Menschengemachtes Erdbeben bei Basel

Ein weiterer Rückschlag für die Geothermie - oder wurde Schlimmeres verhindert?

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2003 berichtete Telepolis über die Geothermie: Das Erd-Dorado. Laut einem Bericht vom Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) könnte die Erdwärme die Grundlast für die Bundesrepublik decken - ganz ohne Emissionen. Doch haben sich Projekte in der Praxis manchmal als problematisch erwiesen. Das Erdbeben, das am 8.12. möglicherweise durch ein Geothermie-Projekt bei Basel ausgelöst wurde, wäre ein weiterer Rückschlag für die Erdwärme, denn spürbare Erdbeben sollten dabei nicht vorkommen. Was allerdings nicht vergessen werden darf: Auch der Kohlebergbau verursacht Erdbeben.

Wie man hier sehen kann, hat sich die Zahl der Erdbeben erhöht, seitdem Wasser in das Bohrloch gepumpt wird. Grafik: Schweizerischer Erdbebendienst

Noch vor wenigen Jahren hatte das TAB die von der Geothermie ausgehende Erdbebengefahr als niedrig eingestuft, und man ging auch in Basel davon aus, dass es zwar zu Erdbeben kommen würde, diese aber für die Menschen nicht spürbar wären. Am Freitag, dem 8.12., ereignete sich jedoch ein Erdbeben der Stärke 3,4 auf der Richterskala. Die Stärke verdoppelt sich auf der Richterskala bekanntlich logarithmisch, d.h. ein Erdbeben der Stärke 4 ist zehnmal so stark wie eines der Stärke drei.

Im Breisgau sind Erdbeben keine Seltenheit, doch fast alle sind so schwach, dass sie den meisten Menschen unbemerkt bleiben. Nur alle paar Jahre kommt es zu einem, das man auch fühlt - zuletzt im Dezember 2004, als ein Beben der Stärke 5,4 nachts 12 km unter Waldkirch bei Freiburg viele schlafende Menschen in der Region weckte. Zum Vergleich: Das Beben, das den Tsunami bei Indonesien Ende 2004 auslöste, hatte die Stärke 9,0.

Die Geothermieindustrie bemüht sich seit Freitag in ihrer Öffentlichkeitsarbeit um Schadensbegrenzung. So sagte der Presssprecher von Geopower, der Firma hinter dem Projekt bei Basel, gegenüber der Breisgauer Wochenzeitung Der Sonntag, dass man dieses relativ leichte Beben nur deshalb spüren konnte, weil es so nah an der Oberfläche passierte: in einer Tiefe von 5 km, statt 10-20 km wie bei "natürlichen" Erdbeben. Das mag alles zutreffen, aber schließlich bohrt man am Rhein, gerade weil man nicht so tief bohren muss - soll heißen, die Geothermie wird nahe an der Oberfläche bleiben.

Die deutsche Geothermie-Vereinigung (GV) geht sogar einen Schritt weiter und behauptet in einer Pressemeldung zum Beben, die geothermischen Bohrungen hätten Schlimmeres verhindert, d.h. ohne die Geothermie hätte sich der Druck weiter aufgebaut und "sich vermutlich später zu einem echten Schadensbeben auswirken können". Gerade bei Basel wäre ein solches Beben denkbar, denn 1356 wurde die Stadt fast durch ein Beben zerstört, dessen Stärke auf 6,5 geschätzt wird. Die GV weist außerdem darauf hin, dass man in Kalifornien regelmäßig in die Erde bohrt, um Spannungen zu entlasten, Außerdem komme es oft zu solchen kleinen Erdbeben bei Ölbohrungen. Worauf die GV allerdings nicht eingeht: Seit Anfang des Monats wird Wasser in die Bohrung eingepumpt, und seitdem haben sich die Beben gehäuft (siehe Grafik oben).

Wenn man also die Geothermie nutzen will, müssen die Bohrungen flach sein, um Kosten zu sparen, und sie müssen verbrauchernah sein, damit man die Abwärme auch sinnvoll in Fernwärmenetze umleiten kann. Wenn man dann auch noch mit Erdbeben ab der Stärke 3 rechnen muss, dann muss man eine Verunsicherung der Öffentlichkeit bei spürbaren Beben - der Sachschaden ist bei diesem Beben auch sehr begrenzt geblieben - in Kauf nehmen?

Jedenfalls sind schon die ersten Beschwerden bei der Staatsanwaltschaft eingegangen und verlangt der Bürgermeister der benachbarten deutschen Stadt Weil am Rhein nun auch mehr Informationen über das Projekt, nachdem das Beben zu "erheblicher Besorgnis und Unruhe" in seiner Stadt geführt habe.

Hier zeigt sich ein Unterschied zur Kohlekraft: Auch im Steinkohlebergbau kommt es zu kleinen Erdbeben - im Bergbau Lippe rund 488 alleine vom Januar bis Anfang Dezember 2006. Wie es aus der Antwort auf eine kleine Anfrage im NRW-Landtag lautet:

Der Landesregierung ist bewusst, dass die in der Steinkohlengewinnung des Bergwerks Lippe begründeten Erschütterungen von einem Teil der Betroffenen als erheblich belästigend empfunden werden.

Allerdings finden diese Erdbeben da statt, wo die Steinkohle liegt, nicht unbedingt dort, wo die Verbraucher leben - wie dies bei der Geothermie eher der Fall sein wird.

Hock-Dry-Rock und andere Erdwärmenutzung

Bei dem in Basel angewandtes Verfahren namens Hock-Dry-Rock (HDR - siehe Das Erd-Dorado für eine Beschreibung) wird Wasser in ein Bohrloch gepumpt, das sich unterirdisch aufhitzt und aus einem zweiten Bohrloch herausgepumpt wird. Das heiße Wasser wird dann zur Dampferzeugung genutzt, um eine Turbine zur Stromerzeugung anzutreiben.

Andere Formen der Erdwärmenutzung kommen ohne aufwändige Bohrungen aus. So kann man ganze Heizungs- und Klimaanlagen ersetzen, indem man unterirdische Röhren wenige Meter unter der Erde verlegt und die Luft erwärmt oder abkühlt, die man über ein Ventilationssystem ins Gehäuse gefiltert einbläst. Solche Systeme werden in der Schweiz schon in 40% aller Neubauten genutzt, in Nordrhein-Westfalen dagegen nur in 3%. Von dieser Art Erdwärme gehen gar keine Gefahren für die Umwelt aus. Fragt sich nur, weshalb eine Untersuchung der Kostenvorteile von solchen Erdwärme-Pumpen für Neubauten nicht Standard ist.

So kann die Erdwärme aussehen: Die einströmende Luft wird im Winter vorgewärmt bzw. im Sommer abgekühlt, da die Temperatur im Boden relativ beständig bleibt im Vergleich zur Lufttemperatur. Hier wird eher Energie gespart (weniger Strom für die Zirkulation durch ein Gebläse als für eine Klimaanlage oder Heizenergie), jedoch kein Strom erzeugt. Grafik: Geoexchange

Bad Urach und das Fündigkeitsrisiko

Ein weiterer erfolgversprechender Platz ist Bad Urach bei Tübingen. Bis 2004 lief dort ein weiteres HDR-Projekt, das jedoch eingestampft wurde, weil die Verbindung zwischen den zwei Bohrlöchern nicht funktionierte - das Wasser wurde zwar injiziert, fand aber seinen Weg durch die unterirdischen Gesteinsspalten zum anderen Bohrloch nicht, um wieder hochgepumpt zu werden. Durch Vorabuntersuchungen kann man nur das unterirdische Wärmepotenzial ermitteln, erst die teueren Bohrungen zeigen dann, ob die Verbindung durch die Gesteinsspalten wirklich klappt.

Auch in Basel hätte man nun eine zweistellige Millionensumme verbuddelt, falls das Projekt nicht fortgeführt wird. Dabei wird der Basler Standort gerade von der Schweizer Vereinigung für Geothermie kritisiert: Basel sei ein "politischer Standort" und der Wasserdruck zu hoch gewesen.

Kurz vor Weihnachten wollen die Schweizer Behörden der Öffentlichkeit die ersten Ergebnisse ihrer Untersuchungen vorstellen, um die Ursache für das Erdbeben zu ermitteln. Die mögliche Schließung des Basler Projekts scheint vorerst keine Auswirkungen auf das Tagesgeschäft in Deutschland zu haben. Jedenfalls verkündete eine deutsche Firma wenige Tage nach dem Erdbeben, bald ein neues Projekt bei Neuenburg - etwa 20 km nördlich von Basel - starten zu wollen.