Das Selbst als gefährlichster Gegner

Der Bundestagsabgeordnete Hans-Peter Uhl weicht Manipulationsvorwürfen aus

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Am 15. September twitterte der Heise-Justiziar Jörg Heidrich: "Kann man [dem Bundestagsabgeordneten Hans-Peter] Uhl bitte mal in ein Grundgesetz Repetitorium für Jura-Zweitsemester schicken! Es besteht Bedarf!" Nach und nach wird wahrscheinlicher, dass der 1974 an der Münchener Ludwig-Maximilians-Universität mit einem Vergleich von britischem und deutschem Kartellrecht promivierte und seit 1998 als Rechtsanwalt zugelassene Jurist Uhl nicht nur mit dem Grundgesetz Schwierigkeiten haben könnte: Am letzten Mittwoch meinte er im Bundestag, Deutschland werde "von Sicherheitsbeamten geleitet" und "regiert" - und so solle es auch sein. Im Protokoll der auch auf Video dokumentierten Rede heißt es an diesen Stellen abweichend vom tatsächlich gesprochenen Text, dass Deutschland Sicherheitsbehörden "hat" und über sie "verfügt".

Auf Abgeordnetenwatch wurde Uhl darauf hin damit konfrontiert, dass auf der Website des Deutschen Bundestages steht, ein Redner könne das Protokoll zwar vor Fertigstellung "prüfen", dürfe aber "bei eventuellen Korrekturen" den "Sinn der Rede oder ihrer einzelnen Teile nicht [ändern]". Bisher drückt sich Uhl hinsichtlich einer möglichen Regelverletzung durch die Manipulation seines Redebeitrages vom Mittwoch um eine klare Antwort herum.

Stattdessen behauptet er, dass das Protokoll "vom stenographischen Dienst des Deutschen Bundestages autonom, also ohne jede Beeinflussung [s]einerseits, so erstellt" worden sei. Das mag stimmen, sagt aber noch nichts darüber aus, welche Änderungen Uhls Büro vornahm. Statt darauf einzugehen, schildert er länglich den allgemeinen Ablauf, nach dem der stenografische Dienst "das gesprochene Wort ins Reine [schreibt ] und […] dazu ggf. Änderungen vor[nimmt], die der Aussage sprachlich gerecht werden, insbesondere bei Schachtelsätzen". Das dadurch entstehende Protokoll ist Uhl zufolge eine "sinnvolle Ergänzung des Bild- und Tonmitschnitts" und überträgt Reden "in eine lesbare und die Intention des Redners treffende Textversion", mit der sich "Missverständnisse […] ausräumen lassen".

Dem Piraten Thorsten Fogelberg hatte Uhl vorher geantwortet, dass die Aussage, Deutschland werde von Sicherheitsbehörden regiert, "so natürlich keinen Sinn" ergeben würde. Sie sei ein "sprachliche[r] Missgriff [und] in freier Rede [könne] so etwas passieren". Eigentlich habe er sagen wollen, dass die Bundesrepublik ein "bewährter Rechtsstaat" sei, der Behörden hat, die "Recht und Gesetz verpflichtet sind".

Gegen die Möglichkeit, dass es sich bei Uhls Aussage um ein bloßes Versehen handelt, spricht allerdings die Tatsache, dass der Abgeordnete die geänderten Formulierungen "geleitet" und "regiert" kurz hintereinander gebrauchte. Und nicht zuletzt lassen "sprachliche Defizite […] möglicherweise auch auf Defizite in der Gedankenführung schließen", wie der Jurablogger Thomas Stadler im Frühjahr anhand einer Äußerung von Bundesinnenminister Friedrich feststellte.

Dafür, dass Uhl tatsächlich in einem grundgesetzwidrig polizeistaatlichen Denken gefangen sein könnte, spricht unter anderem, dass er die erste Person Plural gebraucht, wenn es um das BKA geht, und dass er Chinas Sicherheitspolitik als Vorbild empfiehlt. Das weiß man auch in der CSU, in der der geborene Tübinger durchaus nicht überall beliebt ist: Vor zwölf Jahren zog er seine Kandidatur als Münchener Oberbürgermeister mit der Begründung zurück, er habe "nicht das Vertrauen des derzeitigen Vorstands der Münchner CSU", der ihm hinterrücks "ein Messer, auf dessen Griff die Buchstaben CSU stehen" in den Leib gestoßen hätte. Peter Gauweiler kommentierte das damals mit der heute fast prophetisch wirkenden Bemerkung, tatsächlich sei der Rückzug erfolgt, "weil [Uhl] seinen gefährlichsten Gegner unterschätzt hat - sich selbst".

In seinem Wahlkreis im Münchener Westen sank Uhls Erststimmenergebnis stetig: Hatte sein Vorgänger Kurt Faltlhauser dort 1994 noch 49,8 Prozent der Stimmen erreicht, so schraubte Uhl das Ergebnis in den darauf folgenden Bundestagswahlen auf 47,3, 44,3, 42,7 und zuletzt 36,8 herunter. Zu seiner aktuellen Affäre mag man sich in der CSU offiziell nicht namentlich äußern, lässt aber durchblicken, dass Uhls erneutes Antreten bei der Bundestagswahl 2013 auch davon abhängt, ob es der SPD gelingt, im Münchener Westen einen Gegenkandidaten aufzustellen, der auch für Anhänger der Grünen und der Piraten wählbar ist.




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