City of London soll führendes Offshore-Zentrum für die chinesische Währung werden

Der britische Isolationismus macht die City of London für China attraktiv

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Mitte Januar verkündete der britische Finanzminister George Osborne stolz ein neues Abkommen mit der Volksrepublik China. Demnach soll die City of London das weltweit führende Offshore-Zentrum für die chinesische Währung, den Renminbi (RMB), werden. Dem gingen monatelange Verhandlungen voraus. Erste Schritte in diese Richtung wurden bereits Anfang September 2011 eingeleitet.

In London löste die Ankündigung Jubelstürme aus. Das Nachrichtenportal londonlovesbusiness.com schreibt von fantastischen Möglichkeiten für neue Jobs. Anwaltskanzleien würden "über Nacht" ganze neue Abteilungen eröffnen, um diesen Markt zu bedienen. Außerdem würde es dem Handel mit China weiterhelfen. Endlich würde es wieder "echten Handel" geben. "Was gibt es daran nicht zu mögen?"

Aber es gibt auch vorsichtige Stimmen. Sowohl Robert Peston, der BBC-Wirtschaftsredakteur, als auch John Ross, Pestons Gegenstück beim Guardian, warnen vor zu früher Freude. Beide stellen sich die Frage, in wie weit das derzeitige Auftreten der britischen Regierung in Europa ein solches Vorhaben verzögern könnte. Wenn Großbritannien das chinesische Vorhaben nicht mit einer "Reintegration in Europa" verbinde, sei Großbritannien nicht in der Lage, daraus eine zusammenhängende Strategie zu entwickeln.

Diese Besorgnis mag es geben. Ironischerweise ist es aber der eigentliche Grund für Großbritanniens derzeitigen Isolationismus in der EU, der die City of London für das chinesische Offshore-Projekt attraktiv macht: die feindselige Einstellung der City gegen jegliches von ihr nicht kontrolliertes Regulationsvorhaben.

China möchte London als Trittleiter in Richtung "reserve currency" benutzen. Diesen Status haben derzeit der US-Dollar und der Euro. Nach Auffassung des City-of-London- und Steueroasen-Spezialisten Nick Shaxson möchte China die USA in mancher Hinsicht kopieren. In den 1960er und 1970er Jahren hatte der in der City gestartete Eurodollarmarkt einen großen Einfluss darauf, dass die USA den Dollar als internationale Leitwährung stabilisieren konnten.

Über den Eurodollarmarkt wurde und wird in London unreguliert mit Dollars gehandelt. Lange vor der Thatcher- und Reagan-Ära wurden damit die Ursprünge für die Finanzmärkte gelegt, wie wir sie heute kennen. Eurodollars sind zum einen beliebt, weil sie Steuerumgehung und Geldwäsche in großem Stil ermöglichen. Zum anderen kann über diese Struktur mit mehrfach ungedeckten Krediten gehandelt werden. Dies trug nicht unwesentlich zum Beginn der gegenwärtigen Finanzkrise bei. Auch jetzt werden immer wieder Fälle bekannt, wo Anleger über diese Struktur Geld verlieren.

Rechtlich möglich wird all dies durch den Sonderstatus der City of London. Sie hat große Sonderrechte, Offizielle der City bereisen die Welt und treffen Staatschefs im Auftrag dieser Institution. Ihr Einfluss in der britischen Regierung ist enorm (Europa und die City), was sich auch beim jüngsten Auftreten von Premierminister Cameron in Davos wieder zeigte. Dort wetterte er wieder gegen die internationale Finanztransaktionssteuer. Für ihn ist das nationale Interesse Großbritanniens das Interesse der City.

City of London wirbt um China

Genau diese Strukturen möchte China nutzen. Dabei zeigt sich die City gerne behilflich. Sie bastelt seit Jahren an ihrer Präsenz in China. Sie unterhält Büros in Peking und Shanghai. Zur Arbeit dieser Büros zählen "reguläre Besuche des Lord Mayors (Oberhaupt der City of London, Anmerkung CB) und des Policy Chairman (wichtigste Person in der City neben dem Lord Mayor), sowie die Organisation von Besuchen führender chinesischer Regierungsmitglieder, Finanzdienstleister und Firmen in Großbritannien". Die City organisiert regelmäßige Konferenzen mit hochrangigen Politikern und Bankern aus Großbritannien und China und unterhält ein "advisory council", an dem führende Köpfe der chinesischen Finanzwelt teilnehmen.

Außerdem lässt die City Studien über den sich entwickelnden chinesischen Finanzmarkt erstellen. Darin wird unter anderem auf das Potential des RMB als internationale Reservewährung hingewiesen. Gleichzeitig wird bemängelt, dass die chinesische Währung international bislang kaum präsent ist und starker Regulierung unterliegt. Man gibt aber der Hoffnung Ausdruck, bald auf chinesische Ersparnisse zugreifen zu können. Dies würde Kapital für ausländische Banken schaffen, die Finanzmärkte transformieren und Chinas Einfluss auf vielfältige Weise stärken. Dies alles ist einer im Juni 2010 erschienenen im Auftrag der City herausgegebenen Studie zu entnehmen.

Schon jetzt gibt es einen boomenden RMB-Offshorehandel in Hongkong. Nick Shaxson schreibt, dass dieser vom 1. Quartal 2010 zum 1. Quartal 2011 von 0.7% auf 7% angestiegen ist. Für die Banken und die City of London ist dieser Markt interessant, weil sie derzeit ein Problem damit haben, ihr umherschweifendes Finanzkapital zu investieren. Viel von diesem Geld stammt, so sagen Beobachter der Szene, aus den Bankenrettungspaketen der vergangenen Jahre. Auf chinesischer Seite bestehen die Interessenten aus regionalen Regierungsmitgliedern, Landverkäufern und Bauinvestoren. Chinesische Staatsbanken sind bislang beim Geldverleih sehr zögerlich, also suchen chinesische Investoren einen Ausweg über Hongkong und bald über London.

Der Großmachtanspruch Chinas soll sich auch auf den Finanzmärkten bemerkbar machen

Derweil entwickelt sich auch in China das weltweit bekannte Phänomen des "round tripping" schwunghaft. In China erwirtschaftetes Geld wird via Hongkong in eine Steueroase, beispielsweise die British Virgin Islands, auf das Konto einer Strohfirma gelegt. Von dort wird das Geld als angebliche ausländische Investition wieder nach China überwiesen (Offshore Companies: Auf nach China!). Auslandsinvestitionen werden kaum von der Steuer belangt. 10% aller "Auslandsinvestitionen" kommen bereits aus den Virgin Islands, eine kleine Inselgruppe, auf der 900.000 Firmen ihren Sitz haben.

Eine wachsende chinesische Mittelklasse bereichert sich und möchte dies ungestört von staatlichen Ansprüchen tun. Allein 2011 sollen 150 Milliarden Yuan aus China über Hongkong geflüchtet sein. Auf diesen Markt will die City zugreifen. Der chinesische Staat erhofft sich gleichzeitig eine geringere Abhängigkeit vom Dollar. Bereits jetzt wird die chinesische Währung immer mehr zur Settlement-Währung, also zu einer internationalen Vertragswährung.

Der Großmachtanspruch Chinas soll sich auch auf den Finanzmärkten bemerkbar machen. Doch die Konsequenzen der neuen Offshore-Zonen sowohl für die chinesische als auch die Weltwirtschaft sind nicht absehbar. Bereits jetzt bahnt sich in China eine Sub-Prime-Krise an. Banken vergeben im chinesischen Immobiliengeschäft ungedeckte Kredite, lassen sie sich als AAA ausgeben und verkaufen sie mit Profit weiter.

Auch in der "realen" Wirtschaft nehmen die Probleme Chinas zu. Darüber weiß die City sehr wohl Bescheid, denn sie veröffentlicht für den britischen Unternehmerverband CBI ein wöchentliches Bulletin über die Entwicklung des Landes. Mit dem Londoner Offshore-Deal tritt die Entwicklung Chinas in eine neue Phase ein. Die Möglichkeiten für eine Bruchlandung des Landes haben sich dadurch drastisch erhöht.