Ende der Zeit in drei Milliarden Jahren?

Physiker leiten aus der Annahme, dass sich das Universum unendlich weiter aufbläht, ab, dass es ein Ende der Zeit geben muss

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Mit dem Universum könnte es zu Ende gehen. Und zwar schon innerhalb der nächsten 5 Milliarden Jahre, sagen Physiker von der University of California in Berkely. Das betrifft uns zwar nicht sonderlich, weil die Menschen dann schon längst vergessen und (spurlos?) verschwunden sein werden, aber weil die Zeit, wie wir sie kennen, mit dem Universum verbunden ist, wäre das Ende von diesem auch das Ende der Zeit.

Die Theorie der endlosen Aufblähung des Universums seit dem Urknall sei vermutlich nicht zu halten, sagen Raphael Bousso und seine Kollegen, es könne nicht unendlich so weiter gehen. Der Titel ihrer Studie, die unter High Energy Physics-Theory in arXiv.org veröffentlicht wurde, bringt den Ansatz auf paradoxe Weise zum Ausdruck: "Eternal inflation predicts that time will end." Das Argument ist ziemlich theoretisch, denn in einem endlosen Universum, das ein Multiversum wäre, würden alle Ereignisse stattfinden müssen, überdies auch in unendlicher Anzahl – und zwar in aller Regel in weit entfernten, abgetrennten Regionen, zwischen denen Kausalität nicht stattfindet.

Das Problem liegt schlicht darin, dass die Wahrscheinlichkeitstheorie nur die relative Häufigkeit von Ereignissen berechnen kann, wenn es aber eine unendliche Zeit gibt, wird jedes Ereignis gleich wahrscheinlich und damit der Wahrscheinlichkeitsberechnung der Boden unter den Füßen weggezogen. Es würde dann jedenfalls keinen Sinn mehr machen, auf Wahrscheinlichkeitsannahmen basierende Vorhersagen für lokale Experimente zu treffen, weil es dann auch unendlich viele Beobachter im Multiversum gebe, für die das Ergebnis einmal so und einmal anders ist, und wir nicht wissen können, welcher Beobachter wir sind. Man habe zwar in lokalen Experimenten die Möglichkeit, durch Regeln etwa Vorhersagen für Lotterien zu machen und die Theorien zu überprüfen, wenn das Universum aber unendlich wäre bzw. sich unendlich aufblähte, "würden wir nicht mehr wissen, warum die Regeln funktionieren".

Die Wissenschaftler erläutern ihre Theorie an verschiedenen kosmologischen Modellen für ein unendliches Universum. Um die Grundlage der Vorhersage zu verdeutlichen, werden Ausschnitte (Cut-offs) möglicher Beobachtungen vorgenommen. Wenn beispielsweise die Eigenschaften der kosmischen Hintergrundstrahlung erklärt werden sollen, dann müsste die relative Anzahl der Beobachtungen für die Hintergrundstrahlung berechnet werden. Da es aber in einem unendlichen Universum unendlich viele Ereignisse für jede mögliche Beobachtung gebe, würde die Grundlage für jede Berechnung der Wahrscheinlichkeit unterminiert werden.

Um Wahrscheinlichkeitsberechnungen durchführen zu können, schlagen die Wissenschaftler vor, Zeitausschnitte (cutoff) für eine begrenzte Zahl von Beobachtungen zu verwenden, die als Modelluniversen dienen. Die Möglichkeit, dass es ein Ende der Zeit geben könnte, wäre dann immer größer Null, wann dieses eintritt, hängt ab von der Art des geometrischen Ausschnitts. Dass die Zeit endet, könnte niemals beobachtet werden, da die Beobachtung die Fortdauer des Universums bedeuten würde. Die Beobachter würden in eine Art Schwarzes Loch stürzen. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass es ein Ende der Zeit gibt, ist Folge von Annahmen, die dies wahrscheinlich machen, aber natürlich ausschließen können, dass sich das Universum unendlich aufbläht.

Die Wissenschaftler haben 5 Szenarien durchgerechnet. In zwei Szenarien liegt die Wahrscheinlichkeit bei 50 Prozent, dass die Zeit (und damit das Universum) in 3,7 Milliarden Jahren endet, in zwei anderen würde sie dies mit derselben Wahrscheinlichkeit in 3,3 Milliarden Jahren tun. Im fünften Szenario wäre die Zeitspanne sehr kurz, die Zeit würde mit hoher Wahrscheinlichkeit in der nächsten Sekunde enden. Allerdings basiert das Szenario darauf, dass die meisten Beobachter "Boltzmann-Babies" oder Boltzmann-Gehirne wären, die aus den Quantenflukuationen des frühen Universums entstanden sind. Das könne man allerdings, so meinen die Wissenschaftler beruhigend, mit hoher Wahrscheinlichkeit phänomenologisch ausschließen, weil die Menschen in aller Regel keine solchen Boltzmann-Babies sind, zudem wäre Voraussetzung, dass alle unsere Beobachtungen mit höchster Wahrscheinlichkeit falsch wären. Ähnlich wie beim Ende der Zeit wird es auch bei Überlegungen über die Welt vor dem Urknall kompliziert: Die Ewigkeit vor dem Urknall.