Inselmanie für die Superreichen

Die Emirate versuchen sich in architektonischen Wunderwerken zu übertrumpfen

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Wer in Beirut etwas auf sich hält, fliegt mindestens einmal im Jahr nach Dubai, an den sagenhaften Ort, wo alles größer, besser und moderner ist. So wird es jedenfalls kolportiert, gerade in der arabischen Welt. Dubai, das Paradies der Gigantomanie, wo man all jenes findet, was im Rest der Welt unmöglich ist. Ende 2006 will man dort erneut mit Pomp und Gloria architektonische Wunderwerke einweihen: "Die Palme" und "Die Welt", zwei künstliche Inseln im Persischen Golf als Residenzen der Superreichen. Aber diesmal ist Dubai nicht alleine, auch andere Golfstaaten sind der "Inselmanie des absoluten Luxus" verfallen.

12.000 Palmen, 14 Millionen Kubikmeter Fels und 100 Millionen Kubikmeter Sand werden alleine für den Bau des Projekts "Die Palme" benötigt. Sie wird gleich in doppelter Ausführung gebaut. Mit allen verwendeten Baumaterialien könnte man eine zwei Meter hohe und einen halben Meter dicke Mauer dreimal rund um die Erde errichten. "Die Welt" wird aus 250 bis 300 kleineren Privatinseln bestehen, verbunden mit einem Boot-Shuttel-Service, der die Inselbewohner in 15 Minuten zum Festland bringt. Dubai bekommt durch die beiden Projekte 200 Kilometer zusätzliche Küstenlinie. Insgesamt werden die Baukosten für die Inseln im Persischen Golf zwischen 14 und 20 Milliarden Dollar geschätzt. Mit diesen ungeheuren Investitionen will man einen Ort des absoluten Luxus für die Superreichen dieser Erde schaffen: Exklusive Restaurants und Einkaufszentren, Yachthäfen und Heliport, Wellness-Zentren und 7-Sterne Hotels, wo die Nacht 2000 Dollar kostet. Hinzukommt das Luxusappartement oder die Villa mit großzügigem Privatstrand. Ein Refugium der Millionäre und Milliardäre, wo sie ganz für sich, vom Rest der Welt abgeschottet sind.

Ein exterritoriales Gebiet, das nichts von der "Enge" der Luxus-Ghettos hat, in denen sie normalerweise in Rio de Janeiro, Kapstadt, Los Angeles, New York, Casablanca oder Beirut leben, hinter hohen Mauern, von Kameras und Sicherheitsdiensten geschützt. Auf den Inseln ist der Blick frei und man ist ausschließlich von Seinesgleichen umgeben. Darin liegt wohl das Erfolgsgeheimnis des "Insel-Marketing".

Der Verkauf der Immobilien sei nur eine Frage von Tagen gewesen, obwohl man bereits für eine größere Eigentumswohnung zwei Millionen Dollar bezahlen musste. Für "Luxus-Villen", "Stadthäuser" und "Wasserhäuser" mit einem Grundbesitz von 7.000 Quadratmetern galt es einige Millionen mehr draufzulegen. "Die Palme war ein internationaler Erfolg", stellte Sultan Ahmed bin Sulayem, der Vorsitzende von Al Nakheel Properties, eine der Investmentfirmen, zufrieden fest. "Die Käufer kommen aus 70 verschiedenen Ländern." Darunter saudische Prinzen, Kinostars aus Indien, der englische Fußballstar David Beckham und auch Sänger Michael Jackson, der sich unmittelbar nach seinem Kindermissbrauchprozess nach Dubai zurückgezogen hatte. Knapp fünf Jahre nach Baubeginn sollen sich die Immobilienpreise bereits verdoppelt haben. Als Geschäftspartner der "Al Nakheel Properties" stieg sogar Donald Trump ein, der bekanntlich ein Gespür für gelungenes Investment haben soll. Er baut das "Palm Trump International Hotel and Tower", als "Zentrum des Luxus" direkt auf der Promenadenmeile der künstlichen Insel. "Für uns ist das eine Mega-Gelegenheit", kommentierte Trump seinen Vertrag mit "Al Nakheel", "die Marke Trump weltweit zu promoten".

Der finanzielle Erfolg des Inselprojekts von Dubai sorgte sehr bald für Nachahmer. Katar startete das Immobilienprojekt "Die Perle". Für 2,5 Milliarden Dollar wird eine 4 Millionen Quadratmeter große Insel in Form einer Perle vor der Küste gebaut. Ebenfalls ausschließlich für ein Luxus-Klientel. 30.000 Menschen sollen dort einmal leben, die als Immobilieneigentümer wie in Dubai das Recht auf eine lebenslange Aufenthaltsgenehmigung bekommen. Bis es soweit ist, müssen gigantische 1 Milliarde Kubikmeter Sand und 87 Millionen Tonnen Fels verbaut werden.

Im Oman baut man westlich der Hauptstadt Muscat, "Die Welle", natürlich auch eine Luxus-Erholungszentrum im Meer. Mit 805 Millionen Dollar allerdings wesentlich kleiner dimensioniert als andere Vorhaben. In Bahrain investiert man dagegen 1,2 Milliarden Dollar und konstruiert die "Wachsende Perle", die sich aus insgesamt 13 Inseln zusammensetzt. 2.000 Villen und 3.000 Appartements will man an Ausländer verkaufen. 2009 soll die Insel fertig sein, die dann größer als die Hauptstadt Manama wäre. Man rechnet mit 30.000 Inselbewohnern und täglich 4.000 Besuchern. Vor kurzem wurde in Saudi-Arabien mit dem Bau der 26,6 Milliarden Dollar teuren "King Abdullah Economic City" begonnen. In der Nähe der Stadt Rabigh, etwa 150 Kilometer von Jeddah entfernt, hat die Regierung ein 55-Millionen Quadratmeter großes Gelände, sowie einen 35 Kilometer langen Küstenstreifen für das Megaprojekt ausgewählt. In diese "Ökonomie-Stadt" will man den größten Seehafen der Welt, einen Industriepark, eine Wohnanlage für 3.500 Menschen und einen Hotel-Komplex integrieren. Dazu Abfertigungshallen für eine halbe Million Mekka-Pilger, die jedes Jahr per Schiff ankommen. Selbstverständlich wird es auch eine künstlich geschaffene Insel geben. Diesmal aber keine Luxus-Wohnanlage, sondern eine "Finanzinsel", die eine Fläche von 500.000 Quadratmetern umfasst. Überragt wird das Finanzzentrum von zwei 60 und 100 Stockwerken hohen Türmen, zwei riesige Säulen als Insignien der Macht, in denen täglich 60.000 internationale Fachleute arbeiten sollen. Mit der "King Abdullahs Economic City" werden 500.000 neue Arbeitsplätze erwartet. In zwei Jahren soll ein Teil der Stadt bereits in Betrieb gehen.

Von der ökologischen Belastung für das Rote Meer wird von den Betreibern nicht oder nur ungern gesprochen. Genauso wenig wie bei den Inseln im Persischen Golf. Bei den Bauarbeiten der "Palmen-Insel" vor Dubai wurde eines der für das Ökosystem des Meeres so wichtigen Korallenriffe zerstört. Zudem verändern die neuen Inseln die natürlichen Wasserströmungen. Die Auswirkungen sind noch nicht abzuschätzen. Von der Betreiberfirma "Al Nakheel" werden alle Vorwürfe zurückgewiesen. "Der Grund der See in Dubai", sagte Sultan bin Sulayim, der Vorsitzende der Firma, "ist wie eine Wüste, flach und sandig. Ohne Leben und keine Umgebung für Fische." Vertreter von "Wild Life Fund" in Dubai hielten dagegen, dass das einzig verblieben Korallenriff jetzt nicht mehr vorhanden ist. "Die Nistplätze der Schildkröten sind zerstört und das kristallklare Wasser ist nun matschig trüb", sagte Dr Frederic Launay. Ironischerweise wurde eine der neuen Inseln ausgerechnet in ein Gebiet gebaut, das vorher Naturschutzgebiet war. In Bahrain nennte sich eine Insel "Seepferdchen". Aber auch hier wird durch den Neubau im Meer ein Korallenriff zerstört. Die für Bahrain so bekannten Seepferdchen wird es dann nicht mehr geben. Sie verschwinden beim geringsten Umschwung im Ökosystem. Ein Drittel aller Riffe des Landes wurden in den letzten 20 Jahren durch Landgewinnung und Veränderungen der Küste zerstört.

Beim Bau der "Palm-Insel" in Dubai ist es zu Verzögerung gekommen. Die Konstruktion sei immer wieder leicht abgesunken. Stabilität ist gerade in diesem Gebiet sehr wichtig. Als es 2003 im iranischen Bam das schwere Erdbeben gab, war es auch noch in den Vereinigten arabischen Emiraten zu spüren. Die Region mit Katar und Bahrain ist ein gefährdetes Gebiet. Bis zu vier Meter hohe Wellen kann die Konstruktion der neuen Luxus-Inseln angeblich auffangen. Ob das im Notfall allerdings genügt, ist nach den Erfahrungen mit dem Tsunami von 2004 zu bezweifeln. Das letzte stärkere Erdbeben fand in den Emiraten im März 2002 statt, mit dem Epizentrum in der Stadt Masafi. Damals wurden 5,1 auf der Richterskala gemessen. Stärkere Erdbeben sind aber nicht auszuschließen. Schon ein 6.5-Beben könnte, laut einem Bericht des Azm S. Al Homoud, Professor der American University of Sharjah in den Emiraten, Hunderten von Menschen das Leben kosten. Sein Bericht stammt aus dem Jahr 2003 und hat die neuen Inseln noch nicht mit ins Kalkül gezogen.