Rechtsschutzversicherung gegen Betrug bei Online-Geschäften

"Internet-Rechtsschutz" von AOL und ARAG soll zumindest die kleinen Kümmernisse lindern

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Auf eine Rechtsschutzversicherung, die die immensen Risiken im Internet bis in Millionenhöhe absichert, wenn man auf Ebay die falschen CDs verkauft, die falsche E-Mail-Adresse nutzt oder für seine Grillparty den falschen Stadtplan ins Netz gestellt hat, werden wir auch weiter vergeblich hoffen – nein, die wirklich großen Risiken, die Menschen ruinieren können, die will selbstverständlich keine Versicherung abdecken. Aber zumindest gegen die kleinen Gaunereien beim Online-Kauf, die zwar längst nicht so katastrophale Auswirkungen haben, da man bei ihnen maximal das eingesetzte Geld verlieren kann, was im Einzelfall aber auch sehr ärgerlich sein können, kann man sich nun rechtsschutzversichern.

Wer hat noch nicht auf dem Flohmarkt schon mal etwas gekauft, das zuhause dann doch kaputt war – oder bekam als Verkäufer Ware für 3 Euro abgekauft und für 30 Euro geklaut? Risiko und einer der Gründe, warum viele Flohmarktverkäufer ab 1998 auf Alando und später Ebay & Co. umstiegen – endlich nicht mehr um 5 Uhr früh aufstehen und den ganzen Tag am Stand stehen müssen, sondern erst verkaufen und dann die Ware aus dem Keller graben und zur Post schleppen.

Natürlich „vergaß“ dann schon mal ein Käufer zu zahlen. Pech, wenn dann jemand aus der Familie schon netterweise das Paket zur Post gebracht hatte. Normal aber nur ärgerlich, weil man den Artikel erneut anbieten musste. Ebenso gab es schon mal vermeintliche HiFi-Tonbandgeräte, die sich nach dem Auspacken als alte museumsreife Röhren-Möhren erwiesen, was jedoch insofern nicht so tragisch war, als der Bote vom Hermes-Paketdienst gleich drei weitere Pakete für andere Käufer kurzerhand mit abgegeben hatte und der Verkäufer keine Probleme damit hatte, die „Möhre“ zurückzunehmen und sich keinen Ebay-Minuspunkt einzufangen, wenn er dafür erfuhr, wo seine restlichen verschickten Sachen nur so urplötzlich abgeblieben waren. Und es gab auch schon mal Online-Shops, bei denen nicht nur der HTML-Code geklaut war, sondern auch die Ware nicht existierte.

Auch Online wird betrogen

Für solche Fälle gibt es den Ebay-Käuferschutz und die Polizei. Doch der erste kennt viele Ausreden und die zweite tritt erst in Aktion, wenn ein offensichtlicher Betrug vorliegt – bei „Möhren“ ist sie nicht zuständig, das ist dann ein Fall für den Zivilrechtsweg. Wer sich auf Geschäfte mit dem Ausland eingelassen hat, kommt hier auch nicht weiter, weil es viel zu teuer ist, jemand in USA, UK oder Hongkong zu verklagen, und das vermeintlich sichere Paypal bietet Verkäufern, die ins Ausland versenden, eher wenig Schutz. Nur dumm gelaufen, wenn es ein kleiner Artikel war, blöd, wenn es sich um etwas Teures handelt, das jeder gut brauchen kann – Notebooks sind da ein typischer Fall. Oder der besonders günstige Urlaub von „Fly Away Airlines“, der nach der Überweisung des Ticketpreises genau selbiges tat – davonfliegen und sich in Luft auflösen.

Mancher rächt sich dann mit einer Website an dem Betrüger (Rache ist online) oder dreht den Spieß kurzerhand um (Wir basteln uns ein Apple G4 P-P-P-Powerbook). Doch es muss nicht immer grober Betrug sein, manchmal ist die Ware durchaus existent, aber einfach nur mangelhaft und auch dann wird es schwieriger, seine Ansprüche durchzusetzen, wenn der Gegenpart im Ausland sitzt.

Der "AOL Internet Rechtsschutz" soll nun – nein, nicht vor dem bekanntermaßen immer sehr gehobenen Niveau der Kunden dieses Providers schützen. Dieser „Internet-Rechtsschutz“ sichert vielmehr „private Online-Verträge“ ab. Er tritt weltweit bei rechtlichen Differenzen aus privaten Verträgen ein, die über das Internet geschlossen wurden, also alle online abgeschlossenen Verträge, zum Beispiel der Kauf von Kleidung oder technischen Geräten, ob auf Ebay oder im Shop eines Händlers, dann Verträge mit Reise- und Verkehrsunternehmen, beispielsweise für Pauschalreisen, Flugtickets, Kreuzfahrten und Hotels, sowie Finanzdienstleistungsverträge, wie Online-Banking, Darlehen und Versicherungen.

Nicht jeder Betrug ist versichert

Wenn man allerdings mit AOL einen Streit über die Abrechnung hat, dürfte es mit dem „AOL Internet Rechtsschutz“ vermutlich eher schlecht aussehen und auch sonst schließt das anbietende Versicherungsunternehmen, die ARAG, wie jede Rechtsschutzversicherung viele Fälle aus. Kommt man darüber mit dem Unternehmen in Streit, so ist der von der ARAG zur Schlichtung beauftragte Anwalt dann allerdings abgedeckt. Und es ist anscheinend auch nicht erforderlich, AOL-Kunde zu sein, um den Versicherungsvertrag bei der ARAG abzuschließen.

Die von der Rechtsschutzversicherung abgedeckten Verträge müssen also online geschlossen sein – ein Vertrag über eine Online-Dienstleistung, der aber offline geschlossen wurde, dürfte mit Ausnahme von Provider-Verträgen ebenso ausgeschlossen werden wie alles, was zwar eine online entstandene Streitigkeit darstellt, aber nicht auf einem von zwei Parteien freiwillig und willentlich eingegangenen Vertrag beruht. Wenn der Sohn also alte Computerbild-Hefte bei Ebay verkauft, von denen eins unwissentlich einen seit Herbst 2003 verbotenen Kopierschutzknacker enthält, und dann mit der Musikindustrie aneinandergerät (Teurer Spaß), so greift die Versicherung nicht, weil der Verkäufer mit der Musikindustrie gar keinen Lizenzvertrag eingehen will, sondern nur diese mit ihm. Ähnlich ist es bei einem Anfahrtsplan zur Abifete, der Tchibo-CD, dem Anwalt, der dem Online-Spieler an die E-Mail will (Email-Klau über den Weg des Domainklaus ist legal) oder dem Jungen, der "free Wallpapers" für freie Bilder hält.

Auch hier bleiben also alle wirklichen Risiko-Themen wie Marken-, Namens- und Urheberrechte wieder mal außen vor, was aber nicht wirklich verwundert bei einer Police, die mit knapp 4 Euro im Monat und einer allerdings 80 Euro hohen Selbstbeteiligung keine Risiken im ein- oder zweistelligen, aber auch keine im sechsstelligen Bereich abdecken will – die maximale Schadenssumme ist auf 30.000 Euro begrenzt. Zudem würde ja die Abschreckwirkung der Abmahnungen, die bei der Musikindustrie klar als Strafe gedacht sind, entfallen, selbst wenn wirklich nur versehentliche, unbeabsichtigte Fälle abgesichert wären. Und auch der Fall, dass fremde Personen über den E-Mail-Account Zugriff auf die eigenen Shoppingaccounts bekommen, beispielsweise Kollegen in der Mittagspause oder Fremde über Domaingrabbing oder Markenrechtsprozesse, ist nicht abgedeckt, da der Dritte, der ungewollt mit den eigenen Daten Zugriff erhält, wiederum kein von beiden Vertragsparteien aktiv gewünschter Vertragspartner ist. Außerdem ist natürlich nicht etwa der Schadensfall selbst abgesichert, sondern nur die Einschaltung des Rechtswegs, um dem Gegner auf den Pelz zu rücken. Stellt sich dieser als ein unauffindbares Phantom heraus und das Geschäft wurde nicht auf einer juristisch greifbaren Handelsplattform abgeschlossen, so hilft auch die Rechtsschutzversicherung nicht weiter.

Online-Shopping soll erleichtert werden

Prof. Dr. Jo Groebel, Präsident des Deutschen Digitalen Instituts und Mitglied des AOL Sicherheitsrats, begrüßt dennoch pflichtgemäß den neuen Service:

Mit der Internet Rechtsschutz Versicherung werden Verbraucher in die Lage versetzt, ihre Rechte gegenüber Unternehmen tatsächlich auszuüben. Die Verbreitung einer solchen Versicherung hat Ausstrahlungswirkung auf die gesamte E-Commerce-Branche und steigert die Sicherheit bei Transaktionen über das Internet.

Und da sieht man natürlich die Intention des prinzipiell durchaus positiven Angebots: Bedenken vor dem Online-Einkaufen auszuräumen, insbesondere, wenn man schon einmal auf die Nase gefallen oder umgekehrt noch eine Online-Shopping-Jungfrau ist. Rechtsstreitigkeiten nichtkommerzieller Art, die also nicht auf Verträgen beruhen, sondern reiner Bösartigkeit eines der Beteiligten, sind also nach wie vor nicht absicherbar, ebenso wie die zahlreichen Varianten der Abmahnung, bei denen inzwischen sogar schon die Bundesjustizministerin in einem offenen Brief um Hilfe gebeten wird, die aber selbst bislang auch nur verkündet hat, wiederum nur gegen das Abzocken von rein passiven „Internet-Konsumenten“ vorzugehen – diejenigen, die das Netz mit E-Mail, Newsgroups, eigenen Websites oder auch nur Forenbeiträgen aktiv gestalten (Neudeutsch: „Web 2.0“), laufen auch zukünftig maximales Risiko, obwohl gerade sie das Netz überhaupt zu dem interessanten Platz gemacht haben, der es heute ist.

Ein Trost bleibt allerdings: Es kann mit dem ARAG-Rechtsschutz auch kein derartiger Angriff gestartet werden, denn das wäre dann kein privater Rechtsstreit mehr…