Afrikanische Spiele

Frankreich, USA und China und der rohstoffreiche Kontinent. Update

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Man kann sich eines Eindrucks des Déjà vu nicht erwehren: Frankreich setzte in den letzten Tagen und Wochen eigene Truppen ein, um eine Rebellionsbewegung in der Zentalafrikanischen Republik niederzukämpfen. Am 27. und 30. November eröffneten französische Mirage-Kampfflugzeuge aus der Luft das Feuer auf Rebellentruppen der Union des forces démocratiques pour le rassemblement (Union der demokratischen Kräfte für die Sammlung). Sie unterstützten dabei Soldaten der offiziellen Streitkräfte der Zentalfrikanischen Republik, der FACA.

Das Verteidigungsministerium in Paris gab kurz darauf bekannt, über keine Angaben bezüglich der Verletzten unter den Rebellen zu verfügen, aber die in derselben Kampfzone eingesetzten französischen Bodentruppen seien unverletzt.

Just am Montag dieser Woche wurde bekannt, dass die seit Oktober andauernde aufrührerische Bewegung nun endgültig niedergeschlagen sei. Am vergangenen Sonntag hatten die Truppen des Regimes von Präsident François Bozizé die letzte von den Rebellen gehaltene Stadt, Ouadda-Djalle im Nordosten des Landes, eingenommen.

Niederschlagung eines politisch motivierten Auftstands

Die konservative Pariser Tageszeitung Le Figaro schrieb am 6. Dezember, es handele sich bei dieser Rebellion, die seit Ende Oktober andauert, nicht "um die üblichen Zusammenstöße mit den halb aus Rebellen und halb aus Banditen bestehenden Banden", sondern um einen im engeren Sinne politisch motivierten Aufstand. Hinter ihm stünden politische Opponenten, aber auch enttäuschte ehemalige Weggefährten von Bozizé, der 2003 durch einen Putsch die Macht übernommen hatte und sich 2005 durch Wahlen bestätigen ließ.

In einem Untersuchungsbericht, von dem die französische Nachrichtenagentur AFP am vorigen Donnerstag am AU-Sitz in Addis Abeba eine Kopie erhielt, berichtet eine Delegation der Afrikanischen Union (AU) über die Situation in der Zentralafrikanischen Republik. Die Delegation hatte das Land vom 15. bis 18. November dieses Jahres besucht. In ihrem Papier heißt es:

Die Delegation hat von Übergriffen auf die Zivilbevölkerung und von Menschenrechtsverletzungen, die Soldaten der regulären Streitkräfte angelastet werden, sowie von der Straflosigkeit, die einige Soldaten genießen, Kenntnis erhalten.

Der Text spricht ferner von den Schwierigkeiten, die dieselbe reguläre Armee gegenüber den Erfolgen der Rebellen verzeichnet habe, und von der mangelnden Motivation vieler Soldaten, sich ihrem Vordringen entgegen zu stellen. Dies wird unter anderem auf ausbleibende oder verspätete Sold- und Prämienzahlungen, auf "ethnische" Konflikte und Phänomene von Clanbildung in der Armee zurückgeführt.

Die daraus resultierende mangelnde Reaktionsfähigkeit der offiziellen Streitkräfte gegenüber den anfänglichen Erfolgen der Rebellen habe "eine veritable politische Krise im Land" ausgelöst. - Nunmehr scheint diese vorerst, auf gewaltsamem Wege, überwunden oder zumindest überdeckt worden zu sein.

Die Rebellen haben circa 200 Mann unter Waffen. Das klingt nicht nach viel, aber auch die offiziellen zentralafrikanischen Streitkräfte, die FACA, haben nur 5.000 Soldaten, von denen circa ein Drittel als real im Kampf einsatzfähig gelten. Die Zentralafrikanische Republik (einstmals, unter dem größenwahnsinnigen Präsidenten-Diktator Jean Bédel Bokassa, von 1976 bis 1979 zum "Kaiserreich" ausgerufen) ist flächenmäßig circa doppelt so groß wie die Bundesrepublik Deutschland, hat aber nur rund 4 Millionen Einwohner.

Die Landstriche im Norden und Nordosten des Landes, die am weitesten von der im Südwesten liegenden Hauptstadt Bangui entfernt sind, entglitten schon seit längerem der Kontrolle der Zentralregierung. Bislang prägten aber eher banditenähnliche Guerillabewegungen wie die ARPD, Armée pour la restauration de la République et de la démocratie ("Armee für die Wiederherstellung der Republik und der Demokratie"), das Bild. Dieses Mal handelte es sich aber um eine stärker politisch auftretende Rebellionsbewegung. Seit Anfang dieser Woche scheint sie nun niedergeschlagen worden zu sein.

Vorher: Französischer Rückzug aus Afrika?

Schon im Mai und Juni 1996 und nochmals im Juni 1997 hatten französische Truppen den damaligen Präsidenten Ange-Félix Patassé (ein ehemaliger Minister von "Kaiser" Bokassa) vor einer Rebellion in Schutz genommen und dabei die Aufständischen aktiv bekämpft. Damals löste jeweils das Ausbleiben von Soldzahlungen eine Meuterei von Soldaten aus. Die französische Armee bombardierte 1996 sogar Stadtviertel der Hauptstadt Bangui, in denen sich die Rebellen verschanzt hatten. Aber danach sollte eigentlich Schluss sein mit solchen direkten Interventionen in die Innenpolitik des Landes in der geographischen Mitte Afrikas.

Kaum war die neue sozialistische Regierung unter Lionel Jospin im Amt, verkündete sie im Juli 1997 eine "radikale Strukturreform" in der französischen Afrikapolitik. Mit ihr ging eine Verringerung der französischen Truppenzahl auf dem Kontinent einher: Diese wurden von vorher 8.360 auf rund 5.000 Mann abgebaut. In der Folge wurden die französischen Militärstützpunkte in der Zentralafrikanischen Republik, die Basen von Bangui und Bouar, völlig dicht gemacht. Am Ende einer längeren Güterabwägung hatte Paris entschieden, lieber die militärische Präsenz im Tschad - 1.200 Mann - aufrecht zu erhalten und dafür jene in der ZAR aufzugeben.

Das sah damals nach einem Bruch mit dem Neokolonialismus der Vorgängerregierungen aus, war es aber nicht. Auch die konservativen Amtsvorgänger der Jospin-Regierung hatten bereits ähnliche Pläne geschmiedet, zu deren Umsetzung die Minister von Regierungschef Alain Juppé jedoch aufgrund der vorgezogenen Neuwahlen nicht gekommen waren. Im Hintergrund des Truppenabbaus in Zentralafrika stand nicht der Verzicht auf Einflussnahme im bisherigen (neo-) kolonialen "Hinterhof" Frankreichs - sondern die wachsende Unlust, sich von lokalen Regimen für die Regelung ihrer innenpolitischen Schwierigkeiten "instrumentalisieren" zu lassen, wo diese mit vermeidbaren Meutereien konfrontiert waren.

Knapp zehn Jahre später scheint Frankreich an den Ausgangspunkt zurückgekehrt zu sein. Die Anzahl französischer Soldaten auf dem afrikanischen Kontinent beträgt heute 11.000, wobei die seit vier Jahren anhaltende Intervention im Bürgerkriegsland Côte d'Ivoire allein 3.500 Mann bindet. Inzwischen stehen sie auch wieder, auf längere Dauer, in der ZAR: Anfang 2003 wurden dort zweihundert französische Soldaten stationiert, im November dieses Jahres kamen weitere einhundert hinzu. Sofern ihre Truppenstärke nicht ausreicht, können sie - dies war ohnehin von Anfang an geplant - jederzeit durch das Einfliegen von Verstärkung aus dem Nachbarland Tschad aufgestockt werden.

Militärische Intervention im Tschad

Und auch im Tschad selbst, wo mehrere Rebellenbewegungen gegen das Regime in N'Djamena kämpfen, wird Frankreich sich militärisch stärker engagieren. Auch dort eskalieren die militärischen Kämpfe in den letzten Wochen. Am Dienstag dieser Woche berichteten die Rebellen der Union des forces pour le progrès et la démocratie (UFPD, Union der Kräfte für Fortschritt und Demokratie), die seit Oktober einen Aufstand gegen das Regime in N'Djamena führen, in der Nacht zuvor seien bei Kämpfen 300 Menschen getötet worden.

Nicht zum ersten Mal ist Frankreich dabei präsent. Denn bereits in den achtziger Jahren war Frankreich stark militärisch im Tschad engagiert, während damals zugleich die libyschen Truppen von Norden her eindrangen und eine weitere Bürgerkriegsfront eröffneten.

Premierminister Dominique de Villepin weilte am 30. November für einige Stunden zu einem Kurzbesuch in der tschadischen Hauptstadt N'Djamena. Dem Figaro zufolge versprach er dabei dem seit 16 Jahren diktatorisch regierenden Staatschef Idriss Déby unter anderem zwanzig Maschinengewehre für die Ausrüstung der Präsidentengarde und 30 Geländefahrzeug für die tschadische Armee. Die Piloten der in N'Djamena stationierten Mirage wurden dazu autorisiert, im Bedarfsfall die Bordartillerie auf Aufrührer feuern zu lassen. Dies ist im April dieses Jahres auch passiert, als eine Rebellion im Anmarsch auf die Hauptstadt gestoppt und niedergeschlagen wurde. Daran hatte militärische Kampfflugzeuge Frankreichs teilgenommen. (vgl. Tschad und Sudan).

Offenkundig finden auch zur Zeit französische Militäroperationen in dem mittelafrikanischen Land statt. Am 6. Dezember gegen Mittag stürzte eine Mirage F 1-Maschine der französischen Luftwaffe über einer Ortschaft im Kreis Oum el-Bouaghi, im Nordosten Algeriens (circa 500 Kilometer östlich der Hauptstadt Algier), ab und kam nur 200 Meter von den Wohnhäusern entfernt herunter) Der Pilot, ein junger Leutnant der französischen Armee, hatte sich zuvor per Schleudersitz retten können.

In einem lakonischen Kommuniqué des Verteidigungsministerium in Paris hieß es dazu, das Jagdflugzeug sei Bestandteil eines Luftwaffenkommandos gewesen, der insgesamt drei Mirage F 1 sowie eine Boeing C135 zum Auftanken angehört hätten. Es sei auf dem Rückflug von einem militärischen Transport zwischen Paris und N'Djamane im Tschad gewesen. Bemerkenswert daran ist unter anderem auch, dass die französische Luftwaffe demnach eine Überflugerlaubnis für den Luftraum der früheren Kolonie besessen hat.

Bislang hatte Algerien, das sich bekanntlich einst auf kriegerische Weise von Frankreich befreien musste, stets großen Wert auf die Unabhängigkeit von der ehemaligen Kolonialmacht gelegt und sich jeglichen Versuch etwaiger militärischer Einmischung strikt verbeten. Allerdings kam es in den letzten Jahren offenkundig zu einer Annäherung zwischen den beiden Staatsführungen, wobei Algier aber stets den Einfluss Paris' gegen jenen Washingtons auszuspielen suchte.

Die algerische Tageszeitung El Watan berichtet am 7. Dezember, dass es ihr nicht gelungen sei, vom algerischen Verteidigungsministerium eine Erklärung im Hinblick auf die Überflugerlaubnis zu erhalten. Unter Berufung auf eine Quelle bei der französischen Botschaft in Algier heißt es jedoch, eine solche Überflugerlaubnis soll offenbar sehr wohl erteilt worden. Die westalgerische Tageszeitung Le Quotidien d'Oran berichtet am selben Tag, beim Überflug Algeriens und des Niger auf dem Rückweg vom Tschad habe es sich um einen sichtbaren Umweg gehandelt, während der kürzeste Weg für die französischen Jagdflieger über Libyen geführt hätte.

Politisches Vertrauen spielte demnach eine wichtige Rolle. Von all diesen Vorgängen hätte man ohne Zweifel nichts erfahren, wäre nicht der unglückliche Absturz der Mirage F 1 am vorigen Mittwoch erfolgt.

Interessenlage Frankreichs und anderer Großmächte

Welche Interesse Paris in Afrika verfolgt, ist leicht zu überblicken. Die verbliebenen Reste des französischen Großmachtstatus hängen unter anderem an der Bereitschaft afrikanischer Präsidialregime, in der UN-Vollversammlung, wenn nötig, en bloc zusammen mit den offiziellen Vertretern Frankreichs abzustimmen. Der Zugriff auf Rohstoffe ist insbesondere in den Erdölstaaten - wo der französische Ölkonzern Total eine starke Machtkonzentration innehat - nach wie vor von hoher Bedeutung. Zu ihnen zählen insbesondere Kamerun, Gabun und Kongo-Brazzaville, neben dem portugiesischsprachigen Angola.

Aber in jüngerer Zeit gehört nun auch der Tschad dazu; die Ölförderung dort begann 2004. Bislang waren dort allerdings US-Ölkonzerne auf ökonomischer Ebene Ton angebend, während Frankreich einen stärkeren politischen Einfluss geltend machen konnte. Im August dieses Jahres war der US-Multi Chevron zunächst aus dem Land geworfen worden, weil er seinen steuerlichen Abgabepflichten an den tschadischen Staat nicht nachgekommen war. Hingegen konnte ExxonMobil im Land bleiben.

Inzwischen hat aber auch Chevron seinen Zwist mit der tschadischen Staatsführung beilegen können. Im Oktober unterzeichneten der US-Konzern sowie die malysische Ölfirma Petronas, die ebenfalls kurzfristig aus dem Tschad hinausgedrängt worden war, ein Abkommen mit dem Regime in N'Djamena. Dieses beinhaltet steuerliche Nachzahlungen in Höhe von 281,6 Millionen Dollar.

US-Amerikaner und Franzosen konnten sich in den letzten Jahren noch auf einen halbwegs friedlichen Interessenausgleich untereinander auf dem afrikanischen Kontinent einigen. Dem war nicht immer so, und noch der Krieg um Ruanda (1994), der von einem Völkermord durch die rassistische "Hutu Power"-Bewegung gegen die dort ansässige Tutsi-Bevölkerung begleitet wurde, konnte über weite Strecken als ein Stellvertreterkrieg zwischen Paris und Washington analysiert werden (vgl. Leugnen und Vertuschen).

Aber danach suchten beide Großmächte nach einer ruhigeren Art, ihre Interessenkonflikte untereinander auszutragen. Infolge der Millionen Menschenleben kostenden Bürgerkriegswirren in der Demokratischen Republik Kongo (Ex-Zaire), die vor wenigen Jahren ein allgemeines Chaos hinterlassen hatten, konnten sich US-Amerikaner und europäische Großmächte auf den (2006 wiedergewählten) Präsidenten Joseph Kabila als allgemein akzeptierten Sachwalter und Garanten der Stabilität einigen.

Ein neuer Konkurrent kommt ins Spiel

Aber inzwischen ist Frankreich wie auch den USA - etwa im Tschad - ein neuer Konkurrent erwachsen, in Gestalt der VR China, die einen wachsenden Bedarf an Rohölimporten für ihre expandierende Industrieproduktion geltend macht. Im benachbarten Sudan ist Peking bereits sehr präsent, und die dortigen Ausfuhren machen bereits 10 Prozent der chinesischen Importe beim Erdöl aus. Befürchtet wird nun, dass neben der Pipeline aus dem Tschad an die kamerunische Küste, die französischen Interessen dient, noch eine zweite Pipeline eröffent werden könnte - vom Tschad aus in Richtung Osten, zum Hafen von Port Sudan. Damit würden die Ölexporte aus dem Tschad ähnlich wie jene des Sudan bevorzugt in Richtung Ostasien gehen.

Doch dadurch kommt auch das Spiel durcheinander, das die in Afrika präsenten Großmächte in den letzten zehn Jahren geführt hatten. Mitte der neunziger Jahre, vor allem im Zeitraum 1994 bis 97, war die französische Präsenz zunächst unter Druck der erstarkenden US-amerikanischen Konkurrenz geraten. Der Sturz der Habyarimina- und "Hutu Power"-Diktatur in Ruanda (1994) und die Ablösung der Mobutu-Diktatur im damaligen Zaire durch den von den USA mitunterstützten Laurent Kabila (den Vater des jetzigen Präsidenten) in den Jahren 1996/97 läuteten einen politisch-militärischen Terraingewinn für die USA ein.

Parallel dazu erhöhten die USA über ihren Einfluss bei IWF und Weltbank den Druck auf altansässige und bislang (unter anderem) von Frankreich unterstützte afrikanische Regime, deren endemischer Korruption die Erfordernisse einer "good governance"- freilich im Sinne der internationalen Finanzinstitutionen und im Interesse westlicher Gläubigerstaaten, obschon bemäntelt mit einem Diskurs über moderne "Demokratie" - entgegen gesetzt wurden.

Aber in der Ära der eher "multilateral" orientierten Clinton-Administration zeichnete sich (vor allem in den Jahren 1997 bis 2000) ein Kompromiss ab. An einer multinational gestalteten Konfliktregelung bzw. Krisenbewältigung, deren Schirmherrschaft teilweise die Afrikanische Union (AU) übernehmen würde, sollten die westlichen Großmächte eher im Hintergrund teilnehmen. Auch in Paris war man ganz froh oder erleichtert darüber, und man sprach von einer "Selbstverwaltung der afrikanischen Krisen": Ohne den eigenen wirtschaftlichen Einfluss aufzugeben, wäre man nicht mehr so direkt verantwortlich für die Stabilität der lokalen Regime. Aber dieses Rezept ist bisher nicht aufgegangen. Die Stabilisierung von Staaten, in denen oftmals ein Clan oder eine Ethnie alle Macht usurpiert hat wie im Tschad, erwies sich oft als schwieriges Unterfangen.

Zudem ließen die USA unter dem neuen Präsidenten Bush ab 2000/01 zunächst Afrika eher links liegen, bevor sie ab 2003 ein Comeback unter ihrer eigenen Flagge im Namen des "Antiterrorkrieges" erfuhren: Es galt nun, ein Einsickern des Netzwerks Al-Qaïda in die Sahelzone dank einer Kooperation mit der algerischen Salafistenbewegung GSPC zu verhindern, etwa durch Einrichtung von Militärstützpunkten.

In Ländern wie auch dem Tschad ließen sich die Warnung vor dem Vordringen des radikalen Islamismus, die Wahrung der strategischen Interessen der USA in Sachen Energieversorgung sowie das auf den neuen Konkurrenten China zu werfende Auge trefflich miteinander verknüpfen. In einem Interview für das im Frühjahr 2006 verstand es etwa der im NATO-Hauptquartier in Stuttgart residierende US-Oberkommandierende James Jones, diese geostragischen Interessen zu einem Knäuel zu verweben.

Schwierige "Selbstverwaltung der Krisen"

In der Phase der "multilateralen" Krisenverwaltung ging man in Paris dazu über, die Kontrolle über die afrikanischen Krisenstaaten an ein heterogen zusammengesetztes Konsortium aus Privatfirmen, Söldnerunternehmen, supranationalen Institutionen wie der AU - mit der die Europäische Union stärker kooperieren sollte - und ab und zu intervenierenden Großmächten zu übertragen. Aber aus den genannten Gründen erwies sich dies als schwierig.

Eng mit Frankreich liierte Regionalmächte wie die Regime von Gabun und Kongo-Brazzaville, beides Ölstaaten, fordern nun von Paris, seine Bereitschaft zur Unterstützung wankender Regime unter Beweis zu stellen. Vor allem der gabunische Präsident Omar Bongo, der seit 1967 ununterbrochen amtiert und das dienstälteste Staatsoberhaupt des Kontinents ist, verfügt über nicht geringe Macht.

Bereits 2001 verkündete er laut, er besitze genügend Material über die französische politische Klasse - mit deren Ränkenschmiedereien er seit über 40 Jahre eng vertraut, und mit der sein Regime dicht verflochten ist - "um die Fünfte Republik zehn mal hochgehen zu lassen". Und von Gabun aus sendet das im ganzen französischsprachigen Afrika und auch in Paris gehörte, professionell gemacht "Radio Africa Numéro 1".

Humanitärer Vorwand Darfur-Konflikt

Im zentralen Afrika kommt aus französischer Sicht das Risiko einer dauerhaften Destabilisierung der Regime hinzu, da Tschad und Sudan die Rebellenbewegungen auf dem Boden des jeweils anderen Staates unterstützen. In Paris führt man an, dass dieser Brandherd zudem auf die Zentralafrikanische Republik übergreifen könne, da die dortigen Rebellen wiederum mit den tschadischen bewaffneten Opponenten liiert sind.

Ein solches grenzübergreifendes Szenario hat zwar bereits Tradition: Idriss Déby kam im Tschad 1990 (mit französischer Hilfe) an die Macht, weil er sich auf den Sudan stützen konnte, und Bozizé ergriff 2003 mit ausdrücklicher Billigung durch Paris vom Tschad aus die Staatsmacht.

Aber derzeit sieht man in Paris die regionalen Gleichgewichte zu sehr am Wackeln. Die, bislang eher rein symbolischen, internationalen Bemühungen um eine Eindämmung des Gemetzels in der sudanesischen Westprovinz Darfur liefern Paris nun eine scheinbar einwandfreie humanitäre Begründung: Greife es nicht ein, so würden die Anstrengungen um eine Regelung des Konflikts um Darfur hintertrieben.

Unter Berufung auf das humanitäre Anliegen einer Beendigung des dortigen Gemetzels handelt Frankreich aber im Moment vorrangig, um die Regime der Nachbarländer zu stabilisieren. Eine Lösung im Sudan selbst befördert das nicht unbedingt.

Aktuelle Ergänzung:

Die Beziehungen zwischen Frankreich und seinen afrikanischen Ex-Kolonien und "Hinterhöfen" sind an diesem Wochenende auberordentlich angespannt. Die Republik Niger hat am Samstag offiziell ihr Absicht verkündet, gegen den französischen Fernsehmoderator Pascal Sevran Strafanzeige vor französischen Gerichten aufgrund seiner rassistischen Äußerungen zu erstatten.

Sevran, Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Senders France 2, Leiter von Fernsehshows sowie Schriftsteller, hatte in einem Interview mit der südfranzösischen Zeitung Var Matin unter anderem erklärt:

Der Schwanz der Schwarzen ist schuld am Hunger in Afrika.

Dies widerspricht nicht nur ökonomischen Tatsachen – der Kontinent ist rohstoffreich und könnte sich im Prinzip selbst ernähren, so dass die Ursachen der dringlichsten Probleme eher auf Weltwirtschaftsstrukturen denn die Bevölkerungszahl zurückzuführen sind -, sondern zeugt auch von einer enormen Arroganz. France 2 hat Pascal Sevran vorige Woche eine Abmahnung erteilt. Mit ihm wird zugleich einer der wichtigsten Unterstützer des rechten Präsidentschaftskandidaten Nicolas Sarkozy aus dem Bereich der "Zivilgesellschaft" in der Öffentlichkeit geschwächt.

Zugleich hat der Präsident von Ruanda, Paul Kagamé, in einem längeren Interview mit der Wochenendausgabe des Figaro, Frankreich zu einer öffentlichen Entschuldigung aufgrund seiner Rolle beim Völkermord in Ruanda (1994) aufgefordert. Solche Zwischenfälle zwischen afrikanischen Regierungen und der ehemaligen Kolonial- oder "Schutzmacht" wären vor 15 oder 20 Jahren noch kaum denkbar gewesen. Einer hatte es gewagt, in rüdem Tonfall mit Frankreich zu sprechen: Thomas Sankara, Präsident von Burkina-Faso seit 1983. Doch er wurde 1987 durch Miltärs der Armee seines Landes ermordert; die Rolle, die Paris dabei spielte, bleibt bisher undurchsuchtig.

Im Hintergrund jedoch interveniert Frankreich zur Zeit stärker auf dem afrikanischen Kontinent, als dies im vergangenen Jahrzehnt je der Fall war. In der Wochenendausgabe des Figaro findet sich auch ein Korrepondenbericht aus Bangui (Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik), wo soeben die Rebellen mit französischer Hilfe niedergeschlagen worden sind, unter dem Titel: "Frankreich schwingt sich erneut zum 'Gendarmen Afrikas' auf".

Die Pariser Tageszeitung Libération titelte ihrerseits am Donnerstag: "Afrika: Frankreich ist zurück" und "Paris findet zu seinen alten Reflexen bezüglich Afrikas zurück". In dem Artikel, der vom aktuell anhaltenden militärischen Eingreifen der Franzosen im Tschad und in der Zentralafrikanischen Republik handelt, heißt es:

Noch sind nicht die Zeiten zurück, in denen französischen Fallschirmjäger – es war 1978 – über Kolwezi in der Demokratischen Republik Kongo abspringen (um das damalige Mobutu-Regime vor einer Rebellion zu retten). Aber das üble Image ist da, und das Klischee hält sich hartnäckig: Frankreich beibt sich in Afrika fest, dem letzten Ort der Erde, wo es auch ohne Mandat (der UN) seine Macht ausspielen kann, um befreundete oder unterworfene Regime an der Macht zu halten.