Morddrohung wegen eines Berichts über Dieselschmuggel

Der Journalist Leftheris Charalambopoulos blickt skeptisch in die Zukunft. Bild: W. Aswestopouöos

Griechischer Journalist nennt sein Land eine "Mafiokratie"

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Telepolis traf in Athen den Journalisten und Herausgeber Leftheris Charalambopoulos. Charalambopoulos wird wegen seiner Artikel, in denen er direkt das Raffinerieunternehmen Aegean Oil des Schmuggels beschuldigt, vom Besitzer des Unternehmens, Dimitris Melissanidis bedroht. Dieses Thema, welches sogar zu einer parlamentarischen Anfrage (Viedeo mit Untertiteln) und zahlreichen Reaktionen von Kollegen aber auch des Journalistenverbands ESIEq (Meldung vom 4.2.2013) führte, gab den Anlass, Charalambopoulos über das aktuelle Griechenland zu befragen. Das lange Gespräch sollte Einblicke in die Denkweise und die Arbeitsbedingungen der griechischen Presse liefern.

Eine Vorgeschichte wie aus einem B-Movie

Das griechische Monatsmagazin Unfollow berichtet in seiner aktuellen Ausgabe vom 31.1.2013 über den Kraftstoffschmuggel in Griechenland. Eben dieser Schmuggel wurde seitens des Finanzministeriums als Grund vorgeschoben, um die Steuern auf Heizöl zu versechsfachen und damit Heizöl zu einem fast gleichen Preis wie Diesel zu verkaufen.

Wie viel Geld der Staat durch den Schmuggel verliert, dazu gibt es wie für Vieles im Land nur Schätzungen. Vorsichtige Analysten rechnen mit mehr als 500 Millionen Euro pro Jahr, sehr oft findet sich die Angabe von mehr als einer Milliarde Euro und immer öfter ist von mehr als zwei Milliarden Euro die Rede.

Tatsächlich könnte der Schmuggel leicht rechnerisch erfasst und über Kontrollsysteme nahezu unterbunden werden. Seit 2008 ist ein Softwaresystem mit dem Götternamen Hephaistos einsatzbereit. Damit könnten sämtliche Tankstellen im Land lückenlos überwacht werden. Allerdings sträuben sich die Mineralölmultis des Landes ebenso wie zahlreiche Tankstellenbesitzer bislang erfolgreich dagegen. Im Grunde müsste ein beliebter Schmuggeltrick durch einfachen Abgleich von Tabellen und Deklarationen recht schnell auffliegen. Denn sehr oft geben griechische Mineralölfirmen an, dass sie Treibstoff exportieren. Dieser darf dann steuerfrei das Land verlassen.

Jedoch fällt auf, dass die Exporte der Griechen in die Türkei oder die EJR Mazedonien um ein Vielfaches höher sind als die dort deklarierten Importe. Der "verschwundene" Sprit landet danach an griechischen Tankstellen und wird zusammen mit legal versteuerten Kraftstoffen mit großem Gewinn an ahnungslose Kunden verkauft. Der Fiskus selbst gibt an, dass im ersten Halbjahr 2012 gegen Schmuggler Geldstrafen in Höhe von knapp sechs Millionen Euro verhängt wurden. Die Fahndungsbilanz ist folglich sehr dürftig.

Der in Griechenland verbreiteten Legende nach bestand die Kreditgebertroika auf der Anhebung der Heizölsteuern, um angeblich mit diesem Mittel den Anreiz für Schmuggel zu verringern. Es erscheint jedoch wahrscheinlicher, dass die Troikaner von den Griechen schlicht die dem Verkaufsvolumen entsprechenden Staatseinnahmen einforderten. Denn wie sonst ist es erklärbar, dass Heizöl hoch besteuert wird, während das vollkommen identische Dieselöl für die Schifffahrt vollkommen steuerfrei bleibt?

Heizungssmog über Athen - weil Schmuggler unbehelligt bleiben?. Bild: W. Aswestopoulos

Schließlich griffen die Griechen während der aktuellen Wintersaison zu allen brennbaren Materialien, weil sie den Heizölpreis nicht mehr aufbringen konnten. Die griechischen Städte ersticken daher buchstäblich im Smog. Finanziell hat sich die Aktion für den Fiskus nicht gelohnt, statt Mehreinnahmen gab es einen dramatischen Rückgang der Heizölsteuereinnahmen. Wissenschaftler schlagen derweil Alarm, weil sie gesundheitliche Folgen, und damit indirekt auch einen weiteren Schaden für den Staat fürchten.

Es sollte in diesem Zusammenhang das Finanzamt und die Medien freuen, wenn Schmuggler auf frischer Tat ertappt werden. Den Fahndern der Küstenwache gelingt dabei der ein oder andere Achtungserfolg, über den jedoch kaum in den Medien berichtet wird. So schnappte die Küstenwache Alexandroupolis am 28. Januar 2013 einen Tanker, in dessen Tanks 43.467 Liter für den Export bestimmte Brennstoffe fehlten. Der Zugriff erfolgte in den Anlagen der Firma Aegean Oil des Multimilliardärs Dimitris Melissanidis, der sich seit 1975 vom buchstäblich armen Schlucker zu einem Mitglied der Forbes-Liste der Milliardäre mauserte. Festgenommen wurde der Kapitän des Schiffes.

Über einen ähnlichen, jedoch vom Umfang her größeren Fall systematischen Spritschmuggels berichtete Unfollow in seiner aktuellen Ausgabe. Es ging unter anderem um die Firma von Dimitris Melissanidis. Dessen ungeachtet hatte Charalambopoulos auch eine weitere Familie im Visier "Ölschmuggel: Wird das Gesetz des Schweigens für die Aegean Oil des D. Melissanidis und die ELPE von S.Latsis gebrochen?", titelte er seinen Leitartikel. Er präsentierte unter anderem einen Fall von Schmuggel, bei dem nicht nur der Kapitän eines Schiffes, sondern auch Melissanidis Bruder Iakovos als verantwortlicher Firmenmanager zu den Angeklagten zählt. Die Straftat fand 2001 statt, 2008 wurde sie entdeckt. Am Tag des Interviews, den 12. Februar 2013, wurde das Verfahren, bei dem es noch nicht zum Verlesen der Anklage gekommen ist, zum nunmehr fünften Mal auf den 1. März 2013 vertagt.

Charalambopoulos muss mit seinem Artikel, welcher die enge Verstrickung von Politik, Fiskus, Justiz und Schmugglern intensiv beleuchtet, Melissanidis gehörig auf den Schlips getreten haben. Denn per Telefon wurde ihm selbst, seiner Frau und seinen Kindern der Tod als Strafe angekündigt. Das Telefonat, welches von zwei Zeugen gehört wurde und von dem eine Tonbandaufzeichnung existiert, wurde von einem Anschluss der Firma Aegean Oil aus geführt. Der Mann, der einen Tag nach dem Erscheinen von Unfollow anrief, bezeichnete sich selbst als Dimitris Melissanidis.

Charalambopoulos im Interview

Die Verabredung mit dem Journalisten fand unter der Beachtung einiger Vorsichtsmaßnahmen statt. Zunächst wurde am Tag vorher die Zeit vereinbart. "Irgendwo im Zentrum Athens" sollte das Treffen zwischen 15 und 16 Uhr stattfinden. Per Email, dem bis dato einzigen, über einen gemeinsamen Freund hergestellten Kontakt, kam von Charalambopoulos um 15 Uhr die Nachricht, in welchem Cafe der Treff um 16 Uhr steigen sollte. Erst gegen 16:15 h traf Charalambopoulos, ein schlanker, großgewachsener Mann ein. Trotz des "Blind Dates" klappte das gegenseitige Erkennen postwendend. Charalambopoulos begann sofort nach der Begrüßung mit dem Duzen.