Die Lagerkämpfe ums Urheberrecht dauern an

Experten lehnen Warnhinweise durch Provider bei angeblichen Urheberrechtsverletzungen ab

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Eigentlich sollte es auf der Anhörung des Unterausschusses Neue Medien nicht nur um den Schutz, sondern auch die Vermarktung von kreativen Inhalten im Internet gehen. Doch am Ende reicht dafür die Zeit nicht mehr: der Ausschuss verzettelt sich in der Diskussion um Warnhinweise, die die Provider potenziellen Urheberrechtsverletzern zukommen lassen sollen. Die Diskussion zeigt dabei vor allem, dass die altbekannten Grabenkämpfe trotz der jüngsten Erfolge der Piratenpartei munter weitergeführt werden.

Grundlage der Diskussion ist dabei eine Studie, die Rolf Schwartmann, der an der Fachhochschule Köln die Forschungsstelle für Medienrecht leitet, für das Bundeswirtschaftsministerium erstellt hat. Die Studie ist vielfach auf Kritik gestoßen, so bezeichnete etwa der IT-Rechtsexperte Thomas Stadler das über 400 Seiten starke Papier als "lobbyfreundliches Gutachten". Tatsächlich fällt auf, dass an Schwartmanns Forschungsstelle sowohl im Beirat als auch unter den Dozenten zahlreiche Personen Vertreten sind, die an einem strengen Urheberrecht aufgrund ihres beruflichen Hintergrunds ein vitales Interesse haben dürften.

Sein Modell zur "vorgerichtlichen Mitwirkung" der Internetprovider bei der Bekämpfung von Urheberrechtsverstößen fasst Schwartmann selbst in seiner schriftlichen Stellungnahme noch einmal kurz zusammen. Es sieht vor, dass Rechteinhaber wie bisher Unternehmen damit beauftragen, Urheberrechtsverletzungen in Peer-to-Peer-Netzwerken zu ermitteln und an die Providern weiterzumelden. Der Provider ordnet im Anschluss die IP dem Anschlussinhaber zu. Im Gegensatz zur derzeit üblichen Praxis folgt dann allerdings keine Abmahnung, sondern ein Warnhinweis des Providers. Dieser soll zudem über die Verstöße eine Liste anlegen, die ab einer bestimmten Anzahl an Verstößen automatisch an die Rechteinhaber übermittelt oder von den Rechteinhabern verlangt wird.

Doch nicht nur die SPD ist entschieden gegen Warnhinweise bei potenziellen Urheberrechtsverletzungen durch die Internetprovider. Auch bei einer Anhörung im Unterausschuss Neue Medien spricht sich die überwiegende Mehrheit der geladenen Experten gegen eine derartige Maßnahme aus. Das Fernmeldegeheimnis, so schreibt Rechtsanwalt Dieter Frey den Befürwortern der Warnhinweise ins Stammbuch, sei ein wichtiges Grundrecht, welches vom Bundesverfassungsgericht und dem Europäischen Gerichtshof hoch bewertet werde. Das Ziel dieser Maßnahme sei es, dass der User sich im Internet nicht mehr unbeobachtet fühlen könne. Wie Frey in einem Gutachten für die Parlamentarier ausführt, ist zudem nicht einmal klar, wo die Daten für die Warnhinweise herkommen sollen. Daten aus der Vorratsdatenspeicherung können es jedenfalls nicht sein, immerhin dürfen diese nur für schwere Straftaten herangezogen werden. Die Daten für ein vorgerichtliches Verfahren einzusetzen, ist daher eindeutig tabu.

Frank Rieger vom Chaos Computer Club erinnerte darüber hinaus daran, dass die Ermittlung der IP-Adressen von potenziellen Urheberrechtsverletzern alles andere als zuverlässig ist. Die Firmen, die in diesem Bereich tätig sind, werden oft von halbseidenen Glücksrittern betrieben, die nur auf das schnelle Geld aus sind. Zu oft kämen Schlampereien vor: Der CCC habe eine Fehlerquote von acht bis zehn Prozent ermittelt. Dies führe zu einer Verunsicherung aller Nutzer. Wer intensiv Filesharing betreibt, verschleiere seine IP-Adresse ohnehin. Rieger sieht in den Warnhinweisen den Einstieg in die Vollüberwachung des Internets, wie wir sie bereits in den Diktaturen dieser Welt sehen. Die Umsetzung dieses Modells sei nur mit einer zentralisierten Überwachung des Netzes möglich.

Petra Sitte von der Linken und Frank Rieger wiesen während der Anhörung darauf hin, dass die derzeitige Abmahnpraxis insbesondere die Jugendlichen immer mehr von den Urhebern entfremdet. Weil Abmahnungen derzeit unverhältnismäßig teuer seien, gebe es kein Unrechtsbewusstsein bei den jungen Leuten mehr, berichtet Rieger aus Gesprächen mit Schülern. In Frankreich gebe es bereits einen stillen Boykott, weil die Leute gegängelt würden. Ganz so weit sei es in Deutschland noch nicht, jedoch komme diese Stimmung auch hierzulande langsam auf.

Ausgerechnet Siegfried Kauder (CDU) hingegen ärgerte sich in der Anhörung darüber, dass die meisten Experten aufgrund der Telekommunikationsfreiheit Warnhinweise durch die Provider ablehnen. Die Telekommunikationsfreiheit habe ihre Grenzen an allgemeinen Gesetzen und dürfe nicht für illegale Geschäfte genutzt werden, äußerte Kauder deutlich erregt. Damit stand er auf relativ einsamen Posten. Lediglich Rolf Schwartmann, der bereits ein Warnhinweismodell erarbeitet hat und Florian Drücke als Vertreter des Bundesverbands der Musikindustrie konnten dem Konzept etwas abgewinnen.

Schwartmann sieht in seinem Modell der Warnhinweise sogar eine Verbesserung der Rechtsstellung der Internetnutzer, immerhin würden diese dreimal über mögliche Verstöße informiert, bevor die Rechteinhaber den juristischen Weg beschreiten können. Das Problem dabei nennt Schwartmann jedoch selbst: Den Warnhinweisen der Provider liegen in seinem Modell nur behauptete Verstöße zugrunde, die sich niemand zu eigen mache. Sind drei Verstöße gesammelt, entscheide dann letztlich ein Gericht über den Rechtsverstoß. Darin sieht Schwartmann sogar eine Verbesserung der Position der Nutzer.

Mit konkreten Aktionen seitens der Bundesregierung ist im Bereich des Urheberrechts vorläufig ohnehin nicht zu rechnen, zu konträr sind die Positionen schon innerhalb der Koalition. Schon im Vorfeld der Anhörung erklärte Burkhard Lischka (SPD), er habe Zweifel, ob die Regierung in dieser Legislatur überhaupt etwas vorlegen werde. Davon ausgenommen sei einzig der Bereich des Leistungsschutzrechtes, in dem die Bundesregierung bekanntermaßen zu Gunsten der Verlage aktiv ist.

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