Organisiertes Verbrechen setzt jährlich 870 Milliarden US-Dollar um

Die UNO startet eine Kampagne gegen das Organisierte Verbrechen, US-Senat wirft der britischen Großbank HSBC vor, in Geldwäsche und Terrorfinanzierung verwickelt zu sein

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Es mutet ein bisschen wie Don Quijotes Kampf gegen die Windmühlen an. Mit Aufklärungsvideos und Infobroschüren gegen ein Milliardengeschäft. Am Montag stellte das Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) eine neue Kampagne gegen die transnationalen Geschäfte des organisierten Verbrechens vor. Danach werden mit Drogen- und Menschenhandel, dem Schmuggel seltener Hölzer, Pflanzen und Tiere sowie anderer illegaler Geschäfte jährlich weltweit 870 Milliarden US-Dollar umgesetzt. Dies ist etwa sechsmal so viel, wie offiziell weltweit für Entwicklungshilfe aufgewendet wird, oder 1,5 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts bzw. sieben Prozent des weltweiten Außenhandels.

Bild: UNODC

"Transnationales organisiertes Verbrechen erreicht jede Region und jedes Land der Welt. Diese transnationale Gefahr zu stoppen ist eine der größten globalen Herausforderungen, denen sich die internationale Gemeinschaft gegenüber sieht", erklärte UNODC-Geschäftsführer, Yury Fedotov. Er hoffe, die Kampagne helfe zu verstehen, wie das organisierte Verbrechen operiere und ganze Gesellschaften unterwandere.

Nach Angaben des UN-Büros ist das lukrativste Geschäftsfeld der Drogenhandel, der rund 320 Milliarden Dollar umsetzt und zudem hohe Gewinnspannen verspricht. Mit Falschgeld würden 250 Milliarden US-Dollar bewegt; mit Menschenhandel dagegen "nur" 32 Milliarden. Die gesellschaftlichen Kosten sind auf der anderen Seite sehr hoch - u.a. für die Gesundheitsversorgung im Zusammenhang mit Drogenkonsum. Zudem fordert die damit einhergehende Kriminalität viele Menschenleben. Die nun gestartete UNODC-Kampagne läuft im Internet und Fernsehen; es wurden Videos in verschiedenen Sprachen vorbereitet, dazu Poster und Infomaterial. Damit soll für das Problem, seine Größenordnung und die gesellschaftlichen Kosten sensibilisiert werden.

Milde gegen Bankster, die mit Geldwäschern und Terroristen zusammenarbeiten

Fast gleichzeitig - am Dienstag - veröffentlichte der US-Senat einen 340 Seiten starken Bericht, in dem der britischen Großbank HSBC, der größten Bank Europas, vorgeworfen wird, Warnungen ignoriert zu haben, wonach ihre globalen Operationen von Geldwäschern und potentiellen Terroristen missbraucht wurden. Die Rede ist von einer "kontaminierten" Geschäftskultur.

David Bagley, seit 2002 Chefaufseher von HSBC für die Einhaltung der Unternehmenskultur (Head of Compliance) und seit über 20 Jahren bei der Bank, trat noch vor der Senatsanhörung am Dienstag zurück. "Trotz bester Bemühungen und Absichten der vielen engagierten Profis blieb HSBC hinter unseren eigenen Ansprüchen und den Erwartungen unserer Aufsichtsräte zurück", sagte er.

Seit fast einem Jahrzehnt waren die Geschäfte von HSBC Gegenstand von Untersuchungen. Vor allem der mexikanische Ableger der Bank wird in dem Senatsbericht kritisiert. Dieser habe zwischen 2007 und 2008 rund sieben Milliarden US-Dollar auf Konten der Bank in den USA transferiert. Zum Teil wurden die Banknoten sogar per Auto oder Flugzeug transportiert. Die Größenordnung lasse sich nur "durch die Einbeziehung von Gewinnen aus dem Drogenhandel" erklären, so der Bericht. Auch seien noch Geschäfte mit Wechselstuben gemacht worden, als es längst handfeste Indizien gab, dass diese von Drogenkartellen zur Geldwäsche genutzt wurden. Konkurrierende Banken hatten da schon längst von solchen Geschäften Abstand genommen. Auch habe die mexikanische Filiale auf den Cayman Inseln, die gemeinhin den Ruf haben, ein Steuerparadies zu sein, 50.000 Dollarkonten geführt mit Einlagen in Höhe von 2,1 Milliarden US-Dollar. Darüber hinaus wirft der Bericht HSBC vor, US-Sanktionen gegen Länder wie Iran oder Kuba umgangen zu haben, zudem seien durch Bankgeschäfte mit Geldhäusern in Saudi-Arabien oder Bangladesch möglicherweise terroristische Aktivitäten finanziert worden.

In einer Stellungnahme übernahm HSBC zum Teil die Verantwortung. "Wir erkennen an, dass unsere Kontrollen strenger und effektiver hätten sein können und müssen", hieß es da. "Wir glauben, dass dieser Fall eine wichtige Lektion für die gesamte Branche liefert, um illegale Akteure davon abzuhalten, das globale Finanzsystem zu missbrauchen." Man habe bereits konkrete Schritte unternommen, um Aufsicht, Risikomanagement und -kultur zu stärken.

Auch das Office of the Comptroller of the Currency (OCC), eine wichtige US-amerikanische Bankenaufsichtsbehörde, bekommt in dem Senatsbericht ihr Fett weg. Sie sei ihrer Aufsichtspflicht nicht adäquat nachgekommen. So wurde HSBC zwar auf Defizite aufmerksam gemacht, aber OCC habe versagt, als es darum ging, konkrete Strafmaßnahmen gegen die Bank zu verhängen. Nach einem Bericht des Wall Street Journal will die US-Regierung nun untersuchen, ob Mitarbeiter von HSBC an der Geldwäsche durch mexikanische Drogenkartelle beteiligt waren.

Bild: UNODC

Ernsthafte Strafen drohen dem Unternehmen aber wohl nicht, maximal eine massive Geldstrafe durch das US-Justizministerium für die Verfehlungen bei den Sicherungsmaßnahmen. Selbst bei schwersten Vergehen und offensichtlichen Verbindungen zu Drogenkartellen brummten die Behörden in der Vergangenheit den Banken nur Geldstrafen auf. Gegen nicht eine Bank wurde offiziell Anklage erhoben. Selbst die Bank Wachovia, die zwischen 2004 und 2007 "vorsätzlich", wie die Ermittler vermuten, mehr als 378 Milliarden US-Dollar an Drogengeldern zwischen Wechselstuben in Mexiko transferierte, wurde gerade einmal mit einer Strafzahlung von "nur" 160 Millionen US-Dollar belegt. "Peanuts" im Vergleich zu der hin und her geschobenen Summe, die immerhin einem Drittel des mexikanischen Bruttoinlandsproduktes entspricht.

Die Größenordnung der globalen Finanzoperationen des organisierten Verbrechens im Allgemeinen und des Drogenhandels im Speziellen verdeutlicht die Macht der Kartelle, die vom "freien Handel" und den immer abenteuerlicheren Finanzprodukten profitieren. Experten meinen, dass der unkontrollierte Fluss "schmutzigen" Geldes eine immer größere Auswahl krimineller Aktivitäten speist. Die Zahlen geben aber auch eine Ahnung davon, dass der "Krieg gegen die Drogen" militärisch und mit repressiven Maßnahmen allein nicht zu gewinnen ist. Im Gegenteil, von Gewinnen redet in Mexiko schon lange niemand mehr - angesichts Zehntausender Toter und "Verschwundener" und dem fortschreitenden Verfall staatlicher Institutionen.

Dabei haben die Behörden durchaus Schritte zur Steuerung und Überwachung von Geldwäsche ergriffen. Seit 1997 sind Vorschriften zur Berichterstattung und Aufhebung verdächtiger Konten in Kraft. Im vergangenen Jahr wurden zusätzliche Maßnahmen beschlossen, den Dollar-Einlagen in den Banken Grenzen setzen und bereits bestehende Beschränkungen weiter verschärfen. Doch die Komplizenschaft der Banken hat in Mexiko eine lange Geschichte. Wurden die Banken früher von Bankräubern ausgeraubt, so sind Banken und Kriminelle heute zu Partnern geworden, wie "Der Spiegel" einmal treffend feststellte. Auch deshalb erwecken alle noch so ernst gemeinten Bemühungen den Eindruck eines Anrennens gegen Windmühlen. Daran werden auch Aufklärungsvideos wenig ändern.