Politische Autobahn

Europa 1941/42. Karte: San Jose. Lizenz: CC BY-SA 3.0.

Europa als nationalsozialistische Idee

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Auch wenn Europa heute meist als eine Idee präsentiert wird, die nach dem Zweiten Weltkrieg entstand, so gab es sie doch schon vorher. Auch im Nationalsozialismus, der die in den Anfangstagen gepflegte Autarkielehre während des Zweiten Weltkrieges zugunsten der eines Europas unter deutscher Führung aufgab.

1943 erschien ein vom damaligen Wirtschaftsminister Walther Funk herausgegebenes Buch mit dem Titel Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, in dem es unter anderem um die Abschaffung von Zöllen in einem europäischen Binnenmarkt, Landwirtschaftssubventionen, eine Einheitswährung und den Ein- oder Ausschluss der Türkei geht. Alles Fragen, die auch in der EU und ihren direkten Vorläufern eine Rolle spielten und spielen.

Im von Joachim von Ribbentrop geführten Außenministerium konkretisierte Heinz von Homeyer diese Pläne in seiner Denkschrift Die Kriegsentscheidung - Der Gedanke Europa.1 Sein Entwurf einer Europäischen Konföderation umfasst insgesamt 13 Staaten und sollte unter Führung Deutschlands und Italiens stehen. Benito Mussolini stimmte dem Vorhaben in seinem Manifest von Verona grundsätzlich zu. In Frankreich ließ man währenddessen zur Stimmungsmache den Juraprofessor Friedrich Grimm Propagandavorträge über die europäische Einigung abhalten, bei denen am Schluss sowohl die Marseillaise als auch das Deutschlandlied gesungen werden mussten.

Eine wichtige Rolle in den nationalsozialistischen Europaplänen spielte die Idee einer "Festung Europa", die es gegen "asiatische Horden", Bolschewisten und "Yankee-Gangster" (Alfred Rosenberg) zu verteidigen galt. Heute münden Erklärungen, warum die EU alternativlos sein soll, ebenfalls verdächtig oft in eine reflexhafte geopolitische Gegnerschaft zu den USA, Russland oder China.

Dass Europa - ebenso wie die Autobahnen2 - (auch) eine nationalsozialistische Idee ist, muss jedoch nicht zwangsläufig heißen, dass sie schlecht ist. Aber es sollte zu Denken geben, ob das Projekt weiterhin so sakralisiert werden muss wie bisher. Selbst, wer nur einzelne Auswüchse hinterfragt, stößt sehr schnell an Tabus: So ging es Peter Gauweiler, als er das undurchsichtige Verfassungsvertragswerk und die ständigen Rettungsschirme kritisierte. Und so ging es dem alten Bürgerrechtsliberalen Burkhard Hirsch, der unlängst in einem offenen Brief an die FDP-Basis warnte, der Frieden in Europa sei weniger durch mangelnde "Rettungspläne" gefährdet, als durch "zentralistische Lösungen".

Wenig offenen Widerspruch löste dagegen bisher die von Angela Merkels im September aufgestellte Behauptung aus, der Euro sei ein "Friedensprojekt", weil Länder mit gemeinsamer Währung keine Kriege gegeneinander führen würden. Gegenbeispiele dazu kennt die Geschichte zuhauf. Und die nationalen Ressentiments scheinen mit der Europapolitik der letzten Monate und Jahre nicht ab-, sondern deutlich zugenommen zu haben:

In Deutschland entdeckten große Teile der Presse wieder den faulen Südländer und das "perfide Albion". Im Rest Europas übernahm man dafür die bislang vor allem von der britischen Boulevardpresse gepflegte Tradition, Deutsche mit nationalsozialistischen Utensilien darzustellen: In Frankreich malt man Angela Merkel mit Pickelhaube und in Italien, dem Land der Lagerfilme gleich in SS-Uniform, mit Zweifingerbart und unter der Überschrift "Heil Merkel". In Canal+ ruft die Puppenkarrikatur der Kanzlerin das auch in Frankreich bekannte deutsche Wort "Arbeit!", während Nicolas Sarkozy deutsche Panzer ins Land lässt. Und in Polen forderte die Opposition ein ein Staatstribunal für Außenminister Radoslaw Sikorski, weil der meinte, er fürchte die "Untätigkeit" des westlichen Nachbarn mehr als dessen Machtstreben.

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