Erste spanische Regionen praktisch pleite

Das von den Konservativen regierte Valencia benötigt angesichts der Verschuldung die erste verdeckte Staatshilfe

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Gerne wirft die neue konservative spanische Regierung den sozialistischen Vorgängern vor, ihr ein "ruiniertes Land" übergeben zu haben. Dabei unterschlägt sie, dass sich vor allem die von der Volkspartei (PP) regierten Regionen extrem verschuldet haben. Praktisch ist die Autonome Gemeinschaft Valencia, einem deutschen Bundesland ähnlich, längst zahlungsunfähig. Zum Jahreswechsel musste die neue PP-Zentralregierung verdeckt intervenieren, damit die Pleite der ersten Region nicht offensichtlich wird, weil sich sonst sofort gezeigt hätte, warum Spanien seine Defizitversprechen nicht einhalten kann.

Am Mittwoch hat die spanische Tageszeitung El País aufgedeckt, dass die neue Regierung unter Mariano Rajoy zum Jahreswechsel intervenieren musste, um einen Zahlungsausfall von Valencia zu vermeiden. Denn am 27. Dezember lief ein Kredit über 123 Millionen Euro aus, den die Region bei der Deutschen Bank aufgenommen hatte. Valencia konnte den Kredit nicht zurückzahlen, weshalb das Finanzministerium gegenüber der Deutschen Bank gebürgt habe, um so Zeit zu gewinnen, eine neue Bank zu finden, berichtet die Zeitung mit Quellen im Finanzministerium. Inzwischen sei der Kredit beglichen worden, doch noch ist unklar, wie. Bestätigt hat die Regionalregierung aber, dass sie fünf Tage in Verzug war.

Wundern muss man sich über den faktischen "Default" (Ausfall) der Autonomen Region allerdings nicht. Seit Monaten hat die Region schon Probleme, die Gehälter der Beschäftigten im öffentlichen Dienst zu bezahlen. Seit dem 1. Juli haben die Apotheker in der Region kein Geld mehr für die Medikamente vom öffentlichen Gesundheitswesen erhalten. Sogar die Behörde in Valencia beziffert allein diese Schulden auf mehr als 300 Millionen Euro, wobei die Apotheken sogar von 550 Millionen sprechen. Immer wieder haben die Apotheken aus Protest die Türen ganze Tage geschlossen, weil inzwischen dutzende zahlungsunfähig wurden. Mit Streiks haben sie schließlich erreicht, dass im Dezember wenigsten 60 Millionen Euro bezahlt wurden, um wieder neue Medikamente einkaufen zu können.

Auch die Kreditwürdigkeit der Region wurde schon im Dezember von der Ratingagentur Moody's auf Ramsch-Status " Ba1" abgestuft. Es handelt sich nun also um eine spekulative Anleihe. Bei einer Verschlechterung der Lage muss mit Ausfällen gerechnet werden. Die beiden anderen großen Ratingagenturen halten die konservative Region noch eine Stufe über dem Niveau eines Junk-Bonds. Eine Emission von neuen Anleihen ist im Dezember grandios gescheitert. Valencia wollte insgesamt 1,8 Milliarden Euro von Kleinanlegern einnehmen, weil Papiere mit 1,5 Milliarden Euro (zuzüglich Zinsen) fällig wurden. Doch die Region konnte nur gut eine Milliarde Euro einnehmen, womit sich ihre Finanzsituation deutlich verschärft hat.

Wie das Land angesichts dieser Situation die 3,4 Milliarden Euro refinanzieren will, die nun in diesem Jahr fällig werden, ist völlig unklar. Denn ohnehin war die Region schon im dritten Quartal 2011 mit offiziellen Schulden in einer Höhe von fast 21 Milliarden Euro am höchsten verschuldet. Hier wurde in Castellón sogar ein ganzer Flughafen gebaut, der nie in Betrieb ging, aber vor den Regionalwahlen im Mai noch schnell eingeweiht wurde. Wer glaubt, dass seither dort ein Flugzeug gelandet oder gestartet ist, liegt fehl. Der PP-Provinzfürst Carlos Fabra musste ebenfalls wegen Korruption zurücktreten und gegen ihn wird weiter ermittelt.

Mit derlei Projekten wurden hohe Schulden vor allem zwischen 2003 und 2011 von Politikern und auch einer Regionalregierung angehäuft, die allgemein als korrupt gilt. So zieht sich inzwischen auch der Gürtel immer enger um den Hals von Ex-Regierungschef Francisco Camps, der sich schon wegen Korruption mit weiteren Angehörigen seiner Regierung vor Gericht verantworten muss. (Spaniens Opposition nach Rücktritt weiter unter Druck) Auch im Fall der Anklage im Korruptionsskandal um den Schwiegersohn des Königs taucht neben der Balearen-Regierung immer wieder die Regionalregierung Valencias als Geldgeber auf (Anklage gegen königlichen Schwiegersohn erhoben). Allgemein wird davon ausgegangen, dass in beiden Fällen eine illegale Parteienfinanzierung eine Rolle gespielt hat.

Doch zurück zu den Wirtschaftsdaten, die deutlich machen, warum es finster um Valencia steht. Nur die Nachbarregion Katalonien hat noch höhere Gesamtschulden. Allerdings leben in der notorische unterfinanzierten Region mehr Menschen und Katalonien trägt überdurchschnittlich zur Wirtschaftsleistung Spaniens bei (Drohen zwischen Katalonien und Spanien belgische Zustände?). So liegt das Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf in Valencia bei gut 20.000 Euro, während es in Katalonien bei gut 28.000 Euro liegt.

Valencia ist der Prototyp der verschuldeten, meist von der PP regierten Regionen

Das von den Konservativen regierte Valencia ist aber der Prototyp der Regionen, die es der abgewählten sozialistischen Regierung verhagelt hatten, das Haushaltsdefizit auf 6% zu senken, wie es mit der EU-Kommission vereinbart worden war. Die Regierung Rajoy geht nun davon aus, dass es unter der abgewählten Vorgängerregierung 2011 jedoch 8,2 Prozent wurden. Allerdings räumte sogar der neue Finanzminister Cristóbal Montoro ein, dass vor allem die Regionen dafür verantwortlich seien, während die Zentralregierung ihr Defizitziel von 4,8% des BIP nur knapp verpasst habe.

Es waren die Autonomen Regionen, 11 von 15 werden von der PP regiert, die sich nicht an die Sparvorgaben aus Madrid gehalten haben. So hat die PP in Madrid zwar stets Austerität gepredigt, doch genau das Gegenteil dort getan, wo sie schon regierte. Im dritten Quartal 2011 waren die Gesamtschulden der Regionen sogar um 22 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Und direkt hinter Valencia kommt die Region Madrid, die mehr als 15 Milliarden Euro an Schulden angehäuft hat. Im Verhältnis der Verschuldung zum BIP fallen aber auch die traditionell von der PP regierten Regionen Galicien, die Balearen und Kastilien-La Mancha auf, das die PP aber erst im Mai übernommen hat.

Da es vor allem die von den Konservativen regierten Regionen waren, welche die Sparbemühungen zunichte gemacht haben, ist es schlicht eine Ausrede, wenn Rajoy nun seine Steuererhöhungen damit begründet, dass die Vorgänger ein "ruiniertes Land" hinterlassen hätten. Schließlich kannte die neue Regierung die Defizite nur zu genau, die vor allem in den Regionen produziert wurden, in der die PP seit langem regiert. Man muss sogar vermuten, dass die Steuererhöhungen längst geplant waren, obwohl Rajoy stets versprochen hatte, es würden keine Steuern erhöht. Erst in seiner Antrittsrede begann er langsam, aber sicher die Hintertüren zu öffnen, noch bevor er den Amtseid abgelegt hatte.

Anhand der fatalen Situation, in der sich einige Regionen befinden, wird auch verständlich, warum ausgerechnet die Einkommensteuer erhöht wurde, denn die fließt zur Hälfte in die Schuldenregionen. Doch auch das wird Valencia nicht retten. Denn die Region gehört zu den Gebieten im Land, in denen zudem die Arbeitslosigkeit besonders hoch ist. Schon Ende September waren in der gesamten Region gut 25% der aktiven Bevölkerung arbeitslos, womit die Region deutlich über dem Durchschnitt von knapp 23% lag. Besonders trat hier die Provinz Castellón hervor, wo es sogar schon mehr als 27% waren.

Seither ist aber die Arbeitslosigkeit in Spanien sogar noch weiter deutlich angestiegen, weshalb auch die Erhöhung der Einkommensteuer die Finanzierung für Regionen wie Valencia nur wenig verbessern kann. Dazu kommt, dass hier die Zinslast in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen ist, womit ein immer größerer Anteil des Haushalts für Zinsen aufgewendet werden muss. Nach den ersten Pleiten von Sparkassen im Jahr 2010 kam es 2011 auch zur ersten Bankenpleite. Es ist kein Zufall, dass ausgerechnet die Banco de Valencia im vergangenen November unter die Verwaltung des staatlichen Rettungsfonds FROB gestellt wurde. Man sollte sich also nicht wundern, wenn demnächst mit Valencia die erste spanische Region 2012 auch offiziell als pleite anerkannt wird.