Merkel entrümpelt Deutschland

Verkauf von Panzern ans saudische Regime heißt, Deutschland wird "normal", weswegen die Waffenlieferung auch niemanden im Ausland interessiert

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Es ist schon ein wenig gespenstisch. In Deutschland gehen die Wellen hoch, nachdem bekannt wurde, dass die deutsche Regierung im Bundessicherheitsrat die Genehmigung erteilt hat, 200 Leopard-Panzer an Saudi-Arabien, also in ein Krisengebiet und an ein autoritäres Regime, zu verkaufen. Der Deal wird auf 1,7 Milliarden Euro geschätzt. Einige Panzer sollen schon verkauft worden sein.

Die schweren Waffen gehen in eine Region, in der ein Wettrüsten stattfindet. Dabei geht es nicht nur um den Konflikt mit dem Iran, sondern spätestens seit dem arabischen Frühling auch um die Aufrüstung, die Freiheits- und Demokratiebewegung niederzuschlagen. Darin unterscheiden sich Syrien und Iran kaum von Saudi-Arabien, das Soldaten und Panzer nach Bahrain schickte, um dort Proteste brutal niederzuschlagen.

Gespenstisch ist die Diskussion hierzulande deswegen, weil sich sonst kaum jemand darum schert - weder in Saudi-Arabien, noch in Israel, anderen europäischen Staaten oder in den USA. Und das ist in der Tat wirklich erschreckend. Die Entscheidung der deutschen Regierung, erstmals dem saudischen Regime schweres Gerät zu verkaufen, ist wohl neben der Förderung der deutschen Rüstungsindustrie, die weltweit an dritter Stelle bei Exporten steht, ein so genannter realpolitischer Beschluss, der deutlich macht, dass die bislang angeblich unternommene Förderung der Freiheitsbewegung in Tunesien und Ägypten nur scheinheilig war. Es geht der Merkel-Regierung, die sich auch in Deutschland möglichst unabhängig vom lästigen Parlament machen will, nicht um Demokratie und Menschenrechte, sondern allein um Machterhalt und -ausbau.

Wer gerade die Oberhand zu haben scheint, der ist Partner der deutschen Regierung, eine eigenständige Politik, basiert auf Prinzipien, gibt es nicht, würde auch bloß unnötige Schwierigkeiten machen. Da verbrüdert sich der Außenminister Westerwelle medial mit den Protestbewegungen in Tunesien und Ägypten und gibt gleichzeitig sein Plazet, Saudi-Arabien nicht nur die üblichen Exportgenehmigungen für Waffen zu erteilen, sondern eben erstmals auch Panzer zu liefern, deren Einsatz wohl eher nicht gegen den Iran, sondern gegen die eigene Bevölkerung oder die anderer autoritärer Regime gerichtet ist, denen man wie Bahrain zu Hilfe eilen will. Saudi-Arabien deckt nicht nur den Ben Ali von Tunesien, damit dieser nicht zur Rechenschaft gezogen werden kann, sondern auch den jemenitischen Präsidenten. Man kann davon ausgehen, dass die saudische Monarchie alles andere machen wird, als im Jemen die Demokratie zu befördern. Und letztlich könnten auch dort die Panzer eingesetzt werden, wie das Syrien auch gerade vorführt.

Angeblich habe die deutsche Regierung erst einmal bei Israel und in den USA nachgefragt, ob der Waffendeal in Ordnung geht. Die Süddeutsche munkelt von irgendwelchen "Kreisen der schwarz-gelben Regierung", nach denen man angeblich mit den Panzerverkäufen Saudi-Arabien helfen wolle, "das nach den Umwälzungen in Ägypten und Tunesien der 'letzte und wichtigste Stützpfeiler in der Nahost-Region sei". Wenn das so gesagt wurde, wäre dies entlarvend. Die Demokratiebewegungen werden also skeptisch beäugt, während man das autoritäre Regime unterstützt, wie man dies auch schon zuvor in Ägypten und Tunesien gemacht hat. Was ist der Stützpfeiler in der Region? Das saudische Regime hat die Taliban in Afghanistan unterstützt, fördert einen fundamentalistischen Islamismus im eigenen Land und im Ausland, stemmt sich gegen Demokratie und Menschenrechte, brütet Terroristen und Glaubenskrieger aus und hat als Plus neben Öl und Geld nur die "Stabilität" der Gewaltherrschaft zu bieten.

Unter Bundeskanzlerin Merkel geht nun Deutschland den letzten Schritt zurück in die pragmatische Interessenpolitik, die alle anderen Staaten pflegen, weswegen man dort auch kein Problem mit den Waffenverkäufen hat. Sicher, Rot-Grün hat Deutschland in die Welt des Krieges zurückgeführt, aber noch unter dem Deckmantel humanitärer Interventionen. Köhler musste sein Amt noch aufgeben, weil er deutlich machte, was schon längst klar war, dass Deutschland militärisch nicht Freiheit, Menschenrechte oder Demokratie verteidigt, sondern seine wirtschaftlichen und strategischen Interessen. Noch schweigt man in der Regierung, aber der Waffendeal macht klar, dass die letzten, als Reaktion auf den Faschismus stammenden moralischen Bedenken gefallen sind. Dafür brauchte es offenbar eine Bundeskanzlerin aus dem Osten, die dort unter pragmatischen Gesichtspunkten Karriere gemacht hatte und dieses Wissen nun nutzt, ohne jede politische Vision das zu machen, was kurzfristig am besten ankommt.

Aber die skrupellose Merkel reiht Deutschland damit auch in die reale Machtpolitik ein. Jetzt spielen wir wieder mit, wozu auch gehört, dass Deutschland eine Berufsarmee erhält, um sie leichter an den Hindukusch oder wo auch immer zu entsenden, um scheinbar deutsche Interessen nicht nur zu verteidigen, sondern auch durchzusetzen. Gleichwohl kommt es dabei zu kuriosen Konstellationen. Während die deutsche Regierung etwa innenpolitisch gegen den Islamismus aufrüstet, verbündet sie sich außenpolitisch mit Machthabern, die diesen forcieren. Man würde sich wünschen, von der Regierung argumentativ wenigstens über solche Weichenstellungen und die dahinter stehende politische Konzeption aufgeklärt zu werden. Aber es gehört wohl auch zur Verbrüderung mit autoritären islamischen Regimen, dass die für Demokratie notwendige Transparenz im Namen der christlichen Tugenden, denen man angeblich folgt, in die Ecke gestellt wird.