"Hallo- und Tschüss-freie Zone"

Eine Rektorin in Passau sorgt sich um die Karriere ihrer Schüler und besteht auf Grüß Gott und Auf Wiedersehen

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Passau liegt am Rand von Niederbayern, das nicht nur weiterhin ziemlich schwarz ist, sondern auch relativ religiös. Allerdings hat Passau seit 2008 einen SPD-Bürgermeister, was in der Bistumsstadt vermutlich auch eine Folge der Universität ist. Auch die ÖDP hat hier etwas zu sagen. Das strenge bayerische Rauchverbot nahm überdies seinen Ausgang von Passau, ÖDP-Chef Sebastian Frankenberger stammt aus Passau.

In Passau gibt es aber auch eine Grund- und Mittelschule St. Nikola, die sich geschickt "Schule mit Tradition und Zukunft" nennt. Und deren Rektorin Petra Seibert möchte nun angeblich beides miteinander verbinden und hat die Mittelschule zur "hallo- und tschüss-freien Zone" erklärt, was schon die ganze Nation beschäftigt und durch alle Medien geht. Und um das den Schülern deutlich zu machen, steht auf einem Aushang der Hinweis darauf, was erwünscht wird: "Über ein 'Grüß Gott' und ein freundliches 'Auf Wiedersehen' freuen wir uns jedoch jederzeit."

Für Seibert laden die norddeutsche und neudeutschen Formel zur Unhöflichkeit und Respektlosigkeit ein, Grüß Gott scheint ihr "persönlicher" zu sein und ist halt auch bayerischer - und dazu erinnert es auch noch an die im konservativen Lager so verteidigte christlich-abendländische Tradition, die mit dem Gruß weiter in den Köpfen herrschen soll, weswegen man ja auch das Kruzifix in den Schulräumen verteidigt.

Aber Seibert will nur Gutes für die Schüler. Das lasche Hallo und das norddeutsche Tschüss seien nämlich der späteren Karriere abträglich, findet sie. Da die Schüler optimal auf den Beruf vorbereitet sein sollen, aber offenbar nur in der Region, sollen sie auch das Hallo vermeiden, das würden bayerische Personalchefs nicht gerne hören, ist sie offenbar überzeugt. Die will nicht den Dialekt verteidigen: "Aber in Bayern heißt es nun mal 'Grüß Gott'." Zur Not gehe aber auch, Guten Tag oder Guten Morgen zu wünschen. Und leise klagt sie: "Was früher selbstverständlich war, ist heute problematisch."

Anstatt Tschüss will die Rektorin das bayerische Pfiat di aber nicht empfehlen. Das ginge dann doch zu weit und würde selbst bayerischen Personalchefs wahrscheinlich zu hinterwäldlerisch erscheinen. Ein Servus hingegen wäre wohl zu anbiedernd. Allerdings dürfte sich Tschüss sowieso auf dem Rückzug befinden und durch das etwas mehr weltgewandt klingende Ciao ersetzt worden sein. Hallo ist überdies ja auch schon fast eine verbale Verausgabung, viele ziehen das doch kürzere Hi vor.

Im bayerischen Kultusministerium zeigt man sich von der Initiative angetan, wenn die Grußformeln nicht zum Dogma würden. Und Max Schmidt, der Vorsitzende des Bayerischen Philologenverbands, ist zwar realistisch und meint, es sei schon viel gewonnen, wenn die Schüler überhaupt noch grüßten. Aber er will dann doch auch gleich verbindliche Grußformeln der Höflichkeitskultur zuliebe. Die müssten die Schulen den Kindern beibringen, wenn die Eltern selbst dazu nicht willens und fähig sind. Er meint Grüß Gott sei freundlicher als Hallo, weil es adressatenbezogen sei und dem Empfänger Gutes wüsche.

Fragt sich halt nur, wie man das Grüß Gott interpretiert. Für Atheisten und Agnostiker muss bei einem Gruß nun wahrlich ein Gott erwähnt werden, ansonsten könnte man es erst einmal auch als Aufforderung verstehen, Gott grüßen zu sollen. Naja, wenn man Guten Tag sagt, wünscht man dem Anderen etwas und wendet sich an diesen, Hallo ist sicherlich distanzierter und vorsichtiger, vielleicht auch ehrlicher. Statt Grüß Gott hätte die gute Rektorin, die so um die berufliche Karriere ihrer Schüler in Bayern besorgt ist, ja auch vorschlagen können: Grüß Sie! Oder sollte sie doch auch mehr daran denken, wie die Schüler später in einer globalisierten Welt zurechtkommen, die nicht nur aus Bayern besteht? Vielleicht: Nice to see you - oder so?