Tod eines "Freiheitskämpfers"

Saddam Hussein ist hingerichtet worden und die rechtsextreme Szene hat offenbar einen guten Kameraden verloren

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Der frühere irakische Machthaber Saddam Hussein ist am Samstag hingerichtet worden. Die Neonazi-Szene trauert dem Mann, dem schwere Menschenrechtsverletzungen zur Last gelegt wurden, nach. Fordert die NPD üblicherweise die „Todesstrafe für Kinderschänder“, so kritisiert die Partei jene Vollstreckung des Todesurteils nun als „Rache und Siegerjustiz“. In Szene-Foren halten sich jene, die den Tod begrüßen, in der Minderheit. Das Gros der Braunszene findet indes, dass kein irakisches Gericht, sondern „USraelis“ die Hinrichtung beschlossen haben. „Ein großer Freiheitskämpfer wider den US-Imperialismus ist von uns gegangen“, findet ein Neonazi. In München gedachten Rechtsextremisten Hussein.

„Und jetzt stellt er sich als Märtyrer hin. erbärmlich. aber ich muss sagen in seiner Diktatur gab es zwar folter und Verfolgung von Regimegegnern, aber es sind auf jeden fall weitaus weniger leute gestorben als zurzeit unter herrschaft von terror bush,“ schreibt ein Neonazi im Forum einer bekannten Rechtsrockband. Später fragt er sich noch, „obs überhaupt der Echte war?“ Da sich einige anderen Diskussionsteilnehmer auch abfällig über den ehemaligen Diktator äußern, ergänzt ein Neonazi schließlich: „wie respektlos ihr über diesen großen und bewundernswerten Mann redet ist ja wohl das letzte...“ Und in einem anderen großen Szene-Forum merkt ein User über die ehemalige Baath-Partei des Diktators an, sie sei „ein[e] Nationalistische Arabische Partei. Sie sind unsere Brüder im Geiste. Lang lebe der irakische Widerstand!“

Das Spektrum der Meinungen reicht in Foren und Stellungnahmen der Braunszene von Zustimmung und Kritik zur Hinrichtung bis zur Verklärung Husseins als Märtyrer. Auffallend ist bei nahezu allen Beiträgen, dass Verschwörungstheorien die Runde machen. Schon die Festnahme sei „eine perfekte Inszenierung“ gewesen. Ebenso sei auch Husseins Hinrichtung ein „Trauerspiel des USraels Journalismus“, findet ein Neonazi im Forum des „Freien Widerstandes“. Das Neonazi-Portal „Störtebeker-Netz“ schreibt derweil, dass „die Richter der irakischen Marionettenregierung bei ihrer Urteilsfindung US-amerikanischen Vorgaben Folge leisteten“ und dass „diese juristischen Farcen“ an die Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse gegen die Größen der NS-Diktatur erinnerten.

In Anlehnung an einen solchen Vergleich schreibt der rechte Verschwörungstheoretiker Gerd Honsik in einer Stellungnahme, „nie“ sei „ein Staatsmann wegen geringfügigerer Vorwürfe gehenkt worden“. Honsik spielt darauf an, dass das Todesurteil nur wegen einer im Vergleich zu anderen Vorwürfen geringen Straftat verhängt wurde und die Aufklärung weiterer Straftaten sowie deren Hintermänner „nicht zu seinen Lebenszeiten verhandelt werden durfte[n]“. Honsik weiter: „Jetzt ahnt man auch, warum [der Reichsführer SS] Heinrich Himmler seinerzeit den Nürnberger Prozeß nicht erleben durfte und rechtzeitig beim Verhör [durch Selbstmord; mik] verschied.“ Während in anderen Foren im Zusammenhang mit den „Nürnberger Schauprozessen“ das damalige Deutschland als ein „einziges zwangsbefriedetes Umerziehungslager“ beschrieben wird, kommentiert ein Neonazi einen Bericht dazu beim „Störtebecker“-Schwesterportal „Altermedia“ so: „Die Iraker lassen sich keine BRD II in ihrem Land installieren….!“

Dabei will die rechte Szene sowieso andere am Galgen sehen. Unter „Altermedia“ kommentiert etwa ein Neonazi: „Warum hängt man Bush, Blair, Aznar & Co. nicht gleich daneben?“ Ein weiterer findet: „Ich möchte mich hiermit offiziell als Henker anmelden, wenn die israelischen, amerikanischen und britischen Massenmörder ihrer gerechten Strafe zugeführt werden!“ In ihrer ganz besonderen Art von Ironie kommentiert dies die „Schriftleitung Altermedia“ mit den Worten: „Bitte hinten anstellen und nicht drängeln.“ Später merkt ein Neonazi indirekt an, hinter Husseins Hinrichtung stehe nur der „fundamentalistische Christ-Jude und Zionist Bush“ und „Israel, für das dieser Stellvertreterkrieg unter Leitung der Moses-Juden und Zionisten Wolfowitz (heute: Weltbankpräsident), Perle, Feith, Fromm [...] geführt wurde.“

„Alles für Deutschland, Freiheit für den Irak!!“, kommentiert ein Neonazi unter „Altermedia“ mit einer SA-Losung den „Kampf“ des deutschen und des irakischen Volkes gegen den gemeinsamen Feind. Ähnliche Bündnisse scheinen auch Vertreter der NPD-Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“ (JN) zu befürworten. Einer JN-Stellungnahme zufolge hielten sie am Sonnabend anlässlich der Hinrichtung eine „Mahnwache“ in „Erinnerung an den irakischen Präsidenten Saddam Hussein“ mit zwanzig Personen vor der US-Botschaft im München ab. Grund: „Saddam Hussein stand als Sozialist nationaler Prägung im geistigen Schulterschluß mit der völkischen Freiheitsbewegung in Deutschland.“ Der Ex-Diktator aber sei „feige“ ermordet worden von dem „Usraelische[n] Terrorregime“, findet der NPD-Parteinachwuchs. Die JN glaubt zudem, ungeachtet ihrer sonstigen Forderung nach der „Todesstrafe für Kinderschänder“: „Eine militärische Erschießung wurde ihm verwehrt. Die Verwendung solch mittelalterlicher Hinrichtungsmethoden [wie mit dem Strang] ist ein weiteres Merkmal für den geistigen ‚Fortschritt’ des Mordregimes.“

Auch wenn der Bundesvorsitzende der NPD, Udo Voigt, nicht ganz so harsche Töne anschlägt, eigentlich meint er dasselbe, wenn er kundtut: „Die ungeheuren Verbrechen der Alliierten am irakischen Volk [sind] die Ursache für den Schauprozeß gegen Saddam Hussein gewesen“. Durch die Hinrichtung wolle man nur von jenen eigenen Verbrechen ablenken. Der Tod des Ex-Diktators durch die „Vasallen der USA“ zeige „einmal mehr das wirkliche Gesicht des amerikanischen Imperialismus!“ Doch nicht bei allen „Kameraden“ treffen Voigts Worte auf Gegenliebe: „Endlich ist dieser Verbrecher tot“, findet im FW-Forum ein „Ex-NPDler“. In einem NPD-eigenen Webforum kann man lesen: „Letztlich töten US-Vasallen einen anderen – lästig gewordenen – US-Vasallen (falls er denn überhaupt wirklich getötet wurde)...“

Unter „Altermedia“ kommentiert ein Neonazi Voigts Äußerungen und die JN-Mahnwache kritisch: „Man kann’s auch übertreiben mit den Solidaritätsbekundungen für diesen orientalischen Despoten.“ Im Forum eines großen Rechtsrock-Versandhandels findet sich in einem Kommentar: „Hussein zu gedenken, halte ich für völlig übertrieben. Man darf nicht vergessen, dass er auch viele Menschenleben unrechtmäßig auf dem Gewissen hat und im ersten Golfkrieg noch mit den US-amerikanischen Agressoren unter einer Decke im Krieg gegen den Iran steckte.“ Das findet Zustimmung: „Saddam als Martyrer zu feiern ist ja wohl mal echt daneben.“ Im einflussreichen Skadi-Forum bilanziert jemand: „Wer Kinder und Frauen ohne mit der Wimper zu zucken dem Tode ausliefert, gehört aus der Welt geschafft.“

Vergessen scheint fast in all den Diskussionen und Stellungnahmen, wie Neonazis Hussein als einfachen Ausländer in Deutschland willkommen heißen würden. Ideologische Widersprüche einer ausländerfeindlichen Szene, wie unlängst noch bei den verhinderten Kofferbombenanschläge auf zwei Regionalzüge (Aus Freund wird wieder Feind), scheinen fasst vergessen. Manchmal indes findet man diesbezüglich doch Klartext, etwa im Skadi-Forum: „Und wisst ihr was mich richtig freut?“, fragt ein Rechtsextremist rhetorisch dort. „Das dieser elendige Kameltreiber gehängt wurde wie ein gemeiner Verbrecher. Nix wars mit Ehrentod und Märtyrer, Mr. Muselmann!“