Tellerwäscher bleibt Tellerwäscher

Nach der Analyse eines amerikanischen Wirtschaftswissenschaftlers sind die Aufstiegschancen in den USA weitaus geringer als in den meisten europäischen Ländern

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Die USA gelten noch immer manchen als Land, in dem die Karrieren nach dem Motto “Vom Tellerwäscher zum Millionär” durchlässiger als in vielen anderen Gesellschaften sein sollen. Doch das „Land der Möglichkeiten“ mit seinem „American Dream“ hat, zumindest nach der Analyse eines amerikanischen Wirtschaftswissenschaftlers, diese Möglichkeiten weitgehend zugeschüttet. Wer arm ist, bleibt in aller Regel arm, wer in der unteren sozialen Schicht geboren wird, hat kaum eine Chance aufzusteigen.

Eine Umfrage der New York Times zeigt, dass offenbar viele Amerikaner auf den Mythos setzen. 80 Prozent haben 2005 der Aussage zugestimmt, dass es möglich ist, arm zu beginnen, hart zu arbeiten und reich zu werden. Die Hoffnung ist übrigens interessanterweise angestiegen. An die Aufstiegsmöglichkeiten glaubten 1983 noch weniger als 60 Prozent. 1999 war diese Hoffnung noch nicht so ausgeprägt, aber immerhin stimmten in den USA 61 Prozent der Aussage zu, in anderen Ländern waren die Menschen weniger optimistisch: Kanada 49%, Österreich 40%, 33% Großbritannien, Frankreich 23%.

Nach der Studie Understanding Mobility in America des Wirtschaftswissenschaftlers Tom Hertz von der American University ist die soziale Mobilität in den USA geringer als in vielen anderen Ländern. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind, das in eine arme Familie geboren wird, in die obersten 5 Prozent aufsteigen kann, beträgt ein Prozent. Für ein Kind, das in einer reichen Familie geboren wird, liegt die Wahrscheinlichkeit dagegen bei 22 Prozent, auch als Erwachsener reich zu sein. Für die verhinderte Mobilität spielt neben dem Einkommen natürlich auch Rasse, Wohnort und Bildung eine erhebliche Rolle. Schwarze Kinder, die in Familien im unteren Einkommensviertel geboren wurden, bleiben mit doppelter Wahrscheinlichkeit wie weiße Kinder von Familien mit gleichen Einkommen hängen und haben eine vier Mal geringere Chance des Aufstiegs. Bildung ist jedoch ein herausragender Faktor, der nach Hertz für 30 Prozent der Einkommenshöhe verantwortlich ist, so dass die Förderung einer höheren Chancengleichheit in der Ausbildung die Aufstiegsmöglichkeiten wesentlich erhöhen und so die Ungleichheit abbauen könnte.

Das klingt einigermaßen plausibel, eher verwundert schon, warum es nur ein Fünftel ist. Verspielen die anderen 80 Prozent den ererbten Reichtum? Zudem ist die Wahrscheinlichkeit für die Reichen höher, die soziale Stufenleiter abzurutschen. Allerdings hat Hertz nur das Einkommen erfasst, nicht den übrigen Besitz (Aktien, Grundstücke etc.) eines Haushalts. Gleichwohl ist es so, dass ein in einer reichen Familie Geborener schlichtweg eine zwanzigmal höhere Chance hat, reich zu werden, als ein Kind aus einer armen Familie. Hertz hatte für seine Studie 4.000 Kinder überprüft, die 1968 noch repräsentativ für die Bevölkerung waren. Das Einkommen der Eltern dieser Kinder im Alter zwischen 0 und 18 Jahren wurde 1968 festgestellt, das der Kinder wurde 1995, 1996, 1997 und 1999 eruiert. Migranten wurden allerdings in der Erhebung nicht erfasst.

Von Chancengleichheit lässt sich da kaum reden, zumal Hertz Vergleiche zu anderen Ländern zieht. Zwar liegt Großbritannien, derzeit auch in Deutschland als Vorbildland gepriesen, auf gleicher Stufe wie die USA, beide Musterstaaten des kapitalistischen Liberalismus aber liegen, was die generationenübergreifende Mobilität betrifft, weit hinter anderen Ländern Europas zurück. Wenn man schaut, so Hertz, ob sich das Einkommen reicher Eltern auf die Kinder überträgt, so ist das in den USA mit einer Wahrscheinlichkeit von 22 Prozent so, in Dänemark aber nur mit 2 Prozent. Deutschland schneidet mit 10 Prozent besser ab, doch die skandinavischen Länder und Kanada zeigen ein weit höhere Mobilität oder eine weit geringere Verkrustung.

Nach der Untersuchung ist auch die Wahrscheinlichkeit vor allem für die Mittelschicht von 13 auf 16,6% angestiegen, jährliche Einkommensverluste von 20.000 Dollar und mehr hinnehmen zu müssen. Nur bei den Haushalten im Einkommensbereich des obersten Fünftels haben sich keine Veränderungen ergeben. Die Haushalte mit einem jährlichen Einkommen über 120.000 konnten sogar einen Rückgang des Risikos erfahren.