Atom-Angeber Iran

Iran/USA: Spiel mit Bluff?

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"Iran will seinen Einfluss im Nachbarland Irak ausbauen", "Iran steht kurz vor der Urananreicherung im großen Stil": Derartige Meldungen wechseln sich im täglichen Rhythmus ab, einmal geht es um gefährliche, geheime Aktivitäten im Nachbarland und dann wieder um geheime und gefährliche Aktivitäten in der nuklearen Zone. Die gefühlte Bedrohung durch Iran wird ständig genährt, weniger mit handfesten Informationen, immer mehr durch Verzerrungen und Übertreibungen.

Der ehemalige deutsche Außenminister Joschka Fischer ist ganz sicher nicht der Einzige, dem diese "Signale bekannt vorkommen aus der Anlaufphase zum Irakkrieg". Sollte dies alles nur dem "Druckaufbau für Verhandlungen" dienen, so Fischer, würde ihm das keine Sorgen bereiten, "sollte es aber auf die Wiederholung der Regime-Change-Politik im Iran hinauslaufen, werden wir, glaube ich, in einer anderen Welt aufwachen".

Interessant ist diese Bemerkung, die Fischer kürzlich in einem Interview machte, auch deshalb, weil sie von einem Mann stammen, der bislang kein Hehl daraus gemacht hat, dass er dem Nuklearprogramm Irans in Zusammenhang mit den hetzerischen Reden des iranischen Präsidenten größeres Bedrohungspotential attestiert.

Auffallend ist schon, wie zur Zeit in westlichen Medien mit dem Thema Iran umgegangen wird. Die Neigung, jede Äußerung aus dem Land unter Verdacht zu stellen, ist groß, und stark offensichtlich auch der Reiz, Äußerungen über das Land in einem möglichst ungünstigen Licht zu präsentieren.

So ließe sich der heutigen Aufregung über die Aussagen des iranischen Botschafters im Irak, Hassan Kazemi Kumi, die er der New York Times gegenüber gemacht hat und die jetzt als Beweis für den starken Einfluss Irans auf den Irak hoch gepitcht werden, viel heiße Luft entnehmen, wenn man sich die Vereinbarungen genauer ansehen würde, die der ehemalige irakische Ministerpräsident Jaafari im Jahr 2005 bei seinem Besuch in Iran gemacht hat.

Schon damals – am Ende der Amtszeit von Khatami - ging es um die Unterstützung des Irak beim "Wiederaufbau" und in der "Sicherheitspolitik". Meldungen über eine wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den beiden Nachbarländer gibt es, wenn man sie sucht, täglich. Der Unterschied: Während vor nicht allzulanger Zeit noch mit ironischen Untertönen darüber geschrieben wurde, dass Iran von der US-Politik im Irak profitiere, wird die Zusammenarbeit der beiden Nachbarländer, seit US-Präsident Bush seine neue Strategie für den Irak bekanntgegeben hat, jetzt nur mehr als bedrohlich verstanden.

Ganz deutlich zeigt sich das bei der Berichterstattung über das Atomprogramm Irans. Mit großer Selbstverständlichkeit werden Schlagzeile wie diese Iran begins big nuclear build-up hinausposaunt, von unzähligen Zeitungen das Bedrohliche des Nuklearprogramms immer wieder herausgestrichen, durch Zahlen wie "3000 Zentrifugen", aus denen dann im Untertitel schon 54000 werden, "faktisch" erhärtet und mit entsprechenden Sätzen angereichert: "Damit könnten jedes Jahr dutzende Atomsprengköpfe hergestellt werden."

Merkwürdig nur, dass man Iran Glauben schenkt, wenn deren Vertreter in diese Richtung übertreiben.

Dass die Fortschritte im iranischen Nuklearprogramm ein Bluff sein könnten, dieser Spur wird derzeit wenig gefolgt. Eine Ausnahme bildet der gestrige Artikel des Observer-Auslandskorrespondenten Peter Beaumont. Nach dessen "Insider-Informationen" ist die Produktion von hochangereichertem Uran in Iran "chaotischen Bedingungen unterworfen" und das Land "Jahre von der Beherrschung der notwendigen Technik zur Herstellung von Atombomben entfernt". Die technischen Probleme seien größer als nach außen zugegeben würde, außerdem würde dem Land wichtige Schlüsselbausteine fehlen:

A key case in point is that Tehran originally procured the extremely high-quality bearings required for the centrifuges' carbon-fibre 'top rotors' - spinning dishes within the machines - from foreign companies in Malaysia.

With that source closed down two years ago, Iran is making the bearings itself with only limited success. It is the repeated failure of these crucial bearings, say some sources, that has been one of the programme's biggest setbacks...

...critically short of key materials for producing a centrifuge production line to highly enrich uranium - in particular the so-called maraging steel, able to be used at high temperatures and under high stress without deforming - and specialist carbon fibre products. In this light, say some experts, its insistence that it will install 3,000 new centrifuges at the underground Natanz facility in the coming months is as much about domestic PR as reality.

Die tatsächliche Gefahr Irans komme demnach nicht aus seiner technischen Fähigkeit zum Bau einer Bombe, sondern aus seiner "PR"-Arbeit, seiner Propaganda, die mehr vorgibt. Mit dieser "Angeberei" könne Iran den USA oder Israel genau den Vorwand liefern, den diese für einen militärischen Schlag suchen würden. Der rhetorische Boden dafür wird im Westen momentan vorbereitet; bleibt zu hoffen, dass auch diese Rhetorik nur Bluff ist.