Der Zune-Effekt

Neben der Spur

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Es weihnachtet. Das heißt dieses Jahr nicht, dass es kälter wird. Wie ein trojanisches Pferd schleicht sich der Frühling in den Advent. Das ist nicht ganz unähnlich zu Zune.

Alle Welt kennt den iPod. Und nun bringen die Weihnachtsmänner aus Seattle vorerst auch nur in ausgesuchten Ländern der Welt scheinbar einen Konkurrenten auf den Markt. Vermutlich. Denn Zune kann viel, was der iPod auch kann. Aber er kann auch mehr. Kein Wunder, denn er ist auch nicht als iPod gedacht.

Nanu, sagt man sich da. Das kleine hässliche Kästchen soll doch Steve Jobs das Fürchten lehren. Aber weit gefehlt. Die Idee von Zune ist es, ein mobile Device mit Sende- und Empfänger-Eigenschaften auszustatten. Jeder, der mit diesem Ding durch die Stadt rennt, kann Musik und Videos einem anderen übertragen. So wie man im Winter einen Schnupfen in der U-Bahn weitergibt. Und richtig: Es muss ja nicht immer Musik und Video sein. Wer will schon ständig die schlimmen Sachen auf seinem Gerät, die der Nachbar aus seinem letzten Griechenland-Urlaub mitgebracht hat. Sirtaki und Gyros-Zeitraffer sind nicht jedermanns Sache.

Zwar hat das Teilen von kommerziellen Inhalten dank des Universal-Deals schon seinen Niederschlag im Zune-Preis gefunden. Jeder Käufer beschenkt die Herren und Damen der Entertainment-Industrie damit reichlich. Aber letztendlich tut Zune das, was man den Trojaner eines Formfaktors nennen könnte. Man gibt sich als ein erfolgreiches Gerät aus, das schon alle so ähnlich kennen. Und dann macht man etwas ganz anderes.

Zune ist eine wunderbare Plattform, um ähnlich zu Plazes Buddy-Alerts in einem Alltagskasten unter die Leute zu bringen. Social Services, die einem mitteilen, wo denn der Freund und der Bekannte gerade in der Nähe weilen. Oder noch weiter gefasst: Wer in der Kneipe um die Ecke einen Zune besitzt und ähnliche Profile anbietet. Da fragt man unwillkürlich: Und warum bringt dann Microsoft nicht gleich ein Gerät auf den Markt, das sich „Buddy“ nennt und einfach alle miteinander verbindet, so wie das sich Software-Opa Bill Gates schon seit Jahren in seinen wildesten Träumen kaum zu denken traut ? Die Antwort ist einfach: Weil es einfacher geht. Das ist der Zunefaktor.

Ein Gerät zu nehmen, es nachzubauen und es in seinem Zweck erheblich zu erweitern, das erinnert an die Basisstrategie von Microsoft, die mit „embrace and extend“ in den 90ern große Erfolge erzielte. Etwas wird vollumfänglich nachgebaut und dann mit neuen Features versehen, um damit den eigenen Mikrokosmos zu erweitern und gegen die Konkurrenz abzuschotten, indem man mehr zum gleichen Preis anbietet.

Wie und wann man einen iPod einsetzt, das muss man heute nicht mehr erklären. Es gibt genügend schwarze Silhouetten, die von Plakaten heruntertanzen und ein Lebensgefühl der späten 60er wiederkäuen. Ein portabler MP3-Player gehört inzwischen zum Alltagsschrott, ohne den man nicht mehr aus dem Haus geht. Also findet der Kampf um Aufmerksamkeit mehr darüber statt, diese Geräte neu zu besetzen und mit einer eigenen Philosophie zu versehen. So wie Sony stark am neuen Image der Walkman-Handies arbeitet.

Und dagegen ist auch nichts zu sagen. So funktioniert die Szenerie schon länger. Aus einem tragbaren Telefon eine kleine Schreibmaschine für Kassiber an seine Freunde zu machen, dazu hat es SMS und ein paar kreative Kids gebraucht. Und ein Internet, das inzwischen dem Fernsehen den Rang abläuft, war auch nicht wirklich die Idee von Tim Berners-Lee.

Microsoft und Zune wird wie alles außerhalb der PCs zuerst eine Weile schief gehen. Aber so wie Handys inzwischen an die Office-Welt angebunden sind und die xbox einen Anteil am Wohnzimmer besitzt, riecht die Sparte, die Zune abdeckt, auch nach einem Puzzleteilchen im Masterplan, der einfach nie fertig wird. Immer beginnt ein Konkurrent Erfolg zu haben, Steve Ballmer und seine Mannen spüren eine Bedrohung (scheinbar oder nicht) und katapultieren durch eine Initiative das Innovationslevel weiter, indem sie die alte Form entern und ausbauen. Der Zune-Faktor. Irgendwie eine praktische Sache.