Netz-Kult um ResistantX

ResistantX auf dem Weg zum Internet-Star, zumindest für ein paar Tage sollte es reichen

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Der Netz-Kult um den Amokläufer nimmt immer bizarrere Formen an. Inzwischen ist nämlich nicht nur ein Kondolenzbuch online. Auch das Tagebuch des Bastian B., aus dem Auszüge bereits bei Bild.de nachzulesen waren, wurde mittlerweile eingescannt und auf dieser Seite veröffentlicht. Zudem hat, glaubt man den Angaben von Video.Google.de, der Betreiber der Netzseite KeinMensch.de, das letzte gut vierminütige Video des 18-jährigen Schülers via VideoGoogle veröffentlicht. Ein erschreckendes und gleichzeitig trotz seines extrem machohaften Gebarens ("This is my life, this is my gun") anrührendes Video-Dokument, das ResistantX angeblich einen Tag vor seinem Selbstmord-Amoklauf aufgenommen haben soll und in dem er den Krieg erklärt.

Auf KeinMensch.de konnte man zuvor schon für kurze Zeit den Abschiedsbrief von ResistantX als Kopie einsehen. Doch der Betreiber dieser Seite wurde offensichtlich ziemlich schnell von der Polizei kontaktiert. „Dennoch", schreibt er auf seiner Homepage, „wurde auch ich von der Kriminalpolizei angerufen und ,gebeten', den Brief, so wie anderes ,geistiges Eigentum der verstorbenen Person', aus dem Netz zu nehmen." Was tatsächlich ziemlich absurd ist, weil die Bilder und der Text, also der Abschiedbrief, die auf dieser Homepage und bei KeinMensch.de veröffentlicht wurden, gleich in mehreren Zeitungen komplett einsehbar gewesen sind. Nur im Netz sollen sie halt verschwinden. Warum eigentlich?

Und solch ein Vorgehen macht zudem überhaupt keinen Sinn. Wer sich heute nämlich im Netz umschaut, der findet an den verschiedensten Orten nahezu alle irgendwie inkriminierten Dateien des Selbstmord-Amokläufers - trotz der augenscheinlich äußerst peniblen Bemühungen der Polizei und der damit zusammenhängenden Löschaktion. Oder besser gesagt: gerade wegen der Bemühungen, die Netzspuren des 18-Jährigen verschwinden zu lassen, tauchen sie überall wieder auf. Ein zwar bizarres Hase-und-Igel-Rennen, das aber schon Tradition im Netz hat und das immer dann ausgetragen wird, wenn versucht wird, online etwas zu verbieten.