männer rauchen, zu den Spitzenreitern im Mittleren Osten und in Nordafrika zählen. In den reicheren Golfstaaten wurde am wenigsten von allen arabischen Ländern geraucht. Trotzdem zählt die MENA-Region zu den Teilen der Welt mit den meisten Tabakkonsumenten. Und das, im Gegensatz zu Europa oder den USA, mit steigender Tendenz.

"Das ist eine herausfordernde Region", sagt Dr. Fatimah El-Awa, regionale Beraterin der Anti-Tabak Initiative der WHO. "Wenn man die soziale Akzeptanz, die Diversität kultureller Konzepte und neue Trends, wie die Frauenemanzipation, in Betracht zieht. Alles Faktoren, die zu einem Anstieg des Tabakkonsums führen."

Leider gäbe es keine zentrale Behörde, die die den Konsum der Erwachsenen auswerten könne. So sei man auf die Daten der nationalen Gesundheitsministerien angewiesen. Zudem fehle es an einer zentralen Koordination der Anti-Raucher Maßnahmen, nachdem die arabischen Staaten das Abkommen der WHO zur Tabakkontrolle (FCTC) unterschrieben hätten. In einem Land ist Zigarettenwerbung verboten, aber auf den Fernsehsendern des Nachbarlands kann man weiter Publicity sehen.

Rauchverbote wurden im Mittleren Osten in Ägypten, Jordanien, Bahrain, Qatar und in den heiligen Städten Mekka und Medina in Saudi-Arabien eingeführt. In Nordafrika in Tunesien, Libyen und Marokko. "Solche Verbote sind nicht einfach durchzusetzen", meint Dr. Fouad M. Fouad vom syrischen Zentrum für Tabakstudien in Damaskus. "Es ist auch schwierig Leute zu überzeugen, wenn Rauchen ganz normal ist, auch unter Lehrern und Ärzten, zudem Zigaretten weiterhin so billig sind."

Ein gesetzlich verordnetes Rauchverbot ist immer ein zweischneidiges Schwert, solange der Staat weiterhin am Verkauf von Zigaretten verdient und sie obendrein auch noch selbst herstellt. Die staatliche GOT, der einzige Zigarettenproduzent Syriens, verkaufte 2007 12.500 Tonnen lokal hergestellte Tabakwaren im Wert von 252 Millionen Dollar. Dazu kamen importierte Zigaretten im Wert von 201 Millionen Dollar. Steuern sind in diesen Beträgen nicht mit eingerechnet. 2008 schloss die GOT einen Vertrag mit Britisch- Amerikanischer Tabak (BAT), dem zweitgrößten Zigarettenhersteller der Welt. In Lizenz werden nun in Syrien jährlich 800 Millionen Zigaretten der Marke Lucky Strike produziert. "Das verdoppelt unsere Profite", meinte Salman Abbas, der Vizedirektor von GOT. "Ganz zu schweigen von der wertvollen Erfahrung unserer Arbeiter, die sie durch die Arbeit an neuen Maschinen und das BAT-Training erhalten."

Ein ähnlicher Deal war 2006 mit der französischen Altadis Gruppe vorausgegangen, um die Marke Gitanes in Syrien zu produzieren. Seit 2004 expandierte Altadis auch mit der, eigentlich spanischen, Marke Fortuna. Die Zigarette wird als billigste Zigarette auf den jeweiligen Märkten lanciert. In Marokko kostet eine Schachtel Fortuna 1,90 Euro, im Libanon dagegen nur 60 Cents.

"Rauchverbot hin oder her", sagt ein syrischer Taxifahrer, "das ist alles nur Lug und Trug. Uns wollen sie angeblich das Rauchen abgewöhnen, auf der anderen Seite wollen sie noch mehr am Rauchen verdienen."