NSA und GCHQ: Bundesregierung gibt sich ahnungslos

Unions-Fraktion möchte sich an der Befragung des Innenministeriums im Ausschuss für Neue Medien gar nicht erst beteiligen

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Die Enthüllungen von Edward Snowden über die systematische Überwachung des Internets durch amerikanische und britische Geheimdienste bringen die Bundesregierung in Erklärungsnot. Das zeigte sich auch in der heutigen Sitzung des Unterausschusses Neue Medien, in der zwei Vertreter des Bundesinnenministeriums den Abgeordneten Rede und Antwort stehen mussten.

So versicherte Ulrich Weinbrenner vom Bundesinnenministerium, die Bundesregierung habe erst durch die Presseberichte im Guardian und der Washington Post von den Überwachungsmaßnahmen Kenntnis erhalten. Daraufhin seien die Bundesbehörden nach ihrem Wissen über das Abhörprogramm PRISM befragt worden - keine einzige, vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) über das Bundeskriminalamt bis hin zum Verfassungsschutz hätten angeblich von einem derartigen Programm gewusst. Zudem habe man der US-Bortschaft am 10. Juni einen Fragebogen zugesandt, der aber bisher noch nicht beantwortet worden sei.

Die Abgeordneten fast aller Fraktionen zeigten sich im Unterausschuss besorgt über die Überwachungsmaßnahmen. Lars Klingbeil (SPD) wollte vom Innenministerium wissen, ob es denn allgemein bekannt gewesen sei, dass es derartige Programme gäbe, und warum die deutschen Geheimdienste nicht besser Bescheid wüssten. Daraufhin räumte Weinbrenner ein, dass grundsätzlich niemand, der sich mit der Materie befasse, über PRISM grundsätzlich überrascht sein könne.

Über die genaue Qualität und Quantität des Programms will er aber nichts gewusst haben. Auf Klingbeils Frage, ob das Bundesinnenministerium PRISM für verhältnismäßig halte, ging Weinbrenner nicht ein. Innenminister Hans-Peter Friedrich hat sich bereits als Befürworter von PRISM geoutet, da die USA "immer wieder wichtige und richtige Hinweise" geliefert hätten.

Konstantin von Notz (Grüne) interessierte sich dafür, wie der Dialog zwischen Angela Merkel und US-Präsident Barack Obama fortgeführt werden soll, den die Kanzlerin beim Besuch des Präsidenten ankündigte. Immerhin könne dieser ja auch darauf abzielen, sich Tipps zum Aufbau einer eigenen Überwachungsstruktur zu verschaffen. Weinbrenner erklärte daraufhin, dem Innenministerium sei nur bekannt, was Angela Merkel auf der Pressekonferenz äußerte und was in den Medien veröffentlicht wurde. Das Bundeskanzleramt habe die internen Vermerke zu dem Gespräch der Kanzlerin mit dem Präsidenten noch nicht an das Innenministerium weitergeleitet.

Zudem wollte von Notz wissen warum Deutschland keine Erkenntnisse von dem Programm habe, während Partnerländer die gewonnenen Daten untereinander bereits austauschen. Weinberg ließ die Abgeordneten daraufhin wissen, dass es in der nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit die Regel gebe, lediglich Erkenntnisse weiterzugeben - aber nicht, wie und woher man diese gewonnen hat. Auf Nachfragen dazu würde man ohnehin keine Antwort erhalten. Seinen Aussagen zufolge vertrauen die Partnerdienste untereinander blind darauf, dass sie sich jeweils an die nationalen Rechtsgrundlagen halten.

Mehrfach fragten die Abgeordneten kritisch nach, ob man nicht die nationalen Regeln umgehe, wenn die Geheimdienste jeweils die Bevölkerung der anderen Länder überwachen, die Daten aber hinterher untereinander austauschen. Eine befriedigende Antwort darauf konnte das Innenministerium nicht liefern. Weinbrenner verwies lediglich darauf, dass der BND durch das Parlamentarische Kontrollgremium und das Bundeskanzleramt kontrolliert werde, und sich auch die Dienste in den anderen Ländern jeweils an die Gesetze halten müssten.

Diese schwammige Aussage dürfte den Verdacht, dass die westlichen Geheimdienste gegenseitig die Bevölkerung des jeweils anderen Landes überwachen, um die Erkenntnisse dann untereinander auszutauschen, nur noch weiter nähren. Dass die Geheimdienste untereinander nicht offen legen, wie sie an Daten kommen, macht das Vorgehen um so wahrscheinlicher - schließlich kann sich so jeder jederzeit auf den Standpunkt stellen, von Rechtsbrüchen der Gegenseite nichts gewusst zu haben.

Der FDP-Abgeordnete Jimmy Schulz fragte, ob sich die Bundesregierung die Entwicklung eines eigenen Trojaners nicht sparen könne, wenn auch mittels PRISM Skype-Telefonate abgehört werden könnten. Dieses Einsparpotenzial sieht das Innenministerium jedoch derzeit nicht: Es sei nicht möglich, die Inhalte mitzuhören; der Trojaner sei deshalb weiter notwendig.

Ausgesprochen ruhig blieb es während der Anhörung in den Reihen der Union. Diese stellte keine einzige Frage an das Innenministerium. Marco Wanderwitz (CDU) lies die Zuhörer wissen, dass seine Fraktion es jetzt für richtig halte, viele Informationen zu gewinnen. Wenn man dann mehr weiß, werde man sich damit befassen. Aus diesem Grund gebe es derzeit keine konkrete Nachfrage an das Innenministerium.