Auf Bildungsreise mit der Jungen Union

Kristina Schröders Kampf gegen Linksextremismus treibt seltsame Blüten

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Der Kampf gegen den Extremismus hat es Familienministerin Kristina Schröder angetan. Besonders der Linksextremismus ist das Steckenpferd der Christdemokratin - und das nicht erst, seit sie mit ihrer so genannten Extremismus-Klausel für Aufregung bei jenen sorgte, die sich schon seit Jahren gegen Rechtsextremismus engagieren. Offenbar verfügt Schröders Familienministerium über mehr Geld als Ideen im Kampf gegen den Extremismus - da können dann schon einmal aus Steuergeldern Bildungsreisen der bayrischen Jungen Union nach Berlin, in die Hauptstadt des Linksextremismus, bezahlt werden, um sich dort dann mit einem bayrischen CSU-Abgeordneten zu unterhalten.

Cover einer vom Familienministerium geförderten Broschüre für Schüler

Ganze 4,7 Millionen Euro an Fördergeldern stellt das Familienministerium jährlich im Rahmen seiner Initiative Demokratie Stärken für die politische Arbeit gegen Linksextremismus und islamischen Extremismus zur Verfügung, unter anderem auch für "Bildungsprojekte mit jungen Menschen" zur "Demokratieerziehung".

Auch die Junge Union wollte von diesem Topf offenbar ein wenig profitieren - und so ließen sich die Landesverbände Bayern und Hessen eine Bildungsreise zum Thema Linksextremismus nach Berlin finanzieren. Ursprünglich wollte auch die Junge Union Nordrhein-Westfalen eine derartige Exkursion auf die Beine stellen, sagte die Reise dann jedoch ab.

Ein Blick auf das Reiseprogramm zeigt: Mit aktuellen linksextremistischen Problemen hatten die Ausflüge der Jungen Union wenig zu tun. So besuchte die JU Hessen im Dezember 2011 das Stasi-Museum, das Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen sowie das Deutsche Historische Museum und gönnte sich noch abschließend eine Stadtführung an die Berliner Mauer und den Todesstreifen. Auch die Junge Union Bayern beschäftigte sich auf ihrer Reise hauptsächlich mit der Geschichte. Zusätzlich zur Tour durch Museen und Gedenkstätten gab es jedoch noch einen Besuch im ZDF-Hauptstadtstudio, dem ehemaligen Sitz des Zentralrats der FDJ, mit einem Gespräch über die "Extremismusdebatte in den Medien" - so blieb die Reise der Bayern, im Gegensatz zu der der Hessen, zumindest nicht komplett in der Vergangenheit hängen.

Ob es allerdings sinnvoll ist, einer Gruppe aus Bayern die Reise nach Berlin zu dem CSU-Abgeordneten Stefan Müller, der seinen Wahlkreis im bayrischen Erlangen hat und bis 2011 sogar Landesvorsitzender der Jungen Union Bayern war, aus Steuermitteln zu finanzieren, ist fraglich - nach effizientem Umgang mit den Finanzen sieht es zumindest nicht aus. Denn immerhin hat das Familienministerium 29.000 Euro für die Bildungsfahrten der Jungen Union bewilligt. Mit dem Geld hat das Ministerium nach eigener Aussage sowohl die Fahrt- und Übernachtungskosten als auch Eintrittsgelder für Museen und Gedenkstätten übernommen. In Anspruch genommen wurden jedoch lediglich 13.000 Euro, da die Fahrt der Kölner JU ausgefallen war. Das überschüssige Geld wurde dem Ministerium wieder zurückerstattet.

Auf jeden Fall dürfte das Treffen mit Müller die in der bayrischen JU ohnehin vorhandene Aversion gegen die Linkspartei bestärkt haben. Einer Pressemitteilung zufolge, die Müller noch als JU-Landesvorsitzender im März 2011 verfasste, finden sich die Verharmloser linksextremistischer Gewalt nicht nur in der Linkspartei, sondern auch in "meinungsbildenden Kräften der Sozialdemokratie" wieder. Schon diejenigen, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren, sind Müller verdächtig: "In der Maske der Bekämpfung von Rechtsextremismus wird linke Gewalt toleriert, als 'Antifaschismus' beschönigt und als legitim aufgewertet." Zudem gibt es Müller zufolge eine hohe Durchlässigkeit zwischen links- und rechtsextremen "Bekenntnissen" - für die bayrische Junge Union gibt es kein links und rechts, sondern nur "Extremisten". Beim Kreisverband Unterallgäu der Jungen Union klingt das dann so:

DIE LINKE und die NPD hegen in der Außenpolitik die gleichen Feindbilder: USA und Israel. Beide stricken scheinbar einfache Lösungen für komplexe Probleme. Schuld sind immer die anderen: die etablierten Parteien, die Fremden, die Kapitalisten, die Imperialisten. Radikale Forderungen und falsche Versprechungen überdecken die eigene inhaltliche Schwäche.

Müller selbst fiel in der Vergangenheit unter anderem auf, weil er Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) undemokratisches Verhalten vorwarf, weil er in Berlin einen Naziaufmarsch mit einer Sitzblockade behindert hatte. Schon vor Bekanntwerden der systematischen Überwachung von Abgeordneten der Linkspartei im Bundestag machte er mit Forderungen nach einer Überwachung der Linkspartei von sich reden. Zudem fordert Müller eine Stasi-Überprüfung von allen Mitarbeitern der Linksfraktion im Bundestag und ein Ende der Parteienfinanzierung für die Linke. Für das Familienministerium sind Fahrten, die dazu dienen, dass sich die Junge Union von Gleichgesinnten aus den eigenen Reihen ihr Weltbild bestätigen lässt, förderungswürdig.

Auch im Umgang mit Rechtsextremen hapert es

Die Aktivitäten von Ministerin Schröder gegen Extremismus stehen immer wieder in der Kritik, auch von Seiten der Wissenschaft. So kommt eine Studie, die das Familienministerium gern unter Verschluss halten würde, jedoch von der taz veröffentlicht wurde, zu dem Ergebnis, dass viele der von Schröder angestoßenen Präventionsprojekte Schwierigkeiten hätten, "sich im Themenfeld zu orientieren und adäquate pädagogische Konzepte zu entwickeln".

Auch im Umgang mit Rechtsextremen zeigt sich das Ministerium nicht glücklich. So fördert es ein Projekt unter dem Titel "Dortmund den Dortmundern", welches schon vom Namen her auf fatale Weise an die Parolen vom rechten Rand erinnert. Das Projekt sah ursprünglich vor, Autonome Nationalisten aus Dortmund mit ortsansässigen demokratischen Jugendlichen über Dortmunds Zukunft diskutieren zu lassen. Zwar hat der Projektträger das Konzept mittlerweile modifiziert, jedoch bleibt ein schaler Beigeschmack, da Kristina Schröder einerseits von Initiativen gegen Rechts eine Demokratieerklärung verlangt, andererseits aber kein Problem mit einer unbedarften Gesprächseinladung an ideologisch gefestigte Nazis hat.

Gleichzeitig schießt das Ministerium in Veröffentlichungen scharf gegen Links. In einer von der Zeitbild-Stiftung herausgegebenen und vom Bundesfamilienministerium finanzierten Broschüre, die für den Unterricht an Schulen gedacht und mit einem Vorwort von Ministerin Schröder versehen ist, wird unter anderem das Neue Deutschland als linksextreme Publikation genannt, die den Leser "zu einseitigem politischem Aktivismus ermuntern" will. Die Brandanschläge gegen Autos in Berlin rechnet die Broschüre Linksextremen zu - obwohl sie selbst einräumen muss, dass die Polizei in den meisten Fällen nicht ermitteln konnte, wer tatsächlich hinter den brennenden Autos steckt. Mit dem Inhalt der Broschüre will das Ministerium jedoch nichts zu tun haben - obwohl sie mit dessen Logo verziert ist.

Ein ideologiefreies und durchdachteres Programm gegen Extremismus täte Not - dann müsste man sich auch nicht aus der Verantwortung für Publikationen ziehen, die man selbst unterstützt hat.