Ehemalige DDR-Bürger sollen für Genuss von Westfilmen nachzahlen

Ungefähre Reichweite der ARD in der DDR. Grafik: Fritz Meier. Lizenz: CC-BY-SA-2.0-DE.

Bundesregierung will rückwirkend Gebühren für in der DDR per Westfernsehen empfangbare Kinofilme erheben

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Nach den Plänen der Bundesregierung sollen die Bürger der ehemaligen DDR nachträglich für den Konsum von Kino-Spielfilmen zu Kasse gebeten werden, die vor 1990 vom Westfernsehen ausgestrahlt wurden. Aus politischen Gründen sei es der GEZ damals nicht möglich gewesen, Gebühren auf dem Staatsgebiet der DDR wirksam einzuziehen. Da nunmehr der MDR und der RBB im Beitrittsgebiet wirksame GEZ-Strukturen aufgebaut hätten, sei es nun an der Zeit, die aufgelaufenen Rückstände abzubauen. Zwar werden die westlichen öffentlich-rechtlichen Rundfunkhäuser für ihre Produktionen von einer nachträglichen Belastung absehen, da eine Abstrahlung in den Osten ausdrücklich dem politischen Willen und damit dem Programmauftrag entsprochen habe. Eine Abgeltung der Ansprüche der privaten Filmwirtschaft sei damals jedoch nur für die Ausstrahlung in Westdeutschland erfolgt.

Die DDR-Bürger, die Westfernsehen empfangen und sich dabei kostenlos Spielfilme angesehen haben, müssen nun mit einer Welle an Nachforderungen rechnen. Wer seine Antenne gegen Westen gedreht habe und im Besitz von Rundfunkempfangsgeräten gewesen sei, habe sich hierdurch zahlungspflichtig gemacht, so das gemeinsame Papier von CDU und FDP. Entsprechende Nachweise soll eine entsprechende Auswertung des Datenbestandes des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU) erbringen. Dort sei die Antennenposition über Jahrzehnte lang erfasst worden. Die Zahlungspflicht bestehe auch für die häufigen Fälle, in denen FDJ-Funktionäre eigenmächtig die sogenannten "Ochsenkopf-Antennen" ihrer Mitbürger wieder zurückgedreht hätten. Wie bei der konventionellen GEZ-Gebühr reiche es zu Auslösung und Bestand der Gebührenpflicht in Privathaushalten aus, dass eine Beschränkung ähnlich wie der Defekt eines Rundfunkempfangsgeräts jederzeit wieder behoben werden könne.

Ungefähre Reichweite der ARD in der DDR. Grafik: Fritz Meier. Lizenz: CC-BY-SA-2.0-DE.

Die Lobbyorganisation der Filmwirtschaft GVU begrüßte die Initiative, die vielleicht im Einzelfall hart, aber gerecht sei. Der Deutsche Anwaltverein kritisierte, dass die Nacherhebung nach den derzeitigen Plänen über die GEZ erfolgen solle. Die Ansprüche der Filmwirtschaft seien vielmehr eine privatrechtliche Aufgabe. Die Anwaltschaft verfüge über ausreichende wie erfahrene Spezialisten, welche die Nacherhebung flexibler und ohne Belastung öffentlicher Kassen erledigen könnten. Dieser Position schloss sich der kleinere Koalitionspartner FDP ausdrücklich an. Hier seien originäre Interessen des Marktes betroffen, der nicht verfälscht werden dürfe.

Mögliche Ausweitung auf Privatkopien

Der CSU jedoch gehen die Vorschläge der Schwesterpartei und der FDP nicht weit genug. So lasse das CDU-Papier außer Betracht, das viele der in der DDR empfangenen West-Spielfilme zusätzlich auch mit Videorecordern mitgeschnitten worden seien, obwohl es in der DDR für Kopien und entsprechende Geräte keine Abgaben nach § 54 ff UrhG gegeben habe. Entsprechende Aufzeichnungen seien daher als Schwarzkopien zu werten. Dieser Sichtweise schloss sich die Generalstaatsanwaltschaft Dresden an, die kürzlich Nutzer illegaler Streaming-Angebote ins Visier nahm und bereits als für die Bildung einer neuen Schwerpunktstaatsanwaltschaft im Gespräch ist. Interessenkonflikte befürchte man nicht, da Dresden aufgrund des geologisch bedingt schwachen Empfangs im sogenannten "Tal der Ahnungslosen" gelegen habe.

Oppositionsparteien kritisch

Den aktuellen Regierungsplänen insgesamt trat jedoch entschieden die Linkspartei entgegen. Es handele sich erneut um einen infamen Versuch, die DDR politisch zu delegitimieren. Der Konsum der Westfilme sei unverlangt aufgedrängt worden. Genauso gut könne man das ARD-Programm ins Internet einspeisen und PCs zwangsweise gebührenpflichtig machen, was doch wohl aberwitzig sei. Notfalls werde man Verfassungsklage erheben.

Die SPD nahm demgegenüber eine vermittelnde Position ein, will aber nur einem sozialverträglichen Modell zustimmen, das auch die früheren Westbürger wenigstens symbolisch beteilige. Es sei damals politischer Wille gewesen, die Ostdeutschen an ihnen unzugänglichen Spielfilmen teilhaben zu lassen und ihnen hierdurch die Vorzüge der Freiheit des Westens zu vermitteln. Es solle jedoch geprüft werden, die Verzinsung der aufgelaufenen Rückstände gesetzlich zu begrenzen. Die Sprecher von BÜNDNIS90/DIEGRÜNEN unterstützten grundsätzlich das Anliegen der Bundesregierung und verwiesen vor allem auf die Urheber, die nicht vergessen werden dürften. Statt individueller Nacherhebung favorisiere man jedoch einen regionalen "Aufschlag Ost" auf eine generelle Kulturflatrate.

Vertreter der Piratenpartei waren derzeit für eine Stellungnahme nicht zu erreichen, da sich die Parteispitze das Wochenende über auf einem Seminar zur Rauschkunde befindet.

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