Öl, Geld und Propaganda

Bild: R. Stumberger

Wie der Ölkonzern BP versucht, mit Geld und Kampagnen Image und Umwelt zu retten

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Wenn das Öl kommt, dann sieht es aus wie ein dickflüssiger schwarzbrauner Tropfen, der aus dem Sandboden empor zu quellen scheint. Oder wie ein kleiner klebriger Klumpen aus Teer. Wie auch immer, lange bleibt beides nicht am langen weißen Sandstrand von Dauphin Island im Mobil County, Alabama. Die der Küste vorgelagerte Insel mit ihren rund 1.300 Einwohnern ist wie fast alle Orte entlang der Golfküste von Louisiana bis Florida von der Ölkatastrophe durch die Explosion der Bohrinsel "Deepwater Horizont" vor knapp 100 Tagen betroffen.

Normalerweise sind die Traumstrände am Golf in der Urlaubszeit von Badenden bevölkert. Seit dem Öldesaster jedoch sind viele Strände gesperrt und die anderen meist menschenleer - die Urlauber bleiben aus. Dafür bevölkern die Strände mit orangenen Stiefeln ausgerüstete und gegen die Sonne vermummte Reinigungstrupps, die flugs die Teerklumpen in Plastiktüten einsammeln und wegräumen - bezahlt werden sie von dem Ölkonzern BP, der für die Katastrophe die Verantwortung trägt.

Kein Tag vergeht an der Golfküste, in der nicht die Tageszeitungen auf der ersten Seite und in den Lokalnachrichten über den "Oil Spill", wie hier das Umweltdesaster genannt wird, berichtet wird. Und so wundert es nicht, dass der Ölkonzern mit ganzseitigen Anzeigen in diesen Zeitungen versucht, ein Stück von seinem Image zur retten.

Die Explosion der Bohrinsel war nicht nur die bislang größte Umweltkatastrophe der USA, sondern zog auch eine der größten Unternehmens-Kampagnen nach sich. Man bemüht sich, sich als verantwortungsbewusstes Unternehmen darzustellen. "Ich komme selbst aus Louisiana und ich weiß, dass unsere Strände unser Zuhause, unser way of live und unsere Umwelt sind. Die Küste zu schützen und die Strände zu säubern ist eine persönliche Angelegenheit für mich", erklärt zum Beispiel Keith Seilhan, Chef der BP-Reinigungsaktion in einer ganzseitigen Anzeige in der Tageszeitung "The Times-Picajune" in New Orleans. Unter einem Foto, das einen Reinigungstrupp an einem Strand zeigt, ist "Wir bringen das in Ordnung" zu lesen und es wird versprochen: "Unsere Reinigungsaktion wird so lange andauern, bis das Meer und die Strände für Öl-frei erklärt werden. Und für keine der Kosten wird der Steuerzahler aufkommen."

Der Hunger nach Öl führte zur Katastrophe. Ölraffinerie südlich von Baton Rouge in Louisiana am Ufer des Mississippi. Bild: R. Stumberger

Sandwälle gegen das Öl

Um dieses vollmundige Versprechen zu untermauern, zahlt der Konzern Geld an staatliche Institutionen. Zum Beispiel 74 Millionen Dollar an den Küstenstaat Alabama und davon 35 Millionen an die "Alabama Notfall-Agentur". Die gibt das Geld weiter an die Kommunen, etwa 1,2 Millionen an das Städtchen Fairhope. 15 Millionen aus dem BP-Topf gingen an das Tourismusbüro, das mit von diesem Geld bezahlten Kampagnen wieder versucht, Touristen in die Golfregion zu bringen.

Auch die Kommune von Dauphin Island bekam Geld vom Ölkonzern, rund 2,5 Millionen Dollar. Davon hat die Gemeinde im Westen der Insel am Strand einen Sandwall als Barriere gegenüber dem Öl aus dem Meer aufgeschüttet. So soll verhindert werden, dass wenn wie bei Vollmond der Fall das Meer das Land überschwemmt, das Öl ins Landesinnere getragen wird. Die Häuser in dieser Region sind längst auf Stelzen erbaut, um gegen diese Überflutung gewappnet zu sein.

Bezahlt werden von diesen 2,5 Millionen Öl-Dollar auch die Reinigungstrupps. Sie sind auf dem Gelände der örtlichen Grundschule stationiert, ein großes weißes Zelt zeugt dort von ihrem Einsatz. An die 70 Mann sind derzeit mit den Reinigungsarbeiten beschäftigt, bezahlt wird zehn Dollar die Stunde. Die Männer - und es sind fast nur Männer - haben sich mit weißen Tüchern, Sonnenbrillen und Mützen gegen die Sonne geschützt, hier klettert das Thermometer gerne auf über 35 Grad. Die Arbeit in der Hitze ist ermüdend, mit kleinen Metallschaufeln werden die Teerballen am Strand und die Ölflecken aus dem Sand gehoben und in große Plastiksäcke verstaut. Entlang des weitläufigen Sandstrandes bewegt sich diese Truppe mit Sandbuggies, kleinen geländegängigen Fahrzeugen. Wenn diese in der Dämmerung sich mit eingeschaltenen Scheinwerfern durch die Dünen bewegen, glaubt man in einem Science-Fiction-Film zu sein. Draußen, nahe der Küste, sind die Silhouetten und die Ölfackeln mehrerer Bohrinsel zu sehen.

Bild: R. Stumberger

Reinigungsflotte als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme

BP organisiert aber nicht nur die Strandkommandos, sondern auch eine Reinigungsflotte. Drauf setzt Bobby Dugas, einer der vielen Verlierer der Ölkatastrophe. Seit dem 20. April, als die Ölplattform explodierte, hat der Besitzer eines Charterbootes nichts mehr zu tun. Kein Tourist will mehr hinaus auf den Golf, um Fische zu fangen. Vergangene Woche nahm der 54-Jährige nun an einem Trainingsprogramms des Ölkonzerns BP teil. Zusammen mit rund 600 anderen kommerziellen Fischern, Eignern von Charterbooten und Crew-Mitgliedern hörte sich Dugas im Northshore Harbour Center von New Orleans die Erläuterungen des BP-Trainers an. Sie hoffen auf einem Job in dem von dem Ölkonzern aufgelegten Rettungs- und Reinigungsprogramm, als Transportschiffer für Mitglieder der Küstenwache, als Hilfskräfte bei der Rettung von Flora und Fauna, bei dem Abtransport von verschmutztem Sand und anderen Material.

Nach Angaben des Ölkonzerns sind derzeit rund 3.000 Boote entlang der Küsten von Louisiana, Alabama, Mississippi und Florida damit beschäftigt, Öl zu binden oder aufzusaugen. Ob diese Armada aus unterschiedlichsten Gefährten vom nachgerüsteten Fischerboot bis zu Spezialschiffen ausreicht, um spürbaren Erfolg bei der Bekämpfung der Ölpest zu haben, ist umstritten. Kritiker meinen, bisher würden so nur 2,9 Millionen Gallonen der bisher in den Golf geflossenen 87 bis 171 Millionen Gallonen Öl abgeschöpft. Genaue Zahlen, die später für Schadensersatzklagen nicht unerheblich sind, wisse aber niemand, so ein BP-Sprecher.

"Es geht dabei um Milliarden Dollar", zitiert eine örtliche Zeitung den Umweltexperten Larry McKinney von der Universität Corpus Christi in Texas. Angesichts dieser Zahlen wird klar, es wird auch noch andere Gewinner geben: die Rechtsanwälte. Die machen auch schon mal auf Plakaten entlang der Highways Werbung für ihre Dienste oder inserieren in der Tageszeitung: "Wenn Sie unter Schäden leiden, die durch die gegenwärtige Ölkatastrophe verursacht wurden, verletzt das Ihre Rechte", annonciert zum Beispiel Rechtsanwalt Earl P. Underwood aus Fairhope, Alabama.