Leistungsschutzrecht für Politikertweets?

Nicht alle Koalitionsabgeordneten sind vom neuen Monopolrecht für Presseverlage begeistert

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Am Sonntag beschloss die Koalition die Einführung eines neuen Monopolrechts für Presseverleger. Bereits vorher hatte sich herauskristallisiert, dass es abseits der unmittelbar Begünstigten und der Politik kaum mehr jemanden gibt, der sich für das neue Monopolrecht ausspricht: Viele Journalisten haben mittlerweile trotz einer Kampagne der Gewerkschaft Verdi für das neue Monopolrecht gemerkt, dass sie davon keineswegs profitieren würden, sondern durch Forderungen für das Verwenden eigener Texte zu den Hauptopfern zählen, und die Rechtswissenschaft warnt praktisch einhellig vor den Folgen.

Auch bei Politikern der Koalitionsparteien regte sich in den letzten Tagen Unmut über das Vorhaben. Der FDP-Abgeordnete Jimmy Schultz sagte, er bleibe bei seiner bereits in der Vergangenheit geäußerten Gegnerschaft zu dem irreführend "Leistungsschutzrecht" benannten Monopol. Am Samstag will Schulz zusammen mit den Jungen Liberalen auf dem Landesparteitag der bayerischen FDP deshalb einen Antrag zur Ablehnung solch eines "Leistungsschutzrechts" für Presseverleger stellen, in dem es wörtlich heißt, dass dieser "nationale Alleingang Kernelemente des Internets einschränkt und der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs widerspricht".

Jimmy Schulz. Foto: Christine Olma.

Dem FDP-Politiker zufolge gibt es trotz einer eindeutigen Willenserklärung Merkels für das neue Monopol nicht nur in seiner Partei, sondern auch in der Union so viele "kritische Stimmen" zu dem Vorhaben, dass er auf den Bundestag hofft. Von dort kam bislang allerdings eher verhaltene Kritik: Der twitternde Unionsfraktionsgeschäftsführer Peter Altmaier zeigte sich zwar überzeugt, dass man sowohl die Verlage als auch die "Netzgemeinde" zufriedenstellen könnte, meinte aber auf Rückfragen, wie das gehen solle, lediglich, er werde sich erst dann konkreter äußern, wenn Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger einen Entwurf vorlegt. Und die CSU-Netzpolitikerin Dorothee Bär twitterte auf eine ironische Frage des Presseschau-Bloggers Daniel Schulz hin, sie sei für eine Regelung, bei der Politiker in das neue Monopolrecht einbezogen werden und im Falle der Verwendung ihrer Tweets durch die Presse Geld erhalten, antwortete aber nicht auf Klarstellungswünsche dazu, inwieweit man das als Verweis auf eine ökonomische Absurdität des Kabinettsbeschlusses vom Sonntag verstehen darf.

Auch Michael Kretschmer, der Vorsitzende des CDU-Arbeitskreises Netzpolitik, stellte sich nicht direkt gegen das Vorhaben, nannte aber an "wichtigen Details" für dessen "Ausgestaltung", dass nicht nur die Verlinkung, sondern auch die Verwendung von "Snippets […] nicht vom Leistungsschutzrecht erfasst werden" solle. Außerdem muss die Formulierung "kommerzielle Nutzung" seiner Ansicht nach so konkretisiert werden, dass Vereine und Blogger explizit ausgenommen sind. Im Endeffekt würden diese Einschränkungen bedeuten, dass Verlage mit dem neuen Monopolrecht nur gegenseitig Geld hin- und herschieben: Der Spiegel zahlt für das Zitat aus der Bild-Zeitung und die für das Zitat aus dem Spiegel. Weil dafür eine aufwendige Bürokratie errichtet und unterhalten werden muss, trügen Verlage mit einer so ausgestalteten Regelung bloß einen Schaden davon.

Allerdings zeigte die Eurorettungsschirm-Entscheidung unlängst, dass die Kanzlerin offenbar auch dann im Amt bleiben will, wenn die "Kanzlermehrheit" fehlt und ihre Vorhaben mit Hilfe anderer Parteien abgesegnet werden. Eine Mehrheit für ein umfassenderes Monopol, als Kretschmer es sich vorstellt, würde sie möglicherweise mit der SPD finden, die den Presseverlegern solch ein "Leistungsschutzrecht" ebenso wie die Union im Wahlkampf 2009 versprochen hat. Manchem Abgeordneten könnte allerdings zu denken geben, dass die guten Beziehungen zur Bild-Zeitung, die man sich damit vermeintlich aufbaut, jederzeit aufgekündigt werden können, wie die langsame Schlachtung Christian Wulffs im letzten Vierteljahr eindrucksvoll vorführte.

Doch selbst wenn sich die Sozialdemokraten nicht geschlossen für das neue Monopolrecht aussprechen, könnten genug Abgeordnete zusammenkommen, um die Abweichler aus Union und FDP zu ersetzen - auch deshalb, weil Grüne wie Agnes Krumwiede und Linke wie Lukrezia Jochimsen in der Vergangenheit regelmäßig große Sympathien für die Anliegen der Rechteinhaberindustrie äußerten.

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