Hexenverfolgung nimmt zu

In Großbritannien sind immer mehr Kinder von religiösen Wahnvorstellungen ihrer Eltern betroffen

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Hört man das Wort "Hexenverfolgung", dann denkt man gemeinhin an die Zeit zwischen dem 16. und dem 18. Jahrhundert. Danach gab es die Folterung und Tötung von Menschen in Europa und den USA aufgrund zugeschriebener magischer Fähigkeiten nur mehr in Ausnahmefällen. In Afrika blieb der Glaube an Hexerei aber bis in die heutige Zeit lebendig. So lebendig, dass es in der Zentralafrikanischen Republik regelmäßig zu Verhandlungen wegen Vorwürfen wie Unwetterverursachung, Seelenraub und der Verwandlung von Menschen in Tiere kommt.

Häufiger als die offizielle Verfolgung durch Behörden oder Gerichte sind jedoch Lynchmorde: So verbrannte man beispielsweise in Kenia vor vier Jahren elf Menschen, die der Hexerei beschuldigt wurden. Teilweise wird Hexenverfolgung von afrikanischen Auswanderern auch auf anderen Kontinenten gepflegt: In Großbritannien kam vor zwölf Jahren erstmals ein Fall ans Licht, bei dem ein achtjähriges Mädchen aus Westafrika von ihren Pflegeeltern, die glaubten, es sei von einem Dämon besessen, zu Tode gefoltert wurde. Seitdem nahmen solche Vorfälle nach Erkenntnissen des britischen Sonderausschusses für Bildung und Erziehung nicht etwa ab, sondern zu.

Justin Bahunga mit Familie. Foto: Afruca.

Der den Ausschuss beratenden Kinderrechtsorganisation Africans Unite Against Child Abuse (Afruca) zufolge wurden alleine im Großraum London im letzten Jahr zwölf ernste Misshandlungsfälle bekannt, deren Motiv im Glauben an Hexerei liegt. Dieser Glaube ist fast immer Bestandteil religiöser Systeme, in denen sich christliche Vorstellungen und anderer Geisterglaube häufig synkretistisch ergänzen. Auch Geistliche sind an diesem Missstand beteiligt, indem sie beispielsweise die Eltern in ihrem Glauben bekräftigen und gegen Geld Exorzismen durchführen. Dabei werden die Kinder nicht nur geschlagen und gewürgt, sondern auch mit Bügeleisen verbrannt. Nahrungsentzug ist in solchen Fällen ebenfalls ein gängiges Mittel, das den Dämon austreiben soll.

Wie in früheren Jahrhunderten werden auch die heutigen britischen Hexen von ihren Peinigern für Schicksalsschläge verantwortlich gemacht. Justin Bahunga von Afruca sieht deshalb im ökonomischen Abschwung einen Faktor, der beim Anstieg der Fälle eine Rolle spielt. Aber auch für nicht wirtschaftlich bedingte Unglücksfälle wie beispielsweise Krankheit wird Kindern teilweise die Schuld zugeschoben. Besonders gefährdet sind sie, wenn sie behindert oder aufmüpfig sind. Eine Flucht zum Jugendamt schützt in solchen Fällen nur bedingt, weil es den Hexengläubigen als zusätzlicher Beleg für die Besessenheit gilt. Christine Beddoe von Ecpat brandmarkt auch einem übertriebenen Kulturrelativismus mancher Sozialarbeiter und Jugendfürsorger als Grund dafür, dass solche Fälle zunehmen.

Doch nicht nur Eltern, sondern auch Kinder aus Afrika glauben oft an Hexerei. Das versuchte der im letzten Jahr zu 20 Jahren Haft verurteilte Menschenhändler Anthony H. aus Stratford auszunutzen, der zwei 14 und 16 Jahre alte Mädchen aus dem nigerianischen Bundesstaat Edo Juju-Rituale durchlaufen ließ, die den Zweck hatten, dass sie ihr Aberglaube daran hindert, in Europa ihren Zuhältern davonzulaufen.

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