Algotrading: Wie selbst zerstörerisch ist der automatisierte Computerhandel?

Mit dem virtuellen Autopiloten ins Börsen(un)glück

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Einige spektakuläre Fälle bieten nicht nur Stoff für einen neuerlichen Börsencrash-Blockbuster made by Hollywood, sondern auch für nachdenkliche Marktanalysten. Fakt ist, dass automatisierte Werkzeuge und Strategien mittlerweile auch bei den semi-professionellen Brokern im Aufwind sind - und dadurch eine seltsam anmutende Professionalisierung des privaten Börsenhandels einsetzt. Jedoch bergen automatische Handelsstrategien neben gewissen Chancen auch zahlreiche Risiken.

Jeder Broker handelt beim Deal via High-Frequency Trading-Systeme täglich bis zu einer Milliarde Wertpapiere. Bis zu 5.000 Geschäften an guten Tagen schafft bloß der kleine Mensch. Und die Maschine? Rund 60 Millionen Kauf- und Verkaufsaufträge sind bei entsprechend programmierter Laune drin, in einem einzigen Computerprogramm, bis sich die Sonne in den unterschiedlichen Erdteilen wieder hebt und senkt.

Es gibt unterschiedliche Strategien von Cross-Asset, über Pairs Trading, statistische Arbitrage, Volatilitäts-Handel bis hin zu Block Trades. Da kann und darf schon mal was schief gehen, wenn die Geschäfte eben "schneller sind, als der Blitz dies erlaubt". Fragt sich nur, wer am Ende davon profitiert oder verliert?

Deshalb stellt sich die Frage: Ist es nun die ultimative Glücksformel für Lottospieler an der Börse, bei dem man leider am Ende viel mehr verliert als gewinnt? Fast ein halbes Jahr ist es her, seitdem der amerikanische Leitindex Dow Jones blitzartig in einem "Flash Crash" um fast 1.000 Punkte fiel. Eine Geldsumme von 800 Milliarden Dollar wurde binnen Minuten vernichtet. Die Erholung vollzog sich allenfalls in Etappen.

In der vergangenen Woche war das Rätsel um den Kurssturz endlich gelüftet. Dem Bericht der US-Börsenaufsicht folgend gab es keinen Einzeltäter oder gar eine kriminelle Organisation hinter den mysteriösen Geschehnissen. Demgegenüber habe eine einzige, per Algorithmus gesteuerte Transaktion von Terminkontrakten an jenem 6. Mai dieses Jahres einen vorhandenen Negativtrend ausgelöst und die Börse fast wie ein Kartenhaus zusammen brechen lassen.

Die Ursachenforschung klingt zunächst plausibel und wirft gleichwohl eine ganze Reihe weiterer Fragen auf. In der Wirtschaftspresse diskutieren die Experten nun eifrig über Sinn und Unsinn des automatisierten Computerhandels, der unter so wohl klingenden Namen wie Algotrading, High Frequency oder Flash Trading daherkommt. Ein klarer Konsens aus den unzähligen Presseberichten lässt sich freilich kaum erkennen.

Im Mai waren schließlich 75.000 so genannte "Futures" im Wert von über vier Milliarden Dollar binnen Sekunden abgestoßen worden. Der Report benennt zwar keine konkreten Schuldigen. Das Wall Street Journal vermutet aber, dass der von Hank Herrmann geleitete kleine Investmentfonds Waddell & Reed der Hauptauslöser des Erdbebens an der Börse war. Die Financial Times hält den Bericht der US-Börsenaufsicht jedoch für ausgesprochen lückenhaft.

Während die Marktanalysten noch an der idealtypischen Aufbereitung der Untersuchungsergebnisse feilen, hat das Manager Magazin als hauptsächlichen Verursacher den heute vorherrschenden automatisierten Hochgeschwindigkeitshandel an den Börsen ausgemacht. Einige Zitate:

Computer nutzen dafür mathematische Modelle, um innerhalb von Millisekunden teilweise gewaltige Zahlen von Aktien zu kaufen oder zu verkaufen. Knapp zwei Drittel aller Börsenaktivitäten in den USA werden auf diese Weise abgewickelt. Die unheilvolle Transaktion im Mai dauerte deshalb nur 20 Minuten und nicht wie sonst üblich mehrere Stunden.

Die Börsenaufsicht hat als Reaktion auf den "Flash crash" bereits ein neues Sicherungssystem eingeführt: Aktien aus dem wichtigen Index S&P 500 werden vom Handel ausgesetzt, wenn sich der Kurs binnen fünf Minuten um mehr als 10 Prozent verändert. Dies soll Menschen die Möglichkeit geben, mögliche Fehler elektronischer Handelssysteme auszubügeln.

Quelle: Manager Magazin online

Zunächst einmal stellt sich natürlich die Frage, ob das angeblich neue Sicherungssystem der US-Börsenaufsicht überhaupt greifen kann, sofern es an der richtigen Stelle positioniert ist. Dazu gilt es, verschiedene Entwicklungen, Marktsegmente und Börsensysteme im Auge zu behalten, was allerdings zu der Erkenntnis führt, dass eine rasche Lösung weit entfernt scheint. Im Gegenteil: Der Trend zum automatisierten Handel(n) dürfte sich in den kommenden Jahren sogar definitiv verstärken.

Haben Computerprogramme schon mehr Entscheidungsmacht als die Menschen?

Mittlerweile wird selbst dem einen oder anderen aus der Szene angesichts der außergewöhnlichen Geschwindigkeit etwas mulmig. Michael Schwalm-Leinert etwa ist Mitbetreiber des Informationsportals www.forextimes.de und als selbstständiger Trader seit 2007 im Devisenhandel tätig. Wie der Forex-Handel funktioniert, erläutert der Insider auf seinem Weblog forextimes:

Anhand des folgenden Beispiels kann der komplette Ablauf eines einzelnen Handelsvorgangs am Forex Markt nachvollziehbar veranschaulicht werden: Zum Kurs des Devisenpaares EUR/USD (Euro zu USD) von 0,7354 kauft der Forex Trader 100000 Dollar (für 73540 €), da er auf einen Kursanstieg des Devisenpaares setzt.

Der Kurs EUR/USD steigt auf 0,7419, in der Forex Sprache beträgt der Kursanstieg 65 pips (0,7419 – 0,7354 = 0,0065). Der Forex Trader bekommt ein Forex Signal, dem er folgt, da er ihm vertraut und verkauft die 100000 Dollar. Er bekommt 74190 €, folglich ist der Verkaufserlös 650 € (74190 € – 73540 €). Das Beispiel zeigt überzeugend, wie groß die Rolle eines kleinen pip ist.

Zumal ein erfahrener Forex Trader jeden Tag mehrere Transaktionen vornimmt, wobei 100000 USD kein außergewöhnliches, sondern ein gängiges Handelsvolumen ist, kann der real erzielbare Verkaufserlös bei ca. 5000 € pro Tag liegen. In Anbetracht dessen, dass am Forex Markt nicht mit ganzen, sondern mit marginalen Einsätzen gehandelt wird, wobei die Margen-Einsätze bei durchschnittlich 1 % der Handelssumme liegen, sind die real erzielbaren Gewinne extrem hoch.

So liegt der marginale Einsatz der vollen Summe von 100000 USD bei 1000 USD. Es darf allerdings nicht außer Acht gelassen werden, dass die enormen Hebelwirkungen nicht nur für hohe Gewinne sorgen, sondern genau so hohe Verluste nach sich ziehen können.

forextimes.de

In einem Gastbeitrag auf dem Blicklog kommt eben jener Trading-Experte Michael Schwalm-Leinert nun ganz am Ende exakt auf den kritischen Punkt der "geistigen Unterstützungslinie":

Beunruhigend ist es, dass der Hochgeschwindigkeitshandel im weltweiten Devisenhandel immer mehr an Einfluss und Macht gewinnt, dadurch bedingt, dass dessen Marktanteil rapide steigt: Im Jahr 2009 lag er bereits bei rund 25%, in Fachkreisen ist zu spüren, dass es so bleibt. Der zunehmende Einfluss des Algo-Tradings auf das Forex Trading ist eine echte Bedrohung, zumal Computer und Computerprogramme mehr Entscheidungsmacht als Menschen haben.

Michael Schwalm-Leinert

Erscheint dieses Horrorszenario als übertrieben? Nun geht es keineswegs darum, die Börse und auch das High-Frequency-Trading pauschal zu verdammen. Man sollte zuerst genau definieren, worüber man redet, als mit dem moralischen Finger zu zeigen. Oftmals sind sogar recht kreative Menschen als individuelle, semi- oder richtig professionell agierende Trader unterwegs. Zum Beispiel befindet sich der Handel mit Differenzkontrakten (CFD) weiterhin im Aufwind.

Kollektive Schwarmintelligenz

Im Intraday-Handel suchen vor allem hyperaktive Vieltrader ihre Chance, um kleinere Kursbewegungen auszunutzen, ein Trend, dem übrigens längst auch die Sparkassen über Tools wie Direct Brokerage Rechnung tragen. Mehr noch: Die Anleger imitieren nicht nur hochkomplexe algorithmische Strategien der Profis, sondern entwickeln auch eigene Computerprogramme und Werkzeuge, die den privaten Handel automatisch steuern.

Die kollektive Schwarmintelligenz, die gerade auf den Finanzmärkten bislang kaum funktioniert, rückt dabei als Bindeglied in den Fokus. So planen etwa die Macher von "Sparkassen Broker" die Entwicklung einer API-Schnittstelle (Application Programming Interface), mit deren Hilfe private Trader mit eigenen Softwareprogrammen ihr Depot ansteuern, um Wertpapiertransaktionen zu tätigen.

Andere Online-Broker optimieren ihre Werkzeuge ebenso rasch, wie die DAB Bank ein modulares Handelssystem mit individualisierten und graphisch einfach aufbereiteten Benutzeroberflächen. Das klingt ähnlich abenteuerlich wie eine halsbrecherische Achterbahnfahrt.

Immerhin scheitern mehr als zwei Drittel der privaten Anleger an der Börse, wenn sie ohne Disziplin, Strategie und mit einem mäßigen Fachwissen ausgestattet danach trachten, es den Profis gleich zu tun. Aber der Trend zeigt auch, dass es sich beim virtuellen Schauplatz "Algotrading" keineswegs um ganz und gar blutrünstige Vampire handelt.

Was einen nachdenklich stimmt, ist etwas anderes: Die strukturellen Ungleichgewichte auf den Finanzmärkten, die Ahnungs- und Sorglosigkeit angesichts des globalen Szenarios, die Überliquidität – und natürlich der Einfluss des automatisierten Handels in diesem Zusammenhang.

Außerdem: Die Enttäuschung mit konventionellen Anlageberatern hat, bis hin zum latenten Frust beim fremdbestimmten Job und einer Einflusslosigkeit im großen politischen Räderwerk, dafür gesorgt, dass unzählige Broker sich lieber auf sich selbst als andere verlassen. Das Credo: Wenn der Deal schief geht, dann weiß man wenigstens, wer dafür verantwortlich ist.

Trotzdem stellt sich die Frage: Ist das der ideale Nährboden für die nächste Blase oder zumindest ein partielles Crashszenario? Schwer zu sagen. Die Meinungen darüber gehen auch in Insiderkreisen, die nicht immer alles besser wissen, weit auseinander. Hier weiß wohl nur das Orakel von Delphi die richtige Antwort. Spannend ist, ob sich mehr Kunden von Online-Brokern auf die automatisierten Rituale gedenken einzulassen.

Fest steht, nicht wenige Trader haben den automatisierten Forex-Handel bereits als "Cash-Cow" und (vermeintlich) automatische Geldvermehrungsmaschinerie identifiziert. Es sind quasi "ganz normale Menschen", die sich generell aber deutlich mehr mit der Geldanlage beschäftigen als andere. Alle Altersklassen sind übrigens vertreten. Dazu gehören also auch Ältere, denen man gemeinhin die Technologiekompetenz und Fachkenntnis bei derart rasanten Entwicklungen abspricht.

Dennoch kann man damit natürlich den kompletten Schiffbruch mit dem Verlust des "Spielkapitals" erleiden. Aber das wissen die Algotrader selbst. Wo also beginnt das Algotrading beim privaten Händler, der es versucht, den Großen gleichzutun. Er verlässt sich quasi auf einen Online-Broker, der die richtigen Parameter setzt, und der Nutzer bräuchte dann nur noch zeitsparend das Feintuning der passenden Vorgaben zu übernehmen.

Das klingt ein bisschen wie die Mär vom schnellen Reichtum über Nacht, oder zumindest binnen weniger Monate. Die Hebel sind enorm, und wer sie richtig einsetzt, hat's bald geschafft, so das Credo. Eigentlich aber, so wurde auf der World of Trading in Berlin etwas ganz anderes deutlich: Nämlich, dass der Erfolg an der Börse wie so manches anderes im Leben auch das Produkt von Disziplin, Strategie und richtiger Intuition ist. Da darf man auch mal daneben liegen, sofern man daraus lernt.

Gerade an der Börse gibt es aber erst recht kein billiges Freibier zu verschenken, auch und gerade nicht beim automatisierten Algotrading, wie ein Interview mit Lothar Albert, dem Chefredakteur und Herausgeber von Broker-test.de aufzeigt. Hier die "Preisfrage":

Viele Anleger möchten das schnelle Geld verdienen. Habe ich nach meinem Besuch das nötige Handwerkszeug, um direkt mit dem day trading zu beginnen?

Lothar Albert: "Sagen wir es so, nach der Veranstaltung werden viele der Mythen um das schnelle Geld nicht mehr vorhanden sein. Dafür haben die Besucher einen gute Idee davon, was es bedeutet, an der Börse erfolgreich zu sein."

Wer mehr Einblicke hinter die Kulissen und Funktionsprinzipien etwa der Metatrader Version 4 haben möchte, der wird beispielsweise auf der Plattform Wallstreet Online www.wallstreet-metatrader.de/trade fündig, wo ausführliche Videos das Phänomen aus Nutzersicht erläutern, oder direkt über www.metatrader4.com.

Dies soll jetzt keinesfalls als Aufruf und Werbung verstanden werden, das gleich zu probieren, sondern vielmehr zur kritischen Auseinandersetzung mit der Welt der neuen automatisierten Handelssysteme anregen. Denn die Preisfrage lautet: Mit welchem Risiko wird welche Performance "erkauft"? Auch für die kommenden Generationen ist dies eine spannende Frage.

Verstärken Web 2.0-basierte Ansätze den Automationsgrad?

Wagen wir den Sprung in die nächste Generation eines zunehmend vom Web 2.0 beeinflussten Online-Tradings. Die Plattform Ayondo etwa präsentiert sich in einem jugendlichen Design und bietet attraktive Features. Dazu gehören etwa der "Ranglisten-Konfigurator" und eine verbesserte Darstellung der Trader-Profile in Form von professionellen Hedge-Fonds-Reports.

Zunächst etwas zum Hintergrund des 2009 gegründeten Unternehmens: Ayondo verbindet zertifizierte Top-Trader mit aktiven Privatanlegern auf einer Online-Plattform. Über zehntausend Privatanleger nutzen die kostenlose Plattform bereits, um unmittelbar vom Können erfolgreicher Top-Trader zu profitieren. Genau das ist der neuralgische Punkt: Die Anleger partizipieren vom Computerhandel über andere Trader, die die Nase als "man-in-the-middle" in den rauen Börsenwind stecken.

Dabei hat ein registriertes Mitglied die Möglichkeit, sein Broker-Konto mit Ayondo zu verbinden und alle Trades der Top-Händler automatisiert auf dieses zu übertragen. Die Trader handeln liquide Märkte wie Devisen, Edelmetalle, Rohstoffe und Indizes. Die Positionen werden meist intraday gehalten. Ein einmaliges Risikomanagement steuert auf Wunsch das Ordervolumen und schützt den Kunden vor größerem Kapitalverlust, betonen die Macher.

Registrierte Nutzer können nunmehr die Trades (Kauf- und Verkaufssignale in Märkten wie Devisen, Rohstoffe und Aktienindizes) der Händler kostenlos und vollständig automatisiert auf das eigene Brokerkonto durchleiten. Hierfür reicht eine unkomplizierte und schnelle Kontoeröffnung bei dem Ayondo-Partnerbroker aus.

Innerhalb weniger Klicks kann somit der passende Trader ausgewählt und die automatische Ausführung aktiviert werden. Innovative Risikofunktionen wie der "Verlust-Schutz" und das automatische "Money Management" schützten die "Follower" nach Angaben von Ayondo vor größeren Kapitalverlusten.

Und so beschreiben die Macher ihre Plattform: Das neue Modell demokratisiere den Markt für Privatanleger. Bislang hätten nur sehr vermögende Privatpersonen und Institutionen Zugriff auf das Know-how von Hedge-Fonds-Managern. Mit Ayondo könne sich nun jeder Anleger am Computer zu Hause das Können der besten Trader kostenlos auf das eigene Brokerkonto ab einer Kontogröße von 2.000 Euro holen.

Funktioniert das wirklich so einfach? Haben die Menschen überhaupt Vertrauen in einen Trader, der pars pro toto für sie handelt? Wie oft werden sie einfach durch bessere ausgewechselt? Wie viel Geld legen die Kunden durchschnittlich an? All dies möchten die Ayondo-Macher zwar nicht genau verraten, bestätigen aber auf Nachfrage. Erstens: Die Signalgeber werden nicht oft gewechselt. Und zweitens: Bei den Anlagebeträgen gibt es alles zwischen 2.000 und 100.000 Euro.

Zumindest findet das Modell bereits auf dem Frankfurter Parkett einen Widerhall. So beleuchtet die ARD-Börse Ayondo, das Web 2.0-basierte Börsenportal: Nur wenige Anleger seien bei spekulativen Investments längerfristig erfolgreich. Von den wenigen erfolgreichen Händlern im Trading mit Devisen und Rohstoffen könne man das Gewinnen erlernen. Denn auf der Internet-Plattform Ayondo würden Amateure und Profis zusammen gebracht.

Die Motivation der Anleger resultiere vor allem darin, angesichts der von Crashs geplagten Aktienmärkte vermehrt nach einer alternativen Anlagemöglichkeit mit konstant hohen Renditen Ausschau zu halten. Fazit des Beitrags: Vom Frontrunning, also von Insidergeschäften, wie es die Autoren zahlreicher Börsenbriefe vermeintlich praktizieren, distanzieren sich die Ayondo-Macher, bilanziert Börse online.

Ohnehin verdient das Portal laut eigener Aussage vor allem an der Anzahl der Trades, die über die Partnerbank abgewickelt werden. Motto: Je mehr und je erfolgreicher, umso besser. Was Frontrunning konkret bedeutet, hat die Süddeutsche Zeitung ausführlich erläutert, indem sie einen der größten Insider-Aktienbetrugsskandale skizziert. Der Verdacht: Eine Clique von Finanzjournalisten, Vermögensverwaltern und Herausgebern von Börsenbriefen gab untereinander lukrative Insiderinformationen weiter.

Im Visier steht insbesondere das im Fachjargon als Scalping bezeichnete Vorgehen. Haben also Web 2.0-basierten Trader-Portale trotz der Schwierigkeiten verlässliche Bewertungen zu finden, eine Zukunft, setzen sie gar einen neuen Trend? Ohne entsprechend große Kundenzahl und Einlagenvolumina bleibt es beim Hobbycharakter von Empfehlungsportalen, denen die Reichweite für ein schlüssiges und gleichsam profitables Geschäftsmodell fehlt.

Bilanziert man die Aussagen der Trader-Community, die sich auf Ayondo ausführlich selbst inklusive ihrer Motivationen beschreibt, so lässt sich aber auch feststellen, dass die Motive der Akteure von einem großen Drang nach Selbstbestimmung gekennzeichnet sind. Die Anlegertypologie entspricht weitgehend den beiden vom Marktforschungsinstitut YouGovPsychonomics ermittelten Bankkundenprofilen "Der Unabhängige" und "Der Fordernde", die ihre Geschicke lieber in die eigene Hand nehmen, statt ihre Geldgeschäfte anderen "Beratern" zu überlassen.

Ein selbst bestimmtes und weitgehend eigenverantwortliches Leben zu führen, dieser Lebensstil drückt sich für die Zielgruppe der gegenüber den Banken autonom agierenden Menschen gerade im selbst definierten Engagement an den Börsen aus. Dieser Trend wird also die Automatisierung von Handelsstrategien über Mittelsmänner befördern, sowie generell für mutige Anleger den Online-Brokern in die Hände spielen.

Börsendemokratie oder Herdenverhalten?

So gesehen scheint die Demokratisierung von exklusiven Marktritualen, an denen bislang nur die professionellen Akteure teilhaben konnten, die logische Folge einer technisch-sozialen Evolution, die sich gerade mit der Aktienanlage übers Internet (nicht nur) für junge und gut ausgebildete Zielgruppen jenseits von moralischen oder sozial-ökologischen Beweggründen erschlossen hat.

Aber ist "Börsendemokratie" am Ende nicht doch eine Chimäre, bei der etwas ganz anderes rauskommt, als die Urheber es beabsichtigen? Denn schließlich könnten die großen Spieler manuell oder automatisch, also mit und ohne Hilfe von "Algotrading" und dem Hochfrequenzhandel, diesen "sozialen" Trend aus der Mitte der Gesellschaft jederzeit manipulieren und ausbeuten.

Denn letztlich sind die kleinen Privathändler nur das letzte Glied in der Kette, da sie kaum Einfluss auf grundlegende Entwicklungen haben. Sie hängen stattdessen, wie der Patient auf der Intensivstation am Trendtropf anderer, ohne die Spielregeln zu beeinflussen. Da an der Börse ein erfolgreiches Agieren zudem aufwändig herzustellen ist, sind die Einstiegshürden als ambitionierter privater Händler dementsprechend hoch.

Letztlich aber stellt sich dieses Problem bei der Web 2.0-basierten Variante Ayondo gar nicht, denn der Privatanleger operiert dort nicht selbst, sondern lässt die vermeintlich besten Trader den Job erledigen. Die nach ausführlichem Screening ausgewählten Händler stehen jedoch unter einem hohen permanenten Erfolgsdruck.

Wer den "Track Record" mal ein paar Tage ein gutes Stück weit verfehlt, dürfte ziemlich rasch in Ungnade fallen, sowohl bei den Kunden als auch bei den Machern. Denn letztere haben schließlich ihr Geschäftsmodell mit Hilfe der Provisionsbeteiligungen irgendwann profitabel zu refinanzieren.

Die Macher jedenfalls scheinen vom Erfolg ihres Geschäftsmodells auf Basis der bisherigen Erfahrungen überzeugt: Dass das Modell funktioniere, zeige das rasante Wachstum. Bereits über 10.000 aktive Anleger nutzten Ayondo zur Entscheidungsfindung und beobachteten die Trades der Top-Trader, lassen die Plattformbetreiber verlauten.

Und noch eine Aussage scheint den Trend in Richtung Web 2.0-basiertes Trading zu bestätigen: Viele hätten bereits die automatische Ausführung aktiviert und profitierten so "ganz einfach" und mit steigendem Kontostand von der Marktüberrendite (Fachbegriff: Alpha), welche die besten Händler seit über einem Jahr erzielten. Die aktuellen Top Five der bei Ayondo zertifizierten Trader hätten immerhin jeder für sich den Deutschen Aktienindex (DAX) seit Start der Plattform deutlich geschlagen.

Sicherlich werden die Kunden diesem Trend immer wieder genau auf den Puls fühlen. Wie bei anderen finanziellen sozialen Netzwerken üblich, sollten sich ergänzende Monitoring-Netzwerkstrukturen herausbilden, analog etwa zum Social-Lending-Pendant Smava, über die sich die Klienten jenseits von Marketingversprechen fortlaufend ein eigenes Bild über die statistische und "soziale" Performance verschaffen könnten.

Von transparenten Informationssystemen über automatisierte Handelsrituale könnte auch der jeweilige Plattformbetreiber nur lernen, um sein Innovationsmodell fortlaufend weiter zu entwickeln, und dieses nicht nur auf Luftschlössern aufzubauen. Schließlich könnte die direkte Demokratie die beste aller Staatsvarianten sein. Wenn sie bloß nicht so schwierig wäre. Alles Übrige, so scheint es derzeit, könnte durchaus der allzu kreativ verselbstständigte Humus sein, auf dem die nächste kleine oder gar größere Börsenblase irgendwann platzen wird.

Beim G-20-Gipfel in Pittsburgh im letzten Herbst sprach US-Präsident Barack Obama einen von der Weltöffentlichkeit weitgehend unbemerkten Satz, der in der allgemeinen Regulierungsinszenierung unterging. Auf den Finanzmärkten dürfe es nicht wieder vorkommen, so Obama, dass wenige Akteure viele Menschen gefährdeten. Das klang bestechend einfach und gut. Bloß, wie soll das geschehen, um zu verhindern, dass die nächste wilde marodierende Horde um den Globus zieht? Gibt es einen Weg, wie sich die kollektive Vernunft als regulierende Instanz auf den Finanzmärkten entfalten kann, um die fehl geleiteten Exzesse einzelner zu unterbinden?

Keineswegs scheint das Prinzip der Selbststeuerung immer ein probates Mittel, das sich beliebig auf die Finanzmärkte übertragen lässt. Denn die kollektive Dynamik ist dem einzelnen nicht immer bewusst, man denke nur an den Herdentrieb an den Börsen, wenn viele Anleger einem Leithammel folgen - und meist zu spät aufs richtige oder falsche Pferd setzen.

Gerade an den Finanzmärkten ist "Herdenverhalten" oftmals der Auslöser von Finanzkrisen. Die negativen Folgen wären – analog zum Tierleben – Staus, Blockaden und Massenpanik. Doch die Schwarmintelligenz kann auch funktionieren. Forscher fanden heraus, dass der Erfolgsfaktor darin besteht, dass der Mittelwert besser ist als die Schätzung einzelner.

Ein Beispiel: Ameisen suchen den kürzesten Weg zur Nahrung, und sie finden diese, indem die ersten, die den Weg zurücklegen, eine Art Biomarker (Pheromone) ablegen, so dass die Masse diesen nur nachzufolgen braucht. Des Weiteren schützen sich Fischschwärme dadurch, indem sie sich gegen die großen Raubfische im Schwarm permanent bewegen und unkalkulierbare Ausweichbewegungen vollziehen. Dabei bilden sich kleine Gruppen von mehreren Fischen, die miteinander sinnvoll interagieren, denn unmöglich kann jeder Fisch die Richtung des ganzen Schwarms allein bestimmen oder voraussehen. Und die elegant um unseren Globus wandernden Zugvögel bilden eine ähnliche Formation, um Energie zu sparen beim langen Flug vom Norden in den Süden, von den Sommer- zu den Winterrastplätzen. Dennoch fehlt es an klaren Rückschlüsse, wie sich die Schwarmintelligenz jenseits von Algotrading produktiv an den Finanzmärkten nutzen ließe.

Am Ende dieses Beitrags folgt also der bittere Wermutstropfen: Die Gruppe oder ein automatisiertes Teilsystem kann mit ihren Entscheidungen ebenso daneben liegen wie ein Einzelner. Wenn es richtig schief geht, dann läuft die Community – ganz nach dem Umkehrprinzip von Schwarmintelligenz - so rasch auseinander wie eine versprengte Herde Hühner.

Lothar Lochmaier arbeitet als Freier Fach- und Wirtschaftsjournalist in Berlin. Zu seinen Schwerpunkten gehören Umwelttechnik, Informationstechnologie und Managementthemen. Mit Kommunikationsabläufen und neuen Organisationsformen in der Bankenszene hat sich der Autor in zahlreichen Aufsätzen beschäftigt. Im Mai 2010 erschien von Lothar Lochmaier das Telepolis-Buch: Die Bank sind wir - Chancen und Zukunftsperspektiven von Social Banking. Er betreibt außerdem das Weblog Social Banking 2.0.