Der verdeckte Krieg der USA in Somalia

US-Präsident Obama führt im Gegensatz zu George W. Bush lieber Stellvertreterkriege oder kämpft mit Drohnen

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Am 20. Juli hat Barack Obama einen Präsidentenerlass veröffentlicht, der die Situation in Somalia zum nationalen Sicherheitsrisiko erklärt und den Export von Holzkohle als einer Einnahmequelle der al-Qaida-Miliz al-Shabab unterbinden will. Zudem werden Sanktionen gegen Personen in Somalia und mit diesen Kooperierenden ausgesprochen. Somalia scheint für die USA über die Piratenbekämpfung hinaus bedeutsamer zu werden. Zuvor hatte das Pentagon 41 Millionen US-Dollar für Uganda, Burundi und Kenia gebilligt, die Truppen in Somalia stationiert haben. Das Geld dient dem Kauf von Rüstungsgütern und der militärischen Ausbildung. General Carter Ham, Kommandeur von Africom machte deutlich, dass die USA lieber auf eine große militärische Präsenz verzichten und dafür die Länder unterstützen, die im Interesse des Landes handeln.

Schon lange versuchen die USA, in Somalia verdeckt und mit der Unterstützung afrikanischer Truppen sowie gelegentlichen Drohnenangriffen die Islamisten zu bekämpfen, ohne selbst direkt militärisch einzugreifen. Das hat bislang eher die Islamisten bzw. deren radikale Kräfte Al-Shabab und Hizbu Islam bestärkt. Nach dem 2006 von den USA veranlassten Einmarsch äthiopischer Truppen (Äthiopien marschiert in Somalia ein) haben sich die beiden Gruppen von der gemäßigteren Union der Islamischen Gerichte (ICU) unter Führung von Scheich Sharif Ahmed getrennt, Al-Shabab wurde zu einem Zweig von al-Qaida und kooperiert mit Islamisten in Kenia, Tansania und Jemen, beide somalische Gruppen kontrollieren nach dem Abzug der äthiopischen Truppen im Jahr 2009 große Gebiete, auch wenn ihre Macht in letzter Zeit geringer wurde. Der zunächst gejagte Scheich Sharif Ahmed wurde 2009 zum auch von den USA unterstützten Präsidenten der international anerkannten, aber nur durch Truppen der Afrikanischen Union überlebenden Übergangsregierung ernannt (Somalia: Vom Terroristen zum Retter der Nation), was aber keine Versöhnung zustande brachte.

Letztes Jahr wurde ein neuer Versuch gemacht, anstatt der hilflosen Übergangsregierung wieder zu einer anerkannten Regierung in dem vom Krieg zerrissenen Land zu kommen, in dem viele Menschen hungern. Unter dem Vorsitz von Scheich Sharif Ahmed wurde eine "Roadmap" erstellt, die dem Land Sicherheit, Versöhnung, den Entwurf einer Verfassung und Reformen bringen soll. Neben dem Regierungschef Somalias haben allerdings nur Abgesandte des abgespalteten Puntland und die Miliz Ahlu Sunna Wal Jamaa neben Vertretern der UN, der Afrikanischen Union, der Arabischen Liga und dem Ostafrikanischen Friedensblock das von den Vereinten Nationen unterstützte Abkommen unterzeichnet. Seit letzten Mittwoch tagt in Mogadischu die verfassungsgebende Versammlung, bestehend aus 825 Vertretern der Clans. Sie sollen den Entwurf einer Verfassung erarbeiten und neue Parlamentsabgeordnete bestimmen, da die Übergangsregierung am 20. August endet.

Währenddessen wird in vielen Teilen des Landes weiter gekämpft. Am Freitag musste die Versammlung vorübergehend abgebrochen werden, weil in der Nähe Granaten einschlugen. Das weist auf die prekäre Lage hin, die auch im kürzlich veröffentlichten Bericht der UN-Beobachtungsgruppe für Somalia und Eritrea deutlich wird, inklusive der verbreiteten Korruption in der Übergangsregierung und den Problemen, die die zahlreichen privaten Sicherheitsfirmen mit sich bringen, die manchmal auch mit lokalen Milizen zusammen arbeiten und diesen Waffen trotz des Waffenembargos übergeben. Moniert werden nicht genehmigte militärische Operationen in Somalia von Kenia, Äthiopien und Dschibuti sowie der Einsatz von Drohnen.

Wie auch anderswo hat sich unter Präsident Obama die militärische Strategie in Somalia verwandelt. Während George W. Bush in zwei Kriege zog und die militärische Macht der USA ausspielte, zieht Obama den verdeckten Einsatz und den Stellvertreterkrieg vor, was an Zeiten des Kalten Kriegs erinnert. Das verhindert, dass US-Soldaten im Ausland getötet werden und verschleiert auch gegenüber dem eigenen Volk, in welchen geopolitischen Konflikten die US-Regierung involviert ist. Zwar befinden sich auf dem Boden von Somalia vermutlich keine US-Soldaten - wohl aber einige britische Soldaten -, aber die US-Regierung setzt auf die Durchsetzung der eigenen Interessen durch die Truppen afrikanischer Länder, die aufgerüstet und ausgebildet werden, um gegen Al-Shabab zu kämpfen.

So sollen die 15.000 Soldaten der Afrikanischen Union in Somalia weitgehend von den USA ausgerüstet und trainiert sein, der Sold wird allerdings von der EU und den Vereinten Nationen bezahlt. Ihr Einsatz wird, so berichtet die Los Angeles Times, von ehemaligen US-Soldaten, die nun für private Sicherheitsfirmen arbeiten, gesteuert. In erster Linie beschäftigt das Pentagon die Washingtoner Firma Bancroft Global Development. In vier Jahren seien 700 Millionen US-Dollar in den Krieg in Somalia investiert worden, die Ausgaben stiegen steil an. Bald werden auch Soldaten von Sierra Leone in Somalia in den Kampf gegen al-Shabab integriert werden. Die afrikanischen Soldaten werden vom Pentagon meist in ihren Ländern vor dem Einsatz ausgebildet, manchmal aber auch in den USA.

Die US-Regierung verwickelt sich nicht nur in Afghanistan, Pakistan, dem Jemen und Somalia in einen Krieg gegen al-Qaida, weitere Bedrohungen entstehen in Nigeria und neuerdings in Mali, wo al-Qaida im islamischen Maghreb (AQIM), ursprünglich entstanden in Algerien, nicht nur Kultur zerstört. Große Teile des Landes werden nicht mehr von der Zentralregierung kontrolliert, sondern stellen ein Rückzugsgebiet für islamistische Terroristen dar, ein zweites Somalia also. Angeblich sollen dabei Kämpfer aus Libyen eine Rolle gespielt haben. Wie weit die USA hier aktiv bei der Bekämpfung der Islamisten mitwirken, ist nicht bekannt. Ob bereits US-Drohnen in Mali fliegen, ist ebenfalls unbekannt.