Hurrikan-Alarm auf dem Saturn

Ein Blick in die Augen erdferner Monster-Turbulenzen

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Das Raumsonden-Tandem Cassini/Huygens, ein Gemeinschaftsprojekt der NASA, ESA und der Italienischen Raumfahrtagentur (ASI), machte sich im Oktober 1997 auf den langen Weg in den Orbit, um den Gasplaneten Saturn, dessen geheimnisvolle Ringe und seinen Mond Titan genauer unter die Lupe zu nehmen. Nach fast siebenjähriger Reise und einer Strecke von 3,5 Milliarden Kilometer erreichten die beiden Erkundungsflugkörper ihr Ziel, den „Herrn der Ringe“.

Während Hugyens von der Muttersonde Cassini abgetrennt wurde und im Januar 2005 in die Atmosphäre des geheimnisvollen Mondes Titan eintrat, um weitere Erkundungen durchzuführen, umrundet Cassini weiterhin – insgesamt 75 Mal bis zum Missionsende im Jahre 2008 – den Gastrabanten.

Die Cassini-Sonde – den Geheimnissen des Saturns auf der Spur (Bild: NASA)

Nun entdeckte Cassini vor kurzem ein Wetterphänomen, das bisher so noch nie in dieser Form vorher auf einem Planeten außer der Erde selbst gesichtet wurde: einen ungeheuren Wirbelsturm am Südpol des Saturns. Das besondere daran ist aber seine Struktur: er besitzt ein gut entwickeltes sichtbares dunkles „Auge“ und ist umringt von einer unglaublich hohen hellen Wolkenformation.

Der Saturn-Wirbelsturm erinnert zwar optisch sehr stark an einen über die Erde fegenden Hurrikan, aber im Gegensatz dazu scheint er scheint sich nicht von der Stelle zu bewegen. Auch unvergleichlich sind seine Ausmaße, mit einem Durchmesser von ca. 8000 Kilometern (was fast 2/3 des Erddurchmessers entspricht), einer Wolkenhöhe zwischen 30 und 75 Kilometer (und damit bis zu fünf Mal höher, als eine Wolkenformation während eines Wirbelsturms auf der Erde) und einer Windgeschwindigkeit von 550 Kilometern pro Stunde.

“Was auch immer es ist, wir werden es herausfinden“

Über drei Stunden konnte die Hochleistungskamera an Bord von Cassini Aufnahmen von diesem außergewöhnlichen Sturm schießen. Deutlich war auf diesen Bildern das dunkle Auge des Hurrikans und die sich darum im Uhrzeigersinn drehenden schnellen Wolken zu erkennen, deren Schatten eine Berechnung der Wolkenhöhe ermöglichten. "Es sieht aus wie ein Hurrikan, aber es benimmt sich nicht wie einer", sagte Dr. Andrew Ingersoll, Mitglied vom "Cassini"-Team des California Institute of Technology in Pasadena/Kalifornien. „Was auch immer es ist, wir werden uns auf das Auge dieses Sturms konzentrieren und herausfinden, warum es ist dort“, so Dr. Ingersoll.

Dieses zusammengesetzte Bild zeigt die polaren Turbulenzen am Südpol der Venus (Bild links) und am Südpol des Saturns (Bild rechts). Der Venus-Wirbelsturm wurde durch das Infrarotspektrometer VIRTIS an Bord des Venus-Express am 29. Mai 2006 in einer Höhe von 64 000 Kilometern aufgenommen. Das im Oktober 2006 durch das Infrarotspektrometer VIMS an Bord der Cassini-Sonde aufgenommene Bild zeigt sehr deutlich den Wirbelsturm auf Saturn. (Bild: NASA/JPL/Space Science Institute/University of Arizona)

Noch rätseln die Wissenschaftler, wie sich dieses Hurrikan-ähnliche Phänomen überhaupt bilden konnte, denn auf der Erde bilden sich solche Stürme normalerweise nur über relativ warmen Wasserflächen. Der Wasserdampf steigt senkrecht nach oben, erzeugt einen Unterdruck und zieht dabei feuchte Luft trichterförmig aus der Umgebung an. Auf dem Weg in die oberen, kühleren Luftschichten kondensiert das Wasser und bildet die typische ringförmige Wolkenwand. Im Inneren des Sturms selbst, dem Auge, herrscht eine klare, fast windstille Zone.

Der Saturn als Gasplanet aber besitzt keine großflächigen Ozeane, trotzdem weisen die Cassini-Bilder deutlich auf ein Hurrikan-änliches System hin. "Der klare Himmel über dem Auge des Saturnsturms scheint sich doppelt so weit in tiefere Schichten fortzusetzen wie an anderen Stellen", so Dr. Kevin H. Baines, Mitglied vom "Cassini"-Team des NASA Jet Propulsion Laboratory in Pasadena/Kalifornien. "Dadurch bekommen wir den bislang tiefsten Einblick in den Saturn in verschiedenen Wellenlängenbereichen und konnten mysteriöse dunkle Wolken am Grund des Auges entdecken."

Ein klarer Blick auf den erdähnlichen Saturn-Wirbelsturm (Bild: NASA/JPL/Space Science Institute)

Infrarotbilder, die durch das Keck I Teleskop in Mauna Kea, Hawaii aufgenommen wurden, hatten früher schon gezeigt, das die Region um Saturns Südpol warm zu sein scheint. Cassinis Infrarotspektrometer konnte dieses, mit einem wesentlich feiner gegliederten Temperaturdiagramm, nun bestätigen. Das Spektrometer beobachtete eine Temperaturzunahme von ungefähr 2 Kelvin am Südpol. Für Wissenschaftler ist dieses Wetter-Phänomen der fehlende Puzzlestein zum besseren Verständnis der Saturn-Atmosphäre. Weitere Beobachtungen in den nächsten Jahren, über den Jahreszeiten-Verlauf hinweg, sollen nun Aufschluss darüber bringen, welche Parameter diesen Wirbelsturm am Südpol des Saturns ausgelöst haben.

Ungewöhnliche Wetterphänomene auch auf der Venus

In unserem Sonnensystem ist die hurrikanähnliche Struktur des Saturns in dieser Form nur noch auf der Erde zu finden. Aber es gibt eine ähnliche Erscheinung, der Wirbelsturm (der große rote Fleck) auf Jupiter. Dieser ist aber um ein Vielfaches größer und verfügt auch nicht über die hurrikantypischen Eigenschaften. Trotzdem, ganz unbekannt war den Wissenschaftlern diese Turbulenz nicht. Ende der siebziger Jahre, während der NASA-Mission Pioneer, konnte am Nordpol des Planeten Venus ein ähnlicher Wirbelsturm festgestellt werden. Das Außergewöhnliche an diesem aber sind seine zwei „Augen“.

Diese Bilder von Saturns Südpol wurden mit zwei unterschiedlichen Instrumenten, ISS (Imaging Science Subsystem) und VIMS (Visible and Infrared Mapping Spectrometer) an Bord von Cassini aufgenommen. Die vier einfarbigen Bilder kommen vom ISS, die blauen und roten Bilder in der unteren Reihe wurden durch das Spektrometer VIMS aufgenommen. (Bild: NASA/JPL/Space Science Institute/University of Arizona)

Über sechs Monate lang hat nun die aktuelle Mission Venus-Express die Struktur der Venus-Atmosphäre erforscht und auch am Süd-Pol diese Art „Doppelturbulenz“ entdeckt. Polare Turbulenzen stellen ein Schlüsselelement in der atmosphärischen Dynamik des Planeten dar, aber sie sind nicht mit den klassischen Hurrikanen zu vergleichen.

Hurrikane werden durch aufsteigende feuchte Luft in die Atmosphäre verursacht. Zusätzlich erfordern sie die Coriolis-Kraft – die Wechselwirkung zwischen der Zirkulation der Atmosphäre und der Umdrehung des Planeten.

Auf der Venus ist sie, wegen der langsamen Umdrehung des Planeten, praktisch nicht vorhanden. Stattdessen wird eine polare Turbulenz durch einen niedrigen Luftdruck am „rotierenden“ Pol des Planeten verursacht. Dies wiederum sorgt dafür, dass sich die Luft spiralförmig nach unten in die Atmosphäre des Planeten bewegt

Pierre Drossart vom Observatoire De Paris, Frankreich und Team-Mitglied der Venus-Express-Mission für den Bereich Infrared Thermal Imaging Spectrometer (VIRTIS) sowie der Cassini-VIMS (Visual Infrared Mapping Spectrometer)-Mannschaft.

Nur erklärt dieser Vorgang aber nicht die Doppelstruktur des Venus-Wirbelsturms, nach wir vor stehen die Wissenschaftler vor einem Rätsel, das noch nicht gelöst wurde. Aber Venus-Express wird auch in Zukunft noch viele Daten in Zukunft der Wissenschaft präsentieren, die vielleicht eine Erklärung dafür liefern könnten.

Dem Geheimnis auf der Spur

Die Cassini-VIMS-Mannschaft nutzt nun das Spektrometer, um tief in das Herz des Saturn-Sturms zu blicken. Indem sie Infrarotwellenlängen verwenden, können sie durch die normalerweise die Sicht blockierenden Wolken sehen. „Wir sehen über 100 Kilometer tief unter der sichtbaren Wolkedecke“, so Drossart. Diese Beobachtungen erlauben es den Wissenschaftlern, eine dreidimensionale Abbildung der polaren Turbulenz-Struktur zu erstellen. Diese wiederum ermöglicht einen sehr guten Vergleich mit der Venus-Wirbelsturm-Struktur.

Dieses Animated-GIF."Video", aus sechs hintereinander folgenden Bildern in Falschfarben erzeugt, wurde von Virtis an Bord des Venus-Express aufgenommen (Bild: ESA/VIRTIS/INAF-IASF/Obs. de Paris-LESIA)

Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen den polaren Wirbelstürmen geben wichtige Anhaltspunkte zu den unterschiedlichen planetarischen Atmosphären unseres Sonnensystems. Die Erforschung erdähnlicher Phänomene auf anderen Planeten hilft den Wissenschaftlern die Vorgänge auf der Erde besser zu verstehen.