Schuldig durch Verteidigung

In der Piratenpartei gibt es eine Fraktion, die Probleme mit dem Rechtsstaat hat

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Der Lawblogger Udo Vetter ist einer der profiliertesten Strafverteidiger in Deutschland. Anfang dieser Woche gab er offiziell bekannt, was die Spatzen schon seit Monaten von den Dächern pfiffen: Dass er vorhat, auf der Liste der Piratenpartei in Nordrhein-Westfalen für den Bundestag zu kandidieren. Die meisten Medien waren sich einig, dass dies den Piraten, die seit einem halben Jahr schwer unter Personalproblemen leiden, neuen Schwung und ein wieder höheres Ansehen beim Wähler verleihen könnte. Proteste gegen Vetter gab es überraschenderweise fast ausschließlich innerhalb der Piratenpartei.

Das Zentrum der Vorwürfe befindet sich nicht etwa in Nordrhein-Westfalen, wo Konkurrenten um ihren Listenplatz fürchten könnten, sondern in Berlin. Dort wirft man Vetter vor, dass er seinen Beruf als Strafverteidiger ausübt. Der Berliner Piratenfraktionsmitarbeiter Stephan Urbach (der unlängst in einem Gastbeitrag für die Süddeutsche Zeitung den Kurznachrichtendienst Twitter dazu aufforderte, alles zu zensieren, was ihm nicht kultursensibel genug erscheint), bezeichnete Vetter deshalb dreideutig als "Naziverteidiger" und "Nazirechtler", der "Vergewaltigung verharmlos[e]". Eine Kritik, die nur sehr bedingt mit rechtsstaatlichen Grundsätzen vereinbar ist.

Stephan Urbach and Gerwald Claus-Brunner. Foto. Haelge. Lizenz: CC BY 2.0.

Auch der Berliner Abgeordnete Oliver Höfinghoff (der einen beträchtlichen Teil seiner Zeit auf Twitter damit zu verbringen scheint, in einer seltsam wirkenden Mixtur aus Kraftausdruckssprache und protestantischem Jeremiadenduktus den Ausschluss anderer Piratenpartei-Mitglieder zu fordern) griff Vetter aufgrund eines seiner Mandate als "moralbefreiten Juristen" an, den man schon alleine wegen seiner Ausbildung nicht aufstellen solle. Höfinghoff engagiert sich derzeit auch für eine "Selbstverpflichtung", alle halbwegs aussichtsreichen Plätze auf der Bundestagsliste der Berliner Piraten zu hundert Prozent mit Frauen zu besetzten. Urbach, der sonst oft einer Meinung mit Höfinghoff ist, hält sich bei diesem Anliegen bislang bemerkenswert zurück - was möglicherweise daran liegt, dass er in der Fernsehtalkshow Lanz ankündigte, selbst kandidieren zu wollen.

Die ebenfalls in Berlin ansässige und unlängst aus dem Piraten-Vorstand ausgeschiedene Julia Schramm empörte sich über einen ihrer Ansicht nach "unterirdischen" Blogtext Vetters, in dem dieser der "autonomen Feministin" Nadine Lantzsch öffentlich erklärt hatte, was ein Rechtsstaat ist. Anlass dafür war ein Rant Lantzschs, in dem sie sich über den Freispruch von Dominique Strauss-Kahn erregte und dabei postulierte, dass "Rotz" wie das Rechtsstaatlichkeitsprinzip und die Aufklärung "von weißen europäischen Männern in mächtigen Positionen erfunden wurde, um ihren Besitzstand zu wahren". Dem hielt Vetter entgegen, ob sich die Mädchenmannschaft-Autorin "schon mal gefragt hat, was die Alternative zum Rechtsstaat ist".

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