Obama und der Drohnenkrieg

Ausgerechnet Obama, der den Friedensnobelpreis erhalten und angenommen hat, stützt sich mehr als jeder andere US-Präsident auf "gezielte Tötungen" in einem verdeckt geführten Krieg

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Der Krieg mit ferngesteuerten Drohnen in Afghanistan, Pakistan, Somalia oder im Jemen wurde zwar unter George W. Bush begonnen, aber er wurde bekanntlich unter dem Friedensnobelpreisträger Barack Obama enorm ausgebaut. Der Einsatz von bewaffneten Drohnen bedeutet eine neue Kriegsführung, in der meist nicht gegen kämpfende Gegner vorgegangen wird, sondern mutmaßliche Militante, Terroristen oder andere Feinde heimlich, aus dem Hinterhalt, getötet werden. Dafür wird der Begriff der "gezielten Tötung" verwendet, der freilich nur einen Mordanschlag legitimieren soll. Verwunderlich ist, dass nirgendwo die Strategie der gezielten Tötungen oder der Mordanschläge mit Drohnen groß diskutiert oder in Frage gestellt wird, obgleich sich damit die Kriegsführung entscheidend verändert hat.

Ob die "gezielten Tötungen" nach dem Internationalen Recht und dem der USA gerechtfertigt werden können, ist umstritten. Meist wird argumentiert, dass in Kriegsgebieten eine gezielte Tötung von Feinden, auch wenn sie sich nicht im Gefacht befinden, rechtens sei, wenn von diesen unmittelbar Gefahr ausgeht. Letztes Jahr hatte sich diese Haltung auch die deutsche Regierung zu eigen gemacht. Sie seien, so hieß es von Seiten der Bundeswehr und des Außenministeriums völkerrechtlich legal, wenn es sich um einen nicht-internationalen Krieg handelt, und für die Isaf-Truppen in Afghanistan und im "Regelwerk der Nato" vorgesehen. Zwar blieb die deutsche Regierung eine klare Antwort schuldig, ob sie aktiv dazu beiträgt, Menschen auszumachen und zu identifizieren, die nicht festgenommen, sondern getötet werden sollen, aber es liegt auf der Hand, dass alle Isaf-Staaten den Einsatz der Killerdrohnen akzeptieren, ohne groß in rechtliche Diskussionen einzutreten (Bundesregierung will weiter das heikle Thema des "gezielten Tötens" umschiffen).

Man lässt gezielte Tötungen, auch wenn dabei viele Zivilisten getötet werden, in der rechtlichen Grauzone, weil sie wohl als nützliches und effektives Mittel erscheinen. Geschwiegen wird auch darüber, dass die USA bereits unter Bush, aber vermehrt unter Obama auch in Ländern, in denen offiziell kein Krieg geführt wird, den Drohnenkrieg führen, was angeblich von den jeweiligen Regierungen erlaubt worden sei. Wie dies im Fall von Jemen geschehen sein soll, bleibt unbeantwortet. Offiziell hat die pakistanische Regierung oft den Einsatz von US-Drohnen kritisiert und abgelehnt, aber ihn bislang geduldet.

Die Frage ist aber auch schon, ob die Piloten der bewaffneten Drohnen, zumal wenn es sich um CIA-Mitarbeiter handelt, auch als legitime Soldaten gelten. Überdies werden die Drohnen zwar in der Nähe der Einsatzgebiete gewartet und gestartet, geflogen werden sie aber von Piloten in den USA, die in keiner Weise unmittelbar bedroht sind (Verstößt der US-Drohnenkrieg gegen internationales Recht?). Und es bleibt die Frage, ob und wie im unbemannten Krieg die Auswahl der Ziele gerechtfertigt werden kann, die zum Abschuss frei gegeben werden. Auch nachträglich schweigen die Verantwortlichen und legen die Karten nicht auf den Tisch. Philip Alston, der UN-Sonderbeauftragte für extralegale Exekutionen, hat 2010 in einem Bericht gefordert, dass die Staaten, die gezielte Tötungen vornehmen oder durchführen wollen, die von ihnen in Anspruch genommen rechtlichen Grundlagen öffentlich machen und begründen müssten, warum dies in Übereinstimmung mit internationalem Recht sein soll. Zudem müsse eben sichergestellt sein, dass die Tötungen begründet, gelistet und öffentlich geprüft werden können.

Dass ausgerechnet unter einem Präsidenten, der im Wahlkampf als Gegner der Kriege in Afghanistan und im Irak, aber auch als Kritiker des Globalen Kriegs gegen Terrorismus (GWOT) und der durch diesen gerechtfertigten Praktiken (Geheimgefängnisse, Folter, Verschleppungen, Guantanamo etc.) auftrat, die Strategie der gezielten Tötungen überhand nahmen und die geheimen Stützpunkte ausgebaut wurden, ist nur auf den ersten Blick erstaunlich. Der vorgebliche Kriegsgegner Obama, der realpolitisch nicht einmal Guantanamo schließen konnte, führt lieber einen heimlichen und schmutzigen Krieg, während er die Truppen aus den Kriegsgebieten abzieht, auch wenn diese, wie im Irak sich bereits andeutend, nun erst recht nach der militärischen Intervention in Brand zu geraten scheinen.

In der Washington Post wurde die Entwicklung nun mit einem ausführlichen Artikel dargestellt. Bislang habe sich noch kein US-Präsident zur Bekämpfung von Gegnern so sehr auf die "geheime Tötung von Einzelpersonen" gestützt wie Obama. Unter seiner Präsidentschaft haben sich hier die Grenzen zwischen Militär und Geheimdienste, die teils unterschiedliche Listen für Todeskandidaten führen, weiter verwischt, nun würde man einfach nur auswählen, wer besser Operationen ausführen kann, oder man wechselt einfach Militär und Geheimdienste mit dem Ziel ab, die Kontrolle durch den Kongress zu erschweren, um freie Hand zu behalten und die rechtlichen Fragen im Dunklen zu belassen. Allerdings wird angeblich vor jeder gezielten Tötung mit einer CIA-Drohne der Geheimdienstausschuss des Senats mit einem Fax benachrichtigt, der Ort, Zeit und Ziel angibt. Bei den vom Militär geflogenen Einsätzen ist die Kontrolle weitaus laxer, wobei aber die Abgeordneten kaum über ausreichend Informationen verfügen werden, um die Rechtmäßigkeit prüfen zu können. Man lässt es wohl auch einfach lieber mal so weiter laufen. Vom Weißen Haus hat die Washington Post zum Drohnenkrieg auch keine Stellungnahme erhalten.

Innerhalb der Regierung soll der Drohnenkrieg weithin unterstützt und gebilligt werden. Der einzige namhafte Gegner soll der ehemalige oberste Geheimdienstchef Dennis Blair gewesen sein, der aber auch aus diesem Grund nach nicht einmal eineinhalb Jahren Dienst auf seinem Posten diesen im Mai 2010 verlassen musste.