"Reich und Citoyen"

Auch in Frankreich plädieren Vermögende für höhere Steuern

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Es könnte der Anfang einer größeren Initiative sein, hofft das Internetmagazin Rue89, nachdem sich auch im Nachbarland Vertreter der finanziellen Oberschicht dazu bereit erklärt haben, mit höheren Beiträgen dem Staat zu helfen. Allerdings, so schränkt das Magazin im Gegenzug ein, würden die Reichsten der Reichen zu diesem Thema noch schweigen; es gelte noch immer die Drohung, das sie das Land verlassen, wenn die steuerlichen Belastungen zu sehr steigen.

Im nächsten Staatshaushalt müssten rund 10 Milliarden Euro eingespart werden, damit das Land seinen Verpflichtungen in der EU nachkommen kann und die Bonitätsbestnote halten. Das französische AAA war in der vergangenen Woche Gerüchten und Spekulationen ausgesetzt. Dazu kamen die Nachricht von der Stagnation der Wirtschaft und die Turbulenzen an den Börsen (siehe Hektische Krisenaktivitäten).

In einem gesellschaftlichen Klima, in der die Doppelmoral, welche die gegenwärtige Ökonomie unterströmt, auch von bürgerlicher Seite schärfer herausgestellt wird, treffen Sparmaßnahmen auf eine Öffentlichkeit, die die Begünstigten des Wirtschaftssystems und deren Privilegien deutlicher wahrnimmt (Stop Coddling the Super-Rich). Dass die weniger Begünstigten darauf energisch reagieren können, führte eine ganze Reihe sehr unterschiedlicher Protestbewegungen in diesem Jahr vor Augen.

Die Äffäre Bettencourt, benannt nach der milliardenschweren L'Oréal-Erbin, die ein enges und für sie auch steuerlich angenehmes Verhältnis zu Regierungsmitgliedern pflegte, beschäftigte die französische Öffentlichkeit über mehrere Monate und blätterte die Verquickung zwischen den Eliten in vielen Details auf ("Die Oberschicht ist die einzige Klasse, die noch wirklich kollektiv und solidarisch funktioniert"). Dass sich nun zwei prominente Reiche öffentlich im Sinne höherer Abgaben an den Staat äußerten, wertet man bei Rue89.com als Signal, das für einen allgemeineren Trend unter den Wohlhabenden sprechen könnte:

Ein Teil der reichen Franzosen will zeigen, dass man reich sein kann und Citoyen.

Bislang sind es allerdings nur zwei aus der französischen Geldelite, die Multimillionäre und Unternehmer Pierre Bergé und Maurice Lévy, die sich à la Warren Buffet im Namen einer "nationalen Anstrengung" für höherere Staatsabgaben der Wohlhabenden engagieren.

Genauso, wie ich davon überzeugt bin, dass es normal ist, dass wir, die das Glück hatten, erfolgreich zu sein, Geld verdienen, bin ich davon überzeugt, dass wir unserer Rolle als Citoyen gerecht werden müssen, indem wir uns an der nationalen Anstrengung beteiligen. Ja, eine Beteiligung der Reichsten drängt sich nach meiner Ansicht auf. Und nicht nur der Unternehmensführer.

Maurice Lévy

Eine außergewöhnliche Beteiligung der "Reichsten, der am meisten Begünstigten, der Vermögenden" soll es sein, so Lévy. Wie das genau aussehen soll, ist ebenso unklar, wie die Antwort auf die Frage, wie solidarisch sich andere im Club der Vermögenden dazu verhalten werden. Pierre Bergé äußerte sich dazu laut Magazinbericht eher skeptisch. Ansonsten herrsche Stille im Club, so Rue89: "Les plus riches parmi les riches se taisent."

In Deutschland hatten sich im vergangenen Jahr der Fußballmäzen Dietmar Hopp und die Sänger Herbert Grönemeyer und Marius Müller-Westernhagen für eine höhere Belastung der Reichen ausgesprochen. Laut einer 2010 durchgeführten Spiegel-Umfrage waren 86 Prozent der Befragten der Ansicht, dass "Besserverdienende und Vermögende stärker an der Bewältigung der Wirtschaftskrise beteiligt werden sollten". Selbst unter den Anhängern der FDP fanden sich demnach noch 60 Prozent Unterstützer.