"Real verzinste" Beitragskonten

In Österreich fahren Ex-Politiker von SPÖ, OVP und Grünen eine Kampagne zum Komplettumbau der Rente

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In österreichischen Medien debattiert man derzeit einen "gemeinsamer Aufruf" von Ruhestandspolitikern und Wirtschaftsprominenten. In ihm fordern der Ex-SPÖ-Finanzminister Hannes Androsch, der ehemalige Grünen-Bundessprecher Alexander Van der Bellen, der frühere ÖVP-EU-Kommissar Franz Fischler, der Ex-Weltbank-Direktor Robert Holzmann, der Deutsche Bert Rürup und etwa 50 andere Mitzeichner den Totalumbau des Rentensystems.

Dessen Kern soll zukünftig ein "real verzinstes" individuelles Beitragskonto sein. Außerdem soll das aktuell bei 65 Jahren liegende Renteneinrittsalter gestrichen werden. Stattdessen kann derjenige, der auf seinem Konto eine (anhand der durchschnittlichen Lebenserwartung, der Einzahlung und der Verzinsung errechnete) "Basispension" erreicht, in den Ruhestand gehen oder nicht. Das bringt den Initiatoren der Kampagne nach nicht nur "mehr Selbstbestimmung", sondern auch "Fairness", "Transparenz" und "finanzielle Nachhaltigkeit".

Alexander Van der Bellen bei einer Wahlkampfveranstaltung der Grünen in Sankt Pölten. Foto: Christian Jansky: Lizenz: CC BY-SA 3.0.

Theoretisch klingt es verlockend, dass ein Arbeitnehmer selbst bestimmt, wann er in Rente geht. Das Problem dabei ist, dass selbst Mitverfasser Holzmann zugeben muss, dass der Großteil der Arbeitnehmer in der Praxis mit dem neuen Modell wohl deutlich länger arbeiten muss als bisher. Für die heute 40- bis 50-Jährigen sieht er beispielsweise ein Renteneintrittsalter "in Richtung 70".

Zudem bietet das propagierte System der Politik die verlockende Möglichkeit einer Finanzierung des Euro-Abenteuers auf dem Rücken der Rentner: Man belässt die "reale Verzinsung" bei einem Wert wie zwei Prozent, während die Inflation deutlich höher liegt. In Deutschland beispielsweise liegt der Garantiezins von Lebensversicherungen mit 1,75 Prozent schon jetzt deutlich unterhalb der Inflationsrate. Wenn die nach entsprechenden EZB-Ankäufen kräftig anzieht, dürfte sich dieses Verhältnis noch deutlich zu Ungunsten des Anlegers ändern. Und höhere Zinsen gibt es nur mit Spekulation, die sich wie jedes andere Glücksspiel auf lange Sicht nur für den Provisions- und Gebührenbezieher lohnt.

In einem System, in dem die Rente an die Entwicklung der Löhne gekoppelt ist, steigt sie dagegen mittelfristig parallel zur Inflation. Es ist deshalb deutlich krisensicherer, wie Reinhard Jellen bereits 2005 anhand eines Blicks in die deutsche Geschichte richtig zusammenfasste: "Nach der Hyperinflation war die Basis für eine Kapitaldeckung durch den Geldwertverfall vernichtet und nach dem Zweiten Weltkrieg war der Kapitalstock durch die Rüstungsfinanzierung buchstäblich verpulvert worden."

Die bisherigen staatlichen Zuschüsse zur Rente sollen dem Modell nach schrittweise abgebaut werden. Mitzeichner Christian Keuschnigg, der geschäftsführende Direktor des Europäischen Zentrums für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung, begründet dies damit, dass die "Nettoersatzquoten" an den niedrigeren EU-Durchschnitt angepasst werden müssten. Lediglich Bundesbeiträge für den Wehr- und Zivildienst und für Zeiten der Kindererziehung dürfe man langfristig erhalten, denn nur so könne eine "nachhaltige Sanierung der Staatsfinanzen" gelingen.

Als konkrete Vorbilder für den Rentenumbau nennt das Papier "Reformpilotländer" wie Italien und Lettland, aber auch Schweden. Dort liegen die Rentenbeiträge mit 28 Prozent allerdings deutlich höher als in Österreich und es gibt keine Obergrenzen für den Arbeitgeberanteil.

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