Die subtile Uminterpretation von Selbstentfaltung

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Carmen Losmanns, Regisseurin und Autorin von "Work Hard, Play Hard", über die neuen Welten des Managements

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In ihrem abgründigen Dokumentarfilm "Work Hard, Play Hard" (Trailer), der für den Fernsehsender ARTE entstanden ist und jetzt bei uns im Kino läuft, portraitiert die Berliner Dokumentarfilmerin Carmen Losmann die neuen Welten des "Human Ressource Management" und den Wandel der Arbeit unter dem Vorzeichen ihrer Entgrenzung.

Mit seinem ruhigen, zurückhaltenden, glasklaren Stil, der erkennbar durch die Arbeiten Harun Farockis beeinflusst ist, gelingt dem Film eine beunruhigende Bestandsaufnahme des "Kapitalismus als Religion" (Walter Benjamin). Aus Büros werden "nonterritoriale" Arbeitsplätze, Manager lernen ihren Teamkodex so auswendig wie früher die Priester den Katechismus; Manager treffen sich im Kloster zum Meditieren oder im Wald zum Outdoor-Training, ihre Personalabteilungen drillen sie in Assessment-Centern oder planen ihre "ungeplante Kommunikation" in futurologischen Erholungszonen.

Losmanns besondere Sensibilität gilt dem, was dies unserer Sprache antut: Der mit Anglizismen durchtränke Jargon, dem alles "Challenge" ist, hat einerseits einen Weichspüleffekt, der über Unangenehmes hinwegtäuschen soll. Zugleich ist seine Funktion ideologisch: Neue Worte helfen bei der Gleichschaltung. Und nicht umsonst erinnert die Managersprache an George Orwells "Newspeak". Tatsächlich haben moderne Unternehmen mit Sekten und politischen Religionen mindestens eines gemeinsam: Die Disziplinierung geschieht nicht durch Zwang, sondern durch verinnerlichte Werte; salopp gesagt: Gehirnwäsche. Telepolis sprach mit der Dokumentarfilmerin.

Ständig im Arbeitsnetz, neue Managmentmethoden - alles Teufelszeug?

Wie würden Sie selbst beschreiben, wovon Ihr Film handelt?

Carmen Losmann: Es gibt verschiedene Ebenen. Ich kann nicht in einem Satz sagen: Der Film handelt von Arbeitswelten der Zukunft. Es geht um eine Entgrenzung von Arbeit, um die Auflösung der getrennten Bereiche Arbeit und Freizeit.

Auch bedingt durch technologische Möglichkeiten: Laptop, Mobiltelephone, Internet - indem wir ständig im Netz sind, sind wir auch ständig im Arbeitsnetz. Dadurch lösen sich Zeit und Raum zunehmend auf. Mit diesen Fragestellungen habe ich begonnen: Wieso führt die Abschaffung der Stempeluhren dazu, dass man nicht mehr 40 Stunden arbeitet, sondern 60? Der Film ist ein Versuch, dieser Dynamik auf die Schliche zu kommen. Welche Stellschrauben werden vom Management aus implementiert, damit die Leute von sich aus das tun, was das Unternehmen möchte?

Das muss für die Arbeitenden noch nicht mal schädlich sein. Die These, diese neuen Methoden seien alle Teufelszeug, ist aus meiner Sicht so einfach nicht richtig. Aber der Film befragt schon diesen Anspruch des modernen "Human Ressource Managements", den Zugriff auf den ganzen Menschen in seiner Persönlichkeit zu wagen. Darum geht es: Was bedeutet es denn, wenn ein Management sagt, bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt? Ich kann also die Frage nach dem Inhalt nicht mit Thesen beantworten, sondern mit solchen Fragen. Dieser Film hat vier Jahre gedauert. Ich bin da nicht reingetrampelt und habe gesagt: Ich weiß alles.

Sie beschäftigten sich auch mit Ihren Filmen davor mit dem Thema Arbeit. Was genau haben Sie bisher gemacht?

Carmen Losmann: Ein Kurzfilm - "Nicht wie jeder" - handelt von Jobbörsen. Das ist direkt mit dem Thema verbunden. "Arbeit am Ende" war mein erster Film - aber zu sagen das wäre eine Vorbereitung, wäre übertrieben. Der ist einfacher filmisch erfahrbar, und am Ende werden in einer Behindertenwerkstätte Telefone zerklopft. Allgemein interessiere ich mich aber ganz allgemein gesprochen für Arbeit als Möglichkeit, etwas Gesellschaftliches und Gegenwärtiges zu erkennen. Ich finde Arbeit viel zu wenig im Kino behandelt.

Da prallten auch zwei Welten aufeinander

Obwohl Arbeit so einen großen Raum in unserem Leben einnimmt, werden Figuren in Spielfilmen, wenn sie nicht gerade Kommissare sind, ganz selten über ihre Arbeit definiert. Man denkt immer, die tun nix...

Carmen Losmann: Ja, die tun nix! Die sind den ganzen Tag nur mit ihren Liebesgeschichten beschäftigt. Oder sie fahren in Urlaub. Die haben nur Freizeit und Liebelei. Wunderbar. Da fragt man sich dann: Was soll eigentlich der Film? Soll er uns auch etwas von uns erzählen, oder soll er uns nur ein bisschen einlullen, damit unser Leben erträglich wird? Kennen wir ja alles.

Auf jeden Fall hatte ich darauf keine Lust und fand Arbeit als Spiegelfläche, um etwas über unser Leben zu erzählen, interessant. Der Versuch, "Human Ressource Management" in erkennbare Bilder zu übersetzen, war dann sehr schwierig, weil sich das entzieht.

Was haben Sie den Leuten in den Unternehmen, die im Film dargestellt werden, über Ihre Vorstellungen erzählt? Das Gleiche?

Carmen Losmann: Ich habe mich bemüht, mein Projekt so sachlich wie möglich zu präsentieren. Ich habe gesagt, ich mache einen Film über Arbeitswelten der Zukunft. Das weckt unterschiedliche Assoziationen, abhängig vom Zukunftsverständnis. Ich habe gesagt: Mich interessiert "Human Ressource Managements", ich würde gerne die und die Methoden filmen. Können wir das bei Ihnen machen? Ich habe auch gesagt: Ich mache einen 90-minütigen künstlerischen Dokumentarfilm. Ich habe auch gesagt: Für ARTE.

Es gab auch Absagen, etwa die eines Unternehmens, mit der Begründung: "Uns ist nicht klar, wie wir da unsere Botschaft unterbringen können." Da prallten auch zwei Welten aufeinander. Es war von meiner Seite eine Gratwanderung zwischen Aufrichtigkeit und Pragmatismus, weil ich ja dazu kommen wollte, etwas drehen zu können.

"Der Mensch steht jetzt im Mittelpunkt"

Durften die Protagonisten alle den Film abnehmen?

Carmen Losmann: Nee, die durften das nicht abnehmen. Wenn Sie mal durchzählen, wie viele Leute in dem Film zu sehen sind... Bei ARTE ist es so üblich - der Film ist ja von der Nachwuchsförderung der Filmstiftung NRW und von ARTE im "grand format" finanziert - entweder man macht mit und lässt sich darauf ein, oder man lässt es bleiben. Entweder man macht mit, oder man macht nicht mit. Im Nachhinein allen rund 30 Leuten ein Mitspracherecht zu gewähren, würde bedeuten, dass der Film nicht veröffentlichbar wäre. Weil natürlich die Unternehmen, die hier porträtiert werden in bestimmter Weise nicht mit allem einverstanden sind, oder einen anderen Blick haben.

Ich habe versucht, einen Prozess kritisch zu befragen - nicht im Hinblick auf einzelne Unternehmen, aber insgesamt. Es war mein Versuch, niemanden bloßzustellen, schon gar nicht die einzelnen Mitarbeiter.

Aber ich habe versucht, ein Portrait zu machen von modernem 'human ressource management', das ich von der Tendenz her fragwürdig finde. Insofern, dass gesagt wird: Es gibt jetzt das Zeitalter des Menschen. Das hat mich interessiert. Ich habe ja schon ein paar Kurzfilme über Arbeit gemacht, dann habe ich mehrere Artikel gelesen über Entgrenzung von Arbeit in Betrieben, Auflösung der Stempeluhren, Vertrauensarbeitszeit - diese Schlagworte begegneten mir im öffentlichen Diskurs. Dann habe ich recherchiert. Das hat meine dokumentarische Neugier geweckt.

Und daraufhin habe ich versucht, in modernen Unternehmen Belege dafür zu finden, wie dieser Satz - "Der Mensch steht jetzt im Mittelpunkt" - dann konkret umgesetzt wird. Meine Auswahl war natürlich subjektiv, ebenso die Verdichtung in der Montage - es ist natürlich im Ergebnis mein subjektiver Blick. verdichtet, zugespitzt, kontrovers. Da wäre Mitspracherecht nicht machbar.

Aber wir haben bestimmte Leute, die dort herausragender agieren. Zum Beispiel eine Unternehmenbsberaterin von Kienbaum, die haben wir eingeladen, ihr Material zu sehen.

Die Deutsche Post/DHL hat ihr Material abgenommen - das war die Bedingung, um das überhaupt drehen zu können. Nach der Premiere des Films beim Dokumentarfestival Leipzig gab es ein paar sehr einseitige Berichte über den Film, da wurde er ein bisschen einseitig zugespitzt beschrieben. Ich verstehe das sehr gut. Ich habe ja in meinem Film auch versucht, was zu verdichten, hab' auch versucht, das erzählbar zu machen. Manche Meetings, von denen wir erzählen, sind tatsächlich sieben Stunden lang - verkürzt auf 20 Minuten.

Das versteht man als Außenstehender gar nicht alles, es ist mitunter sehr langweilig. Und mit 100 Stunden Material, die auf 90 Minuten heruntergeschnitten werden, war ich in einer enormen Verdichtung. Und dann kommen eben die Leute, die über den Film sprechen, und ihn in ihren Berichten nochmal verkürzen und verdichten.

Dadurch gab es eine Situation, dass die Deutsche Post/DHL gesagt hat, sie will den Film gerne sehen. Aufgrund der Berichte aus Leipzig seien sie ein wenig irritiert. Das kann ich sogar verstehen aus ihrer Perspektive, da wurde die Deutsche Post/DHL relativ analog gesetzt zur Stasi und zum DDR-Regime - das fand ich auch unglücklich.

Das ist für die Unternehmen ja auch ein Lernprozess. Weil sie merken, wie manches rüberkommt, was ihnen ganz selbstverständlich und normal erscheint. Sie sehen, wie das bei der Öffentlichkeit ankommt. Letztlich repräsentieren Sie den Außenblick. Damit sind Sie auch ein Teil der Optimierung von Unternehmenskommunikation...

Carmen Losmann: Auf alle Fälle! In meiner Position gibt es auf alle Fälle auch eine große Ambivalenz. Ich werde da vom System in einer immerwährenden Feedbackschleife wahrscheinlich zur Optimierung benutzt - wie soll das anders sein? Es geht ja immer so: Rückkoppelung.

"Embedded?"

Würden Sie sagen, dass Sie überhaupt einen theoretischen Ansatz für den Film haben? Und welcher wäre das? Man denkt ja fast automatisch bei diesem Film an Soziologie. Also ein systemtheoretischer?

Carmen Losmann: Ich kenne mich mit der Systemtheorie zu wenig aus. Meine Position ist zunächst einmal die des - in Anführungszeichen - "kritischen Hampelmann". Trotzdem wird mein Film dann wieder zum Lernen aus Fehlern benutzt.

Ich habe diesen Film schon mit einem theoretischen Ansatz gemacht. Ich fand eine arbeitsphilosophische Arbeit von einer Gruppe von Philosophen sehr spannend, die das Ganze als "indirekte Steuerung" beschreiben. Eine Arbeit von Stephan Siemens fand ich ziemlich interessant, um meinen Blick zu schärfen.

Würden Sie den Status, den Sie als Filmemacherin hatten, mit dem Wort "embedded" beschreiben, den wir aus dem Kriegsjournalismus kennen?

Carmen Losmann: Ich glaube bei "embedded journalism" geht es darum, dass die Leute auch das berichten, was die "Embedder" wollen. Das habe ich, glaube ich, nicht gemacht.

"Embedded" kann man auch so verstehen, dass man manchen dieser Journalisten unterstellt, dass durch die Insiderperspektive die Faszination für den Gegenstand zunimmt, und dass sie sich zunehmend mit dem identifizieren, wovon sie berichten sollen. Was ja auch den Vorteil hat, nahe dran zu sein und die Perspektive der Akteure wiederzuspiegeln. Kann man das übertragen? Übernehmen Sie Positionen, die Sie vor zwei Jahren noch als viel absurder empfunden hätten?

Carmen Losmann: Ja, ich glaube, dass sich dadurch, dass ich vor Ort war, bestimmte Prozesse miterlebt habe, mein Blick und meine Perspektive ausdifferenziert hat. Mein Versuch war immer, das ambivalent zu halten. Ich glaube nicht, dass ich irgendeiner Faszination unterliege. Aber manches ist für mich heute nachvollziehbarer: Was Unternehmen tun, um Produktivität möglich zu machen.

Von Außen konnte ich eine klarere Grenze ziehen zwischen Unternehmen und mir. Das heißt aber nicht, dass ich heute irgendetwas besser finde.

"Wir müssen da die Business-Units ein bisschen gegeneinander atmen lassen"

Manche nehmen "Work Hard Play Hard" als einseitiges Pamphlet gegen den neuen Kapitalismus wahr. Gibt es auch solche, für welche die Ambivalenz zur anderen Seite kippt? Die ihn als positiv wahrnehmen, die reagieren: "Ist doch super! Toll, was Unternehmen da veranstalten"? Wie sieht einer den Film, der sich ganz mit dieser Welt identifiziert?

Carmen Losmann: Das würde mich auch interessieren. Bei der Sichtung mit Kienbaum kam mir keine solche Meinung entgegen. Die meisten fanden den Film sachlich, zu 99% fair dargestellt. Sie haben gesagt: So ist es halt. Sie konnten den Film aber nicht als Werbeclip für eine tolle neue Arbeitswelt sehen. Das sind halt deren Botschaften.

Wenn dann eine Frau sagt: "Ich will das alles auf die DNA meiner Mitarbeiter einschreiben", dann ist das eben so. Ich weiß selber nicht, wie mir diese Ambivalenz geglückt ist, die ich haben wollte. Ich wollte auch keine Gegenpropaganda veranstalten.

Es geht viel um Sprache...

Carmen Losmann: Diese weichgespülte Sprache, die mit Anglizismen durchtränke Sprache haben die Unternehmen ja schon lange angewandt. Mein Lieblingszitat, das nicht im Film ist, lautet: "Wir müssen da die Business-Units ein bisschen gegeneinander atmen lassen." Was nichts anderes heißt, als die Geschäftsbereiche innerhalb des Unternehmens gegeneinander in Konkurrenz zu setzen. Diese kommunikationsoptimierte Sprache fällt dann doch wieder als Störung auf. Das ist auch nicht richtig. Es ist nicht so einfach mit der Kommunikation.

Es gibt ja das Phänomen, dass jedes Unternehmen seine eigene Sprache ausbildet, und dann, dass es ein Newspeak der Ökonomie als solche gibt. Ich kenne zum Beispiel jemanden, der eine Mitarbeiterin in einem großen Unternehmen hat. Der meinte: Die hat eine richtige Gehirnwäsche erlebt, der musste man erstmal ein halbes Jahr die Sprache abgewöhnen, die sie da gelernt hat. Ist das ein bewusster Masterplan der Unternehmen, um Loyalitäten zu erzeugen, und Gleichschaltung zu erzeugen, oder sind das Effizienzzwänge des Systems?

Carmen Losmann: Ich weiß es nicht. Was ich wahrnehme: Es gibt große Bemühungen von Unternehmen, eine Corporate Identity herzustellen. Ich habe mich gefragt, warum das so ist? Warum wollen sie, dass man sagt: "Ich habe Lust, bei Siemens zu arbeiten." "Ich habe Lust bei der Deutschen Bank zu sein." Woher kommt dieser Glaube, dieses Bestreben, bei jedem Einzelnen so eine Corporate Identity auszubilden? Mein Versuch einer Antwort ist, dass es sich dabei um eine Reaktion handelt auf jene Kritik der 1968er, dass man bei Unternehmen keine Individualität ausbilden, sich nicht entfalten könne.

Und im Zuge der Jahrzehnte haben dann die Unternehmen gegen diese Kritik die Gegenstrategie entwickelt, zu sagen: "Hey, ihr könnt auch da Abenteuer Eures Lebens bei der Deutschen Bank erleben. Ihr müsst keine Hippies werden und aussteigen."

Da hat sich etwas gewandelt. Unternehmen haben gelernt, dass sie attraktiver werden müssen. Damit junge Leute weiterhin Lust haben, sich in Unternehmen vernutzen zu lassen, muss man ihnen auch irgendetwas bieten.

Ein Siemens-Manager hat neulich gesagt: "People only work for people." Und da ist was dran. Unternehmen müssen Leute dazu kriegen, dass sie Lust haben, zu arbeiten. Darum gibt es die Verführungen mit Corporate Identity: Ihr habt hier die Möglichkeit Teil eines großen Ganzen zu werden. Wir sind toll. Diese interne Kommunikation an die Mitarbeiter, die den Glauben behalten müssen, dass man hier an einer tollen Sache arbeitet, dass es Spaß macht, in dem Unternehmen zu arbeiten, die wird von den Personalabteilungen sehr ernst genommen.

Es steckt viel Geld in der Corporate Identity. Denn wenn die Leute keine Lust haben, hat das Unternehmen ein Problem.

Du kannst hier bei uns arbeiten und Dein Abenteuer haben. Aber was das Abenteuer ist, bestimmen wir

Ich habe von Gehirnwäsche gesprochen, von Gleichschaltung. Das ist ja gerade nicht die Individualisierung, sondern Anpassung und Abrichtung von Individuen - um in diesen großen Maschinen noch geschmeidiger zu funktionieren. Man kann sagen: Man bringt das Wohnzimmer an den Arbeitsplatz. Wir wissen aber, dass zur Zeit vor allem die Arbeit ins Wohnzimmer gebracht wird. Sie beschreiben umgekehrt die Entindividualisierung von Arbeitsplätzen. Austauschbarkeit der Arbeitskräfte scheint auch ein ganz klares Ziel der Unternehmenspolitik zu sein.

Carmen Losmann: Das ist ein ganz interessanter Themenkomplex. Die Corporate Identity-Bemühung der Unternehmen setzt klar auf Individualität. Wenn man sich anschaut: Wie rekrutieren große Unternehmen ihre Leute, dann ist das immer mit dem Anspruch: "Du"; "Be a Tiger!"; "Sei Teil einer großen Aufgabe"; "Du als High-Performer passt zu uns." Das hat immer noch einen Glanz von individueller Selbstentfaltung.

Und dann hebt sich diese Gleichschaltung auf eine höhere und subtilere Ebene. Weil dann durch die Unternehmen vom Einzelnen verlangt wird, die Selbstentfaltung nur in dem zu finden, was dem Unternehmen nutzt.

Das ist eine sehr subtile Uminterpretation von Selbstentfaltung. Die Schablonen dessen, was Selbstentfaltung ist, werden zurechtgebaut. Dass klar ist: Du kannst hier bei uns arbeiten und Dein Abenteuer haben. Aber was das Abenteuer ist, bestimmen wir. Es muss zur Profitabilität dienen. Das Ziel ist, glaube ich, erreicht, wenn die einzelnen Menschen auf die Frage nach der Selbstentfaltung antworten: Selbstentfaltung ist für mich einen Job bei dem und dem Unternehmen zu erreichen. Da hat dann etwas gegriffen.

Darf ich hart zurückfragen: Ist das nicht Faschismus? "Du bist nichts, Dein Unternehmen ist alles"?

Carmen Losmann: Ich finde, dass das schon teilweise faschistoide Tendenzen hat. Ich weiß nicht genau, woran ich das festmachen könnte. Am Einfachsten daran ist, dass das übergeordnete Ziel des Unternehmens nicht gefährdet werden darf. Die höhere Idee unter der Du als Einzelner Dich unterordnen darfst.

Mit Abenteuer hat der Faschismus auch geworben, um Gleichschaltung attraktiv zu machen...

Carmen Losmann: Dadurch erlangst Du auch Größe und was Höheres, Göttliches. Auch die Rede vom Organismus Unternehmen, der nicht sterben darf - das weckt bei mir faschistoide Assoziationen. Der Trick von dem Film ist, dass ich das gar nicht sagen muss.

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