Das Geschäft mit den Terrorismuswarnungen

Der von der Bundesanwaltschaft verfolgte Anschlagsplan von Frankfurt war eine Luftblase

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In den USA hat sich die Regierung darauf eingestellt, eine permanente Terrorgefahr hochzuhalten. Mit dem seit einiger Zeit schicker gestalteten National Threat Level ist die Gefahr terroristischer Anschläge weiterhin auf „erhöht“ gesetzt, obgleich in den USA weder Terroranschläge stattgefunden haben noch ernsthafte Planungen aufgedeckt wurden, während im Irak Tag für Tag Anschläge mit vielen Toten und Verletzten stattfinden. Dort ist man übrigens einmarschiert, um die Terrorgefahr zu bekämpfen und die Welt sicherer zu machen.

Auch in Großbritannien, wo man wie vieles andere auch die schöne Idee des Bedrohungsgrads vom Großen Bruder übernommen hat, hält man eisern und unerschütterlich an der Bewertung „ernsthaft“ bzw. an der Warnung vor der hohen Wahrscheinlichkeit eines unmittelbar drohenden Terroranschlags fest, sorgt immer einmal wieder für gerade noch aufgedeckte Anschlagspläne und warnt beständig vor der terroristischen Gefahr im Inland, die immer und überall zuschlagen kann. Die Strategie ist durchsichtig und vor allem politisch motiviert.

Nun hat sich auch der von der Bundesanwaltschaft groß verkündete Schlag gegen sechs Männer, die „für bislang unbekannte Hintermänner einer terroristischen Vereinigung“, die die schöne Formulierung heißt, „Vorbereitungen für einen Sprengstoffanschlag auf ein Verkehrsflugzeug“ begonnen hätten, als aufgebauschte Meldung entpuppt. Das Bundesinnenministerium sprang schnell auf den Wagen der Terrorwarnung auf. Stefan Keller, der Sprecher des Bundesinnenministeriums, verkündete nach der Bekanntgabe der Bundesanwaltschaft, der Fall sei ein Beweis, dass es sich bei der stets propagierten Bedrohung durch Terroristen um keine rein abstrakte Gefährdung handele. "Wir müssen damit rechnen, dass es immer wieder Gruppen gibt von Leuten, die konkrete Anschlagsplanungen in sich tragen." Im Innenministerium und von anderen Stellen hieß es, dass die „Verhinderung“ des Anschlags „ermutigend“ sei und zeige, dass die eingeführten Maßnahmen wirksam seien.

Nachdem von den sechs zunächst festgenommenen Männern fünf umgehend wieder auf freiem Fuß gesetzt wurden, war zwar an sich schon deutlich, dass die Sache nicht so bedrohlich sein konnte, wie es zunächst klang und von den Medien – es handelt sich ja um eine offizielle Mitteilung der Bundesanwaltschaft – brav weiter gegeben wurde. Als Beispiel nur ein Kommentar in der Welt:

Deutschland im Visier
Erst in der vergangenen Woche warnte Generalbundesanwältin Monika Harms, das vermeintliche Sicherheitsgefühl der Deutschen vor möglichen terroristischen Anschlägen könne „trügerisch“ sein. Wie Recht sie hatte.

Wie immer hatten fast alle etwas davon: die Bundesanwaltschaft konnte zeigen, dass man aktiv und auch präventiv erfolgreich ist, manche Politiker konnten daraus die Bestätigung ziehen, dass ihre propagierten und durchgesetzten Antiterror- und Überwachungsmaßnahmen gerechtfertigt seien und die Bedrohungslage konkret sei, und die Medien hüpfen bei so einem Thema natürlich an, denn Terror ist immer eine gute Nachricht. In der Bevölkerung wird, wie das erst jüngst beim Fall der Berliner Oper geschehen ist, von allen Beteiligten Angst und Hysterie geschürt. Die Süddeutsche schreibt heute:

Wie die SZ aus Sicherheitskreisen erfuhr, hatten die Ermittler den Fall wegen seiner Nichtigkeit aber längst zu den Akten gelegt. Auch Hintermänner der Tat, von denen die Bundesanwaltschaft gesprochen hatte, gab es nach Angaben der Sicherheitskreise nicht.

Eine wirkliche Aufarbeitung findet in der Regel nicht statt. Die Bundesanwaltschaft weist, wie nicht anders zu erwarten, jede Kritik zurück. Der SZ sagte ein Sprecher, man habe sich natürlich „vollständig korrekt“ verhalten. Die Mitteilung über die Maßnahmen der Ermittlungsbehörden sei vielmehr ein Zeichen der neuen Offenheit. Überdies habe man niemals Panik geschürt und „von Anfang an gesagt, dass der Anschlag nicht einmal in die Nähe der Umsetzung gelangt war“. Das liest sich in der offiziellen Mitteilung jedoch schon ein wenig anders, auch wenn man sich bei der Bundesanwaltschaft dies anders gedacht haben mag:

Die Beschuldigten sind verdächtig, in der Bundesrepublik Deutschland für bislang unbekannte Hintermänner einer terroristischen Vereinigung mit den Vorbereitungen für einen Sprengstoffanschlag auf ein Verkehrsflugzeug begonnen zu haben. Zu diesem Zweck traten im Sommer 2006 mehrere Beschuldigte an eine Person heran, die Zugang zum Sicherheitsbereich eines Flughafens hatte. Diese Person erklärte sich bereit, gegen Entlohnung einen Koffer oder eine Tasche mit Sprengstoff in ein Verkehrsflugzeug zu schmuggeln. Aus dem Kreis der Beschuldigten ist daraufhin mehrfach mit den bislang unbekannten Hintermännern Kontakt aufgenommen worden, ohne eine endgültige Einigung über die Höhe der versprochenen Entlohnung erzielen zu können.

Die am Freitag und Samstag durchgeführten Maßnahmen der Ermittlungsbehörden dienten dem Ziel, Beweismaterial über den Stand der Planungen, die daran beteiligten Personen und Hintermänner sowie über die den Auftrag erteilende terroristische Gruppierung zu gewinnen.

Auch in der Süddeutschen, die nun immerhin über die Schlappe aufklärt und Kritik am Alarmismus äußert, stand zu Beginn freilich die weitgehend unkommentierte Weitergabe der Meldung aus der Bundesanwaltschaft: Terrorverdächtige planten Anschlag auf Flugzeug in Deutschland. Solche schnellen medialen Schüsse sind allerdings Teil des Alarmismus. Und wenn die Süddeutsche über die Aufbauschung aufgrund von Informationen „hoher Sicherheitsverantwortlicher in Berlin“ berichten konnte, dann weist dies zwar darauf hin, dass in den Reihen der „hohen Sicherheitsverantwortlichen“ vernünftige und kritische Menschen zu finden sind. Sie müssten sich aber endlich einmal deutlicher zu Wort melden und das Feld nicht den Politikern überlassen. Das wären sie nicht zuletzt den Bürgern schuldig.