Kurzer Prozess

Motassadeq am 2. Verhandlungstag zu 15 Jahren Haft verurteilt

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Im Eiltempo wurde der Fall Motassadeq vor dem hanseatischen Oberlandesgericht (OLG) verhandelt (Juristischer Sonderfall): Nur zwei Tage brauchte der 7. Strafsenat, um am Montag die Höchststrafe gegen den ehemaligen Kommilitonen und Freund Mohammed Attas zu verhängen. Viel zu verhandeln gab es indes nicht, denn der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hatte die ansonsten in Strafprozessen übliche Beweisführung von der Tagesordnung gestrichen und am 16. November 2006 selbst ein rechtskräftiges Urteil gegen den Ex-Technik-Studenten - „schuldig wegen Beihilfe zum Mord in 246 Fällen“ - selbst gesprochen. Lediglich das Strafmaß durfte die Hamburger Kammer eigenständig bestimmen - fast eigenständig, denn auch hier gab es eine Vorgabe aus Karlsruhe: Das Urteil musste höher sein als die sieben Jahre Haft, zu der Motassadeq am 20. August 2005 vom 4. Strafsenat des Hanseatischen OLG wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verurteilt worden war. Motassadeqs Anwälte wollen weder das BGH-Urteil noch das vom OLG verhängte Strafmaß akzeptieren und kündigten an, alle juristischen Instanzen der BRD zu nutzen und sich gegebenenfalls die Option Europäischer Gerichtshof (EuGH) offen zu halten.

Es war ein langer Tag für die Hamburger Richter: Am frühen Morgen begann der Prozess, erst am Abend wurde das Urteil verkündet. Dazwischen wechselten sich Verhandlung und Beratungspause ab. Offensichtlich hatten sie sich zum Ziel gesetzt, den Fall Motassadeq am heutigen Montag um jeden Preis zum Abschluss zu bringen.

Motassadeqs Anwälte Ladislav Anisic und Udo Jacob versuchten alles in ihrer Macht Stehende, ihrem Mandanten dieses Urteil zu ersparen oder es zumindest hinauszuzögern. Nachdem klar war, dass die Kammer den Anträgen der Anwälte vom vergangenen Freitag auf Aussetzung des Verfahrens wegen Unrechtmäßigkeit des Gerichtes und des gesamten Verfahrens überhaupt ablehnte, stellten Anisic und Jacob neue Anträge auf Aussetzung des Verfahrens sowie Befangenheitsanträge gegen die Richter. Außerdem versuchten sie beim Bundesverfassungsgericht eine Einstweilige Anordnung auf Aussetzung des Verfahrens zu erwirken, die indes abgelehnt wurde.

Motassadeq selbst, der zwei Prozesse mit stoischer Ruhe über sich ergehen lassen hatte, brach sein Schweigen und schwor „bei Allah“, dass er von den Anschlagsplanungen nichts gewusst habe. Damit konnte er die Richter offenbar nicht überzeugen.

Der Fall Motassadeq ist eine Never-Ending-Story: Bereits zwei Mal wurde vor dem Hamburger OLG gegen den Marokkaner verhandelt, dem vorgeworfen wird, zu der so genannten „Hamburger Zelle“ um Mohammed Atta gehört und in die Pläne für die Terroranschläge vom 11. September 2001 eingeweiht gewesen zu sein. „Unser Plan ist ganz einfach“, erläuterte Anisic nach der Urteilsverkündung gegenüber der Presse. „Wir werden Revision einlegen, die Verfassungsbeschwerde weiter verfolgen und außerdem die Möglichkeit prüfen, das Verfahren neu aufzurollen“. Sollten all diese Pläne scheitern, wollen die Anwälte den EuGH anrufen.

Die Zwischenzeit wird Motassadeq wohl im Knast verbringen. Nach Ende der Haftzeit - oder im Falle eines rechtsgültigen Freispruchs durch irgendein Gericht irgendwo auf der Welt - wird er umgehend aus der BRD ausgewiesen werden, das kündigten die zuständigen Behörden schon vor geraumer Zeit an.