Närrischer Brandstifter?

In Bergkamen hat ein Neonazi gezündelt. Die NPD distanziert sich zwar, doch der Täter folgte wohl auch einer NPD-Brandrede

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Immer wieder, wenn aktive oder frühere NPD-Mitglieder als Verdächtige einer Straftat auffallen, versucht die Partei, eine Nähe zu solchen Kriminellen abzustreiten. So auch in Bergkamen, wo bald Anklage gegen einen 23-jährigen Neonazi erhoben erhoben werden soll, unter anderem wegen eines Brandanschlags auf die Baustelle einer Moschee. Dass der mutmaßliche Täter Anfang April noch einem NPD-Funktionär zuhörte, der Deutschland "im Glanze brennender Moscheen erstrahl[en]" sehen wollte, zeigt die Verlogenheit der Partei.

Für die Staatsanwaltschaft ist erwiesen, dass der Neonazi, der zeitweise auch der NPD angehörte, für die ihm vorgeworfenen Taten verantwortlich ist. Es begann im Juli mit Bränden, die an Mülltonnen, -containern und Gelben Säcken gelegt wurden. Zudem soll der Verdächtige Baumaterialien an einer Moscheebaustelle in Brand gesetzt haben, wodurch der Innenraum und das Kuppeldach des Rohbaus stark verrußten. Auch in einem Wohnhaus, in das der 23-Jährige kurz zuvor eingezogen war, soll er gezündelt haben - an Türen von Wohnungen, in denen Migranten leben.

Bei Aufnahmen des WDR hatte sich der junge Mann in einem Pullover mit dem Neonazi-Label "Division 88" präsentiert - allerdings nicht als Brandstifter, sondern als Ersthelfer bei den Lösch- und Rettungsarbeiten.

Um Schadensbegrenzung bemüht, distanzierte sich der NPD-Kreisverband Unna/Hamm von dem Mann, der "einige Zeit unserem Kreisverband angehört" habe. Angeblich sei der Neonazi, der laut örtlicher Antifa an zahlreichen Aufmärschen teilnahm, laut NPD "weitgehend passiv und unauffällig geblieben". Weiter heißt es: "Was er nun gestanden hat, reicht aber für uns, ihn aus der Gemeinschaft der NPD zu entfernen." Man sei "kein Sammelbecken närrischer, alkoholisierter Krimineller sondern Nationalisten, die sich ernsthaft und ehrenhaft für unser deutsches Volk und Vaterland einsetze" [sic!]. Den Neonazi nennt man einen "Kriminellen" für den "in unseren Reihen kein Platz" sei.

Die "Antifa UNited" aus Unna veröffentlichte kurz nach der Festnahme des 23-Jährigen Fotos mit dem mutmaßlichen Täter, die aus Antifa-Kreisen und sozialen Netzwerken stammen. Auf einem Bild soll der Neonazi aus Bergkamen zu sehen sein - Arm in Arm mit NPD-Parteichef Udo Voigt bei einer Kundgebung in Bremen Ende April. Zudem hatte der Mann, dem der Brandanschlag auf den Moschee-Neubau vorgeworfen wird, an einem extrem fremdenfeindlichen Aufmarsch in Stolberg (Städteregion Aachen) Anfang April teilgenommen.

Deutschland werde "im Glanze brennender Moscheen erstrahlen"

Interessant an letztgenanntem und der Distanzierung der NPD ist der extreme Widerspruch in Sein und Schein der neonazistischen und fremdenfeindlichen Partei. Denn während die NPD in Westfalen ihr ehemaliges Mitglied am liebsten entsorgen will, steht der 23-Jährige im Verdacht, zumindest ansatzweise das umgesetzt zu haben, was ein anderer NPD-Funktionär ihm am 9. April in Stolberg vorbetete. Manfred Breidbach, stellvertretender Vorsitzender des NPD-Kreisverbandes Düsseldorf/Mettmann, hoffte in seiner Rede in Stolberg nämlich, dass Deutschland "im Glanze brennender Moscheen erstrahl[en]" werde.

Breidbach hatte in der Rede ausgeführt, dass es "einzelne Menschenrassen" gebe. Gewalttätigen Angriffen auf Deutsche und Deutschland müsse man ebenso gewalttätig entgegentreten, so der NPD-Mann. Politiker seien "Krawatten tragende Parasiten in den Parlamenten", der "deutsche Kampfgeist" habe schon Napoleon aus dem Land hinausgetrieben. Auch Albert Leo Schlageter, ein Rechtsterrorist, der 1923 hingerichtet wurde und den die NSDAP als Märtyrer glorifizierte, habe sich auf seine Pistole und Sprengstoff verlassen, so Breidbach in Stolberg.

Dem türkischen Regierungschef Recep Erdogan warf der NPD-Mann aus dem Rheinland vor, eine "Kriegserklärung" an das Deutsche Volk abgegeben zu haben. Bei Erdogans Gastauftritten gelte es ihn, ansonsten aber auch alle türkischen Migranten aus dem Land zu werfen, wetterte Breidbach im April. Man wolle auch keinen Frieden mit dem Islam, nur weil "Kameraden" mit Islamisten gegen den "Hauptfeind unseres Volkes" kämpfen - womit Israel alias der Jude gemeint war. Während die "multikulturelle Pest" regiere, stünden "arische Menschen mit dem Rücken zur Wand", befänden sich im Krieg und müssten die "ideologische Brandfackel in das morsche Gebälk" der "Multikulti-Ideologie" schleudern.

Breidbach fand zudem, Muslime liefen dem "verkackten Propheten Mohamed" hinterher, doch eines Tages werde Deutschland "im Glanze brennender Moscheen erstrahl[en]". Vier Monate später zündelte dann offenbar einer der "Kameraden" und Zuhörer Breidbachs in seiner Heimatstadt Bergkamen, unter anderem auf der Baustelle einer Moschee - woraus die NPD in Westfalen dann schloss, der Täter sei nur ein "närrischer, alkoholisierter Krimineller".

Gegendarstellung zum Artikel "Närrischer Brandstifter?"

Zu dem diesem Artikel veröffentlichen wir auf Wunsch von Herrn Björn Mühlnickel, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Jürgen Lammertz, Rheinbach, folgende Gegendarstellung:

Telepolis berichtete am 30. August 2011 in dem Artikel ["Närrischer Brandstifter?" http://www.heise.de/tp/artikel/35/35389/1.html] über ein Strafverfahren wegen Brandstiftung gegen den zwischenzeitlich 2012 verurteilten Björn Mühlnickel und den möglichen Zusammenhang dieser Tat mit der NPD.

In dem Artikel heißt es hierzu: "Auch in einem Wohnhaus, in das der 23-Jährige kurz zuvor eingezogen war, soll er gezündelt haben - an Türen von Wohnungen, in denen Migranten leben."

Hierzu lässt Herr Björn Mühlnickel, vertreten durch seinen Anwalt Jürgen Lammertz, Rheinbach, folgendes feststellen: Die Behauptung ist unwahr. Im Haftbefehl sei dieser Vorwurf ebenso wenig vorhanden gewesen, wie in der später erlassenen Anklageschrift. Auch in der Verhandlung, die vor dem LG Dortmund stattfand, war das nicht Gegenstand einer entsprechenden rechtlichen Erörterung.

Weiterhin wird in dem Artikel Herr Björn Mühlnickel als "Neonazi" bezeichnet.

Hierzu lässt Herr Björn Mühlnickel, vertreten durch seinen Anwalt Jürgen Lammertz, Rheinbach, folgendes feststellen: "Das ist unzutreffend. Nicht jeder, der kurzes Haar trägt oder Mitglied einer Partei wie der NPD ist, ist automatisch ein Neonazi".

Rheinbach, den 17.07.2014

Björn Mühlnickel Vertreten durch Rechtsanwalt Jürgen Lammertz, Rheinbach