Schuldenschnitt für Profi-Fußballvereine

Obwohl Spanien insgesamt etwa 40 Milliarden Euro einsparen muss, sollen Fußballclubs bis zu 1,3 Milliarden erlassen werden

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Die spanische Regierung lässt derzeit kein Fettnäpfchen aus. Nun fängt sich die Regierung erneut auch Ärger mit Brüssel ein, weil sie trotz verstärkter Sparziele den Profi-Fußballvereinen Schulden in einer Höhe von bis zu 1,3 Milliarden Euro erlassen will, welche diese in den vergangenen Jahren an Schulden bei Finanzämtern und der Sozialversicherung angehäuft haben. Diese Subventionen, die wohl auch in Brüssel genehmigt werden müssen, sind aber in Spanien nicht neu, wie sich kürzlich schon bei der Anhebung der Einkommenssteuer gezeigt hat, wo erneut Real Madrid besonders geschont wurde.

Sportstaatssekretär Miguel Cardenal hat für einige Aufregung gesorgt, nachdem er angekündigt hat, den Fußballclubs bis zu 1,3 Milliarden Euro Schulden erlassen zu wollen. Profi-Vereine standen am 1. Januar 2012 allein bei Finanzämtern mit 752 Millionen Euro in der Kreide. Der Löwenanteil entfällt auf die Erstliga-Clubs mit fast einer halben Milliarde Euro und dazu kommen Schulden bei der Sozialversicherung. Ans Licht kam das über eine Anfrage der Vereinten Linken (IU) im Parlament.

Über sie wurde deutlich, dass allein die Steuerschuld in vier Jahren um fast 150 Millionen Euro gewachsen ist, denn schon 2008 hatte sich die IU um die steigenden Steuerschulden der Vereine Sorgen gemacht und eine entsprechende Anfrage gestellt. Damals hatte die sozialdemokratische Vorgängerregierung die Steuerschulden noch auf 607 Millionen beziffert, aber keine Maßnahmen ergriffen, um das Geld auch tatsächlich einzutreiben und die Vereine zu einem nachhaltigeren Wirtschaften zu zwingen.

Mit der schweren Finanz- und Wirtschaftskrise werden die steigenden Schulden der Vereine immer obszöner. Obwohl Spanien 2011 ein enormes Haushaltsdefizit von 8,5 Prozent auswies, will nun die konservative Regierung aber definitiv auf einen guten Teil des Geldes von den Vereinen verzichten. "Der Ansatz ist, die Schulden restlos auszulöschen und Wege zu finden, dass solch hohe Verbindlichkeiten nicht wieder entstehen", hatte Cardenal der Sport-Zeitung "Marca" erklärt.

Wegen der aufgebrandeten Entrüstung stellt der Staatssekretär nun aber stärker in den Vordergrund, dass es ein Abkommen geben soll, "damit die Fußballclubs ihre Schulden bei den Finanzämtern bezahlen". Cardenal sucht "nach erschwinglichen Formeln" für Vereine, die ihren Spielern oft Millionengehälter zahlen. Weil beim prestigeträchtigen Fußball die Augen munter zugedrückt werden, waren die Vereinsfinanzen längst vor den Staatsfinanzen aus dem Ruder gelaufen. Cardenal spricht nun davon, dass "ein Rezept zu gefunden werden soll, damit sich das im Fußball niemals mehr wiederholt".

Steuergelder für die Pleitevereine

Anders als beim griechischen Schuldenschnitt, sollen Banken und Sparkassen aber nicht beteiligt werden. Sie hatten hoch verschuldeten Clubs wie Real Madrid immer neue Millionen Euro für Spielerkäufe geliehen. Allein für Cristiano Ronaldo (Ronaldo ist der teuerste Mensch der Welt) und Santos Leite (Kaká) zahlte der Verein noch 2009 fast 160 Millionen Euro. Insgesamt gaben die "Königlichen" mitten in der Krise 250 Millionen Euro für Spieler aus und 76 Millionen kamen dabei als Kredit von der Caja Madrid. Diese gestrauchelte Sparkasse musste später mit sechs weiteren über Steuermilliarden gestützt und zur Bankia-Bank fusioniert werden. Sie wird demnächst wegen Abschreibung fauler Immobilienkredite erneut Steuermilliarden brauchen brauchen, dazu kommen neue Kernkapitalquoten der EU, die auch sie erfüllen muss, weshalb erneut der Steuerzahler zur Kasse gebeten wird. Nun werden neben Geldinstituten auch schon Fußballvereine mit Steuergeldern vor der Pleite gerettet, weshalb die Einkommens- und Grundsteuer schon deutlich erhöht wurde und die Regierung auch eine erneute Anhebung der Mehrwertsteuer nicht mehr ausschließt.

Dass Vereine wie Real Madrid verdeckt subventioniert werden, hatte sich kürzlich schon bei der Anhebung der Einkommenssteuer gezeigt. Denn ausgerechnet Vereine mit vielen ausländischen Stars wurden geschont. Die Anhebung um sieben Prozentpunkte für Spitzenverdiener mit einem Jahreseinkommen über 300.000 Euro gilt nicht für viele internationale Millionenkicker (Ausnahmefußballer mit Steuersatz für Mindestlohnempfänger), die zwischen 2003 und 2010 unter dem "Beckham-Gesetz" ins Land geholt wurden. Sie zahlen weiter einen Steuersatz wie den für den schmalen Mindestlohn von 641 Euro, der um 0,75 Prozentpunkte auf 24,75% erhöht wurde. Da die Spieler Nettolöhne aushandeln, wären die Kosten für Vereine wie Real Madrid besonders explodiert, wenn für Rondaldo, Kaká, Benzema, Higuaín, Pepe, Diarra und andere plötzlich der Spitzensteuersatz von etwa 50 Prozent angefallen wäre, wie ihn Vereine wie der FC Barcelona bezahlen müssen, die vor allem auf heimische Spieler setzen.

Faktisch sind viele spanische Vereine längst pleite, weil sich die teuren Spieler weder sportlich noch finanziell lohnen. Man muss sich nur die Ergebnisse von Real Madrid in den letzten Jahren anschauen. Zwei Mal hintereinander wurde der Verein im Pokal sogar von Drittliga-Clubs aus dem Wettbewerb katapultiert, in diesem Jahr allerdings vom FC Barcelona. International sah es in den letzten beiden Jahren ebenso finster aus wie in der Meisterschaft, die jeweils nach Barcelona gingen. Nur in diesem Jahr dürfte Real Madrid die Meisterschaft gewinnen, wofür viele Millionen ein enormer Einsatz waren.

Das Modell Real Madrid hatte aber in Spanien Schule gemacht. Und weil immer mehr teure Spieler zugekauft wurden, ist der gesamte Schuldenberg der Profi-Clubs auf weit über vier Milliarden Euro angewachsen. Die Universität Barcelona hatte schon 2011 ermittelt, dass davon in der Saison 2009/10 etwa 3,5 Milliarden allein auf die 20 Clubs in der "Primera Division" entfielen. Selbst wenn also der Staat den Vereinen sämtliche 1,3 Milliarden Euro Steuer- und Sozialversicherungsschulden komplett erlässt, ist es ein frommer Wunsch, dass sich damit das Schuldendrama in spanischen Stadien nicht widerholt. Das gilt auch für die Hoffnung des Staatssekretärs, dass die Clubs in Zukunft eine nachhaltige Finanzpolitik betreiben. Wie im Fall des Schuldenschnitts für Griechenlands wären auch die Schulden vieler Clubs weiter untragbar, selbst wenn der Staat ihnen alle Schulden erlässt. Ganz abgesehen davon wird darüber der Wettbewerb national und international weiter verzerrt und werden Vereine mit einer besseren Finanzpolitik und Zahlungsmoral sogar noch bestraft.

Spanien setzt höhere Verschuldung gegen EU-Kommission durch

Die Regierung hofft aber, dass mit dem Schuldenschnitt endlich Geld der Vereine in die leeren Haushaltskassen gespült wird, wofür sie allerdings neue Kredite bei Banken aufnehmen müssen, die diese ihnen angesichts einer faktischen Pleite eigentlich gar nicht geben dürften. Denn Spanien muss weitere fünf Milliarden Euro einsparen, zu der die EU-Kommission das Land verpflichtet hat. Brüssel ließ es sich nicht (ganz) bieten, dass der konservative Ministerpräsident Mariano Rajoy beim EU-Gipfel zwar den Fiskalpakt unterschrieb, danach aber sofort erklärte, das Land werde sein Defizit nicht auf 4,4 Prozent senken, wie er stets versprochen hatte. Plötzlich wollte Rajoy es 2012 nur auf 5,8 Prozent senken.

Nachdem die EU-Kommission Sanktionen ankündigte, einigten sich die Euro-Finanzminister am Dienstag nach langem Streit auf einen Kompromiss. Spanien muss nun das Defizit nur auf 5,3 Prozent senken, wenn es 2013 wieder die Stabilitätsmarke von drei Prozent erreicht. Es ist ein erstaunliches Ergebnis, dass man ihn für sein Verhalten auch noch belohnt. So hat Rajoy dieses Ergebnis am Mittwoch im Parlament auch als Sieg verkauft, obwohl er mit seinem Vorgehen viel Geschirr und Vertrauen zerstört hat.

Das erneut gewachsene Misstrauen an den Finanzmärkten hat der Börse in Madrid letzte Woche deutliche Verluste eingebracht. Erstmals seit dem vergangenen August rentierten die zehnjährigen spanischen Anleihen wieder deutlich über italienischen Papieren. Im vergangenen August hatte Italien erstmals Spanien überholt und seitdem lagen die Zinsaufschläge für Rom zum Teil deutlich über denen für Madrid. Dieser Trend hat sich umgedreht und auch in dieser Woche weiter verstetigt.

Der geplante Schuldenschnitt für die Fußball-Clubs wird neues Ungemach mit Brüssel provozieren. Denn dabei dürfte es sich auch um genehmigungspflichtige Beihilfen handeln, die eigentlich im Voraus bei der Kommission angemeldet werden müssen. Es dürfte vielen Mitgliedsländern nur schwer vermittelbar sein, dass erneut der spanische Fußball enorm staatlich subventioniert wird, wenn zudem der Staatshaushalt auf wackeligen Beinen steht. Der Ärger über das Beckham-Gesetz war einst schon groß, weil angesichts der Nettolohnverträge bei niedrigen Steuern internationale Fußballstars in Spanien mit besonders hohen Gehältern umworben werden können.

Vergessen ist auch in vielen europäischen Vereinen nicht, wie Real Madrid 2001 schon einmal auf Kosten der öffentlichen Hand entschuldet wurde. Der Club verkaufte sein Trainingsgelände (Ciudad Deportivo) für fast eine halbe Milliarde Euro an die Stadt. Der Schuldenberg verkleinerte sich damals um gut 250 Millionen Euro, nachdem er durch den Einkauf von Zinedine Zidane stark angeschwollen war. Auch damals hatte Madrid mit fast 75 Millionen Euro einen Ablöseweltrekord aufgestellt. Die EU-Kommission ermittelte damals schon wegen unerlaubter staatlicher Beihilfen, musste das Verfahren aber ergebnislos einstellen.

Weil die spanische Regierung nun im laufenden Jahr angesichts des Defizitziels von 5,3% statt 35 Milliarden sogar 40 Milliarden Euro einsparen muss, gab auch der Ministerpräsident am Mittwoch im Parlament zu, dass dies "kurzfristig Auswirkungen auf das Wachstum und die Beschäftigung" haben werde. Das heißt, die Wirtschaft wird noch stärker als die 1,7% schrumpfen, welche die Regierung ohnehin schon erwartet. Bei den erwarteten 630.000 Jobs, die nach Prognose der Regierung 2012 verloren gehen sollen, wird es ebenso kaum bleiben. Die Marke von sechs Millionen und eine Arbeitslosequote von 25 Prozent kommen.