Kanadischer Bergbaukonzern stößt in Ecuador auf Widerstand

Einwohner des Bezirks Cotacachi nehmen Paramilitärs als Geiseln - Herausforderung für neue Regierung Correa

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Der kanadische Bergbaukonzern Ascendant Copper hatte sich in Ecuador eine rosige Zukunft ausgemalt: Im Intag-Tal im nördlichen Andenhochland lagern größere Mengen Kupfer, und Ascendant hatte von der korrupten Gutiérrez-Regierung, die im April 2005 von der Bevölkerung aus dem Amt gejagt wurde, Lizenzen zum Abbau dieses Metalls bekommen. Doch angesichts des hartnäckigen Widerstands der ortsansässigen Bauern gegen die Zerstörung ihrer Lebensgrundlage greift der Konzern mittlerweile zu ungewöhnlichen Methoden: Er heuert Söldner an und schickt sie bewaffnet in die begehrte Region – im historisch eher friedliebenden Ecuador eine politische Neuheit, die die Intag-Bewohner nun auf ihre Weise beantwortet haben.

Am frühen Morgen des 2. Dezember wurden im Umkreis der Gemeinde Junín Dutzende bewaffnete Männer in Militäruniformen gesichtet. Anders als im benachbarten Kolumbien, wo ländliche Gebiete häufig von Guerilleros, Armee oder Paramilitärs durchstreift werden, ist dies in Ecuador ein durchaus außerordentliches Ereignis. Die Bewaffneten rückten ausgerechnet auf die Region vor, für die der Konzern Ascendant Copper eine Bergbaulizenz hat.

Da die Bewohner der Intag-Region diese Lizenz als rechtswidrig erachten und sich mehrheitlich gegen den Bergbau organisiert haben, halten sie seit Monaten Wache in der Gegend, um zu verhindern, dass die Firma die Arbeit aufnimmt. Dieser Wachposten wurde von den 56 Bewaffneten mit Tränengas, Schusswaffen und Knüppeln angegriffen. Es gelang den Bauern jedoch, Verstärkung zu rufen und die Eindringlinge zu überwältigen, woraufhin sie sie kurzerhand festnahmen. Einer der Anwohner, Israel Pérez, erlitt dabei eine Schussverletzung, mehrere andere wurden leicht verletzt.

Eine ganze Woche lang behielten die Bauern von Intag die 56 Söldner in ihrem Gewahrsam – als Beweis für die unlauteren und gewaltsamen Methoden des kanadischen Konzerns. Die Waffen, welche die in anderen Regionen Ecuadors und Kolumbien angeheuerten Söldner bei sich trugen, übergaben sie der Bezirksregierung von Cotacachi. Diese wird seit über zehn Jahren von der indigenen Partei Pachakutik geführt und tritt ebenfalls gegen den Bergbau ein. Erst am 9. Dezember wurden die Paramilitärs im Beisein der Presse und von Vertretern des Arbeits- sowie des Bergbauministeriums der nationalen Polizei übergeben, um an die Justiz weitergeleitet zu werden. Im Gegenzug wurde von der noch amtierenden Regierung Palacio die Lizenz für Ascendant Copper aufgrund der jüngsten Vorfälle auf Eis gelegt.

In diese Gegend sollen 600 Meter tiefe Krater gesprengt werden

Die Intag-Region, bestehend aus 1500 Quadratkilometern Nebelwald mit besonders großer Artenvielfalt, war bereits in den früher 90er Jahren ins Visier einer japanischen Bergbaugesellschaft geraten. Bishimetals, eine Tochter des Mitsubishi-Konzerns, nahm jedoch Abstand von der Investition, nachdem eine Umweltverträglichkeitsstudie negativ ausgefallen war und der erbitterte Widerstand der örtlichen Bevölkerung zum Abbrennen des ersten Bergbaucamps führte.

Dennoch versteigerte das ecuadorianische Bergbauministerium im Jahr 2002 diskret zwei Bergbaukonzessionen für diese Region an einen Privatmann, der mit Bergbaukonzessionen handelt. Dieser wiederum fand in dem kanadischen Konzern einen Kunden, der bereits an zwei anderen Orten in Ecuador tätig ist. Als Strohmänner zum Erwerb der Ländereien, die dem Kupferabbau dienen sollen, fungierten pensionierte Militärs aus dem Dunstkreis des ehemaligen Staatspräsidenten Lucio Gutiérrez, der selbst den Rang eines Oberst bekleidet. Auch von den 56 Söldnern, die nun gewaltsam für den Zugang zu den Kupfervorräten sorgen sollten, sollen 34 ehemalige Militärs gewesen sein.

Nach Auskunft der lokalen Umweltorganisation DECOIN müssten riesenhafte Krater in einer Tiefe bis zu 600 Metern in die Landschaft gesprengt werden, um zu den Kupfervorkommen vorzudringen. Die Folgen wären u.a. eine großflächige Versteppung der Gegend, sowie eine Vergiftung des verbleibenden Grundwassers und der Flüsse mit Schwermetallen. Silvia Quilumbango, Vorsitzende der DECOIN, erinnert sich, dass sie damals den Japanern angeboten hätten, sie könnten unter einer einzigen Bedingung sofort mit dem Bergbau beginnen: Sie sollten ausnahmslos alle Abfallprodukte, die aus der Tätigkeit entstünden, mit nach Japan nehmen.

Wir haben hier eine andere Vorstellung von Entwicklung als die Bergbaukonzerne. Sie versprechen uns Straßen, Arbeit, Infrastruktur. Wenn wir uns aber andere Regionen des Landes ansehen, wo Bergbau betrieben wird, gibt es dort weder Arbeitsplätze für die lokale Bevölkerung in nennenswerter Zahl, noch verbessert sich deren Lebensqualität – im Gegenteil. Wir wollen ein grünes Intag, in dem Ressourcen wie Wasser und Artenvielfalt geschützt werden. Wir leben hier vom Reichtum der Natur, zwar einfach, aber gar nicht so schlecht - und wollen, dass das so bleibt. Wir setzen auf das Leben, und wir sind entschlossen, für unser Projekt auch mit dem Leben einzutreten.

Silvia Quilumbango

Die DECOIN und andere Umweltaktivisten des kleinen Andenlandens werfen der Firma Ascendant Copper, die sich auf ihrer Website selbst als „socially responsible corporate citizen“ beschreibt, nicht nur vor, diverse Gesetze und die ecuadorianische Verfassung gebrochen zu haben: Die Kanadier haben bisher weder eine eigene Umweltverträglichkeitsstudie vorgelegt, noch die Bürger von Intag konsultiert, obwohl sie zu beidem gesetzlich verpflichtet sind. Dagegen wurden bereits ungenehmigte Probebohrungen durchgeführt. Statt mit dem Gesetz geht Ascendant Copper in Wildwestmanier vor: Quilumbango und ihre Mitstreiter sind nach eigenen Aussagen mehrmals bedroht worden, anderen wie dem Umweltaktivisten Polibio Pérez wurden 100.000 US-Dollar Schweigegeld angeboten.

Ende November hatte die Firma Ascendant verkündet, in Intag ein „Community Development Agreement“ unterzeichnet zu haben. Partner waren hierbei die im vergangenen September unter aktiver Mithilfe des Konzerns zu diesem Zweck ins Leben gerufene „Organisation für die Entwicklung von Intag“ (ODI) sowie die Bürgermeisterin des Dorfs García Moreno und eine örtlichen Frauenorganisation. Das Abkommen sah vor, dass der Konzern in García Moreno vier Millionen Dollar in Sozialprojekte investieren würde – allerdings wäre diese Summe erst 60 Tage nach dem Beginn der Minentätigkeit übergeben worden und sollte wieder entzogen werden, sobald es zu Konflikten käme. Auch wurde bekannt, dass die Zustimmung der Frauenorganisation von einer einzigen Person erkauft worden war. Die Bürgermeisterin von García Moreno hat inzwischen angesichts der jüngsten Vorfälle ihre Unterschrift zurückgezogen.

Ecuador, laut Transparency International eines der korruptesten Länder Lateinamerikas, bietet Bergbaufirmen derzeit traumhafte Bedingungen: Sie können hundert Prozent ihrer Gewinne einfahren und müssen kaum Bestimmungen zum Schutz der Arbeiter befolgen. Doch zeichnet sich ab, dass die gewählte Regierung unter Rafael Correa, die am 15. Januar die Amtsgeschäfte übernimmt, diesen Kurs korrigieren wird.

Der designierte Minister für Bergbau und Energie, Alberto Acosta, hat bereits geäußert, dass die Nationalisierung des Erdöls in Bolivien, die Neuverhandlung der Ölverträge in Venezuela, sowie die Reform des Erdölgesetzes in Ecuador selbst, die dazu geführt habe, dass „die exzessiven Gewinne der Ölfirmen etwas besser verteilt werden“, Anzeichen dafür seien, dass die neoliberalen Exzesse der letzten Jahrzehnte in Lateinamerika allmählich rückgängig gemacht würden. Die künftige Regierung Correa plant, eine verfassungsgebende Versammlung einzuberufen, die auch über die mögliche Verstaatlichung von Naturressourcen abstimmen soll. Auch gibt es Erwägungen, dem südamerikanischen Wirtschaftsblock Mercosur beizutreten.

Die Bewohner von Intag hoffen, dass der designierte Bergbau- und Energieminister Acosta auf sie hören und die Lizenz endgültig zurückziehen wird. Unterdessen rufen sie international Freiwillige auf, in die umkämpfte Gemeinde Junín zu kommen, dort soziale Projekte zu unterstützen und durch ihre bloße Anwesenheit als Beobachter auch zum Schutz der Menschenrechte beizutragen.