Iran will Europa den Ölhahn abdrehen

Die Krisenländer Spanien, Italien und Griechenland sind davon besonders betroffen

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Der Iran zieht im Streit um sein Atomprogramm die Daumenschrauben noch etwas stärker an, womit sich der Konflikt weiter zuspitzt (Iran will eine US-Drohne durch elektronische Kriegsführung gekapert haben). Doch statt die Straße von Hormus zu sperren, will das Land nun zunächst den Europäern den Ölhahn abdrehen. Damit reagiert Teheran auf das Ölembargo und andere Maßnahmen, welche die EU-Außenminister am Montag beschlossen hatten.

Es war zu erwarten, dass Teheran nicht einfach bis zum 1. Juli tatenlos abwarten würde, denn dann dürfen die EU-Länder nach der Entscheidung der EU-Außenminister vom Montag kein Öl mehr von Iran beziehen. Zudem wurden auch die Konten der iranischen Zentralbank in der EU eingefroren. Damit wollen die 27 EU-Länder Druck auf das Land ausüben, um es zum Einlenken in der Atomfrage zu bringen. Doch der Iran dreht nun den Spieß um. Er wartet nicht darauf, bis sich die Abnehmerländer neue Lieferanten gesucht und diese ihre Ölförderung angepasst haben, um den Ausfall Irans zu kompensieren.

Der Energieausschuss des Parlaments bereitet nun einen Gesetzentwurf vor, um die Lieferungen sofort einzustellen, hat Teehran Times berichtet. Deren Sprecher, Emad Hosseini, zitiert die "Financial Times": "Wenn der Entwurf angenommen wird, wird die Regierung ihre Ölverkäufe nach Europa stoppen müssen, bevor die EU das Ölembargo gegen Iran startet". Der Gesetzesentwurf soll noch am Wochenende ins Parlament eingebracht werden. Dieser "Schritt wird schwerwiegende Konsequenzen für die Europäer haben", zitiert die Nachrichtenagentur Isna aus einer offiziellen Erklärung des Außenministeriums.

Die vom Iran angesprochenen Konsequenzen dürften zunächst besonders die Euro-Länder treffen, die ohnehin schon schwer angeschlagen sind. Denn vor allem Griechenland, Spanien und Italien sind besonders abhängig von iranischem Öl. Darauf zielt das Land mit seiner Retourkutsche ab, denn damit könnte sich die Lage für Italien und Spanien und damit für den Euro wieder schnell verschärfen. Dabei hatte sich die Spannung gerade in den letzten Wochen wieder etwas gelöst. Diese drei Länder hatten deshalb schon gemeinsam eine Übergangsfrist gefordert, die Teheran nun offenbar erfolgreich aushebelt.

Spaniens Außenminister José Manuel García-Margallo hatte nach dem Beschluss am Montag auch davon gesprochen, dass man "zu den Ländern gehöre, die sich besonders opfern", um mit Rücksicht auf die Sicherheit in der Zone eine einhellige Haltung in der EU-Außenpolitik zu erreichen. Er hoffte allerdings darauf, dass sich schnell Ersatzlieferanten finden und hatte vor allem Saudi Arabien im Blick. Das Land soll langfristig den Ausfall kompensieren können, worüber schon verhandelt werde.

García-Margallo Behauptung stimmt zwar nicht, dass Spanien 20 Prozent seines Öls aus dem Iran bezieht, doch 2011 waren es immerhin gut 15 Prozent. Diese Angaben macht die spanische Firma Cores, die für die Regierung die strategischen Ölreserven verwaltet. Nur aus Russland hat Spanien mit 16,3 Prozent noch mehr Öl erhalten. Auch Italien ist mit 13,3 Prozent stark abhängig vom Iran. Das zeigen die jüngsten Angaben, die auf Oktober 2011 zurückgehen.

Doch beide Länder rutschen gerade wie die gesamte Euro-Zone in die Rezession ab. Nach Prognose des Internationalen Währungsfonds (IWF) wird sie im drittgrößten Euroland Italien, das zwei Prozent schrumpfen soll, deutlich stärker und tiefer als im EU-Durchschnitt. Im viertgrößten Euroland Spanien soll das Minus ebenfalls 1,7 Prozent betragen, das auch 2013 weiter in der Rezession verharren dürfte. Steigende Ölpreise könnten die Krise noch deutlich verschärfen.

Besonders hart wird es erneut das ohnehin schwer gebeutelte Griechenland. Sogar 30 Prozent der Ölimporte kamen 2011 aus dem Iran. Zudem hat Teheran dem Land zudem immer wieder ausstehende Zahlungen gestundet. Das war für das Land, über dessen Schuldenschnitt gerade verhandelt wird, besonders wichtig, da es bekanntlich mit argen Finanzierungsproblemen kämpft.

War der Ölpreis schon in den letzten Tagen wieder gestiegen, wird nun eine deutliche Preiserhöhung erwartet. Am Donnerstagnachmittag wurde ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent zur Lieferung im März mit fast 112 US-Dollar gehandelt. Das sind etwa zwei Euros mehr als noch am Vortag. Steigende Preise treffen die drei Krisenländer besonders, deren Lieferverträge mit dem Iran nun möglicherweise wertlos sind. Sie müssen neue Verträge schließen, die teurer werden. Der IWF hatte am Mittwoch davor gewarnt, dass sich der Preis für ein Barrel Öl sogar um 20 bis 30 Prozent verteuern könnte, wenn der fünfgrößte Ölproduzent den Ölhahn abdreht. Damit würde das Barrel sich in den Rekordbereich schieben, als das Barrel im Sommer 2008 das Allzeithoch von mehr als 145 US-Dollar erreichte. Ein regelrechter Ölpreisschock erwartet der IWF, wenn sich die Krise weiter zuspitzt und der Iran die Drohung wahrmacht und die Straße von Hormus sperrt. Über die Meerenge werden etwa 40 Prozent der weltweiten Öllieferungen abgewickelt.

Auf Vertragsverletzung können sich die Europäer gegenüber dem Iran ebenfalls kaum berufen. Nach Ansicht von Experten markiert das beschlossene Embargo selbst einen Verstoß gegen das Freihandelsabkommen GATT und sei damit völkerrechtswidrig. Ob das Öl-Embargo der EU wirksam sein kann, wird ohnehin bezweifelt, weil der Iran nicht einmal 20 Prozent seines Öls nach Europa liefert. Etwa ein Viertel der Produktion gehen allein nach Japan und Südkorea. Deshalb versucht die EU, die Länder mit ins Boot zu holen.

Vor allem Japan, wo im April alle Atomkraftwerke abgeschaltet werden, kann sich einen Lieferstopp aus dem Iran wohl kaum leisten. Ohnehin fällt auch Japan schon wieder in die Rezession zurück. Schnell Ersatzlieferanten auch noch für diese beiden Länder zu finden, dürfte schwierig werden. Der iranische Ölminister Rostam Qassemi zeigte sich dagegen überzeugt davon, sein Land hätte keine Mühe, neue Partner zu finden.