Deutschlands Glück ganz unten

Fleißig wird Fasching gefeiert und weltmeisterlich exportiert, aber sonst sieht es bei den Deutschen düster aus - sagt eine britische Studie

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In Deutschland wird verbissen und straff organisiert Fasching gefeiert. Millionen von Menschen taumeln in seltsamen Gewändern durch die Städte, schauen sich stundenlang andere Menschen und Wagen an, die mit Musik und Konfettti an ihnen vorbeiziehen, und hören sich einen Witz nach dem anderen an, nach dem pflichtgemäß getuscht wird. Wer so viel Nonsense in großen Massen genießt, der müsste eigentlich glücklich sein – zumal wenn er trotz HartzIV, aufklaffender Schere zwischen Arm und Reich, Kinderarmut, großer Stillstandskoalition usw. "Weltmeister" nicht nur im Handball, sondern auch im Export ist. Aber wenn es um das Glück geht, stehen die Deutschen nach einer Studie der University of Warwick und des Dartmouth College ganz unten. Unglücklicher sind nur die Portugiesen, aber haben etwa mit dem Fado auch eine melancholische Kultur geprägt.

Den Deutschen geht es schlecht, sagen die britischen Wissenschaftler David G. Blanchflower und Andrew J. Oswald in ihrer Studie Hypertension and Happiness across Nations. Als Maß für Zufriedenheit mit dem Leben kann man vieles nehmen. Die Briten haben sich dazu entschlossen, den Blutdruck zu wählen. Wenn es den Menschen psychologisch gut geht, so wirke sich das auch auf den Blutdruck aus, den man überdies viel leichter messen kann als andere emotionale oder geistige Befindlichkeiten. Bluthochdruck ist schlecht, zeigt, dass es den Menschen psychisch und physisch nicht gut geht, und dessen weltweite Zunahme wird von der WHO als globale Epidemie bezeichnet.

Die Forscher wollen ebenso wie ihre Kollegen von der New Ecomomics Foundation einen Happy Planet Index (HPI) bzw. einen nationalen Happiness- oder Well-Being-Index erstellen, der das gute kapitalistische Bruttowirtschaftsprodukt ersetzen soll, schließlich kommt es in der Tat nicht darauf, möglichst viel Geld in einer hyperventilierenden Marktwirtschaft zu verdienen, sondern möglichst zufrieden mit seinem Leben in seiner Gesellschaft zu sein.

Im Happiness-Index ließ sich jedoch auch ein Zusammenhang zwischen Geld und Zufriedenheit finden, allerdings scheinen kleinere Länder und Inseln auch glücklichere Menschen zu haben. Im Kontext der anderen westlichen Staaten rangierte Deutschland, was die Zufriedenheit anbelangt, beim HPI bereits im unteren Drittel. Hier wurden die Menschen nach ihrer Zufriedenheit befragt, was zwar kein schlechtes Maß zu sein scheint, aber doch auch kulturell etwa vom Erwartungshorizont gefärbt ist und daher einen Vergleich schwer macht. Die Schweiz, Dänemark Island und Österreich liegen an der Spitze, gefolgt von Schweden, Norwegen und Finnland. Deutschland kommt nach Australien und den USA, aber vor Großbritannien, Spanien, Italien, Frankreich, Griechenland und Portugal. Der Mittelmeerraum scheint danach, sieht man von Malta ab, dem Glück nicht zuträglich zu sein.

Die britischen Forscher weisen auf zahlreiche wissenschaftliche Befunde hin, die erhöhten Blutdruck und Herzerkrankungen mit negativen psychischen Befindlichkeiten, beispielsweise mit Angst, Stress und Depression verbinden. Wie sich auch beim HPI gezeigt hat, ist die Lebenszufriedenheit in den osteuropäischen, ehemals kommunistischen Ländern sehr gering. Auffällig ist hier, dass der Durchschnitt der Bevölkerung dort einen höheren Blutdruck als die Menschen in den westeuropäischen Ländern hat.

Allerdings gebe auf nationaler Ebene eben wenig Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen Zufriedenheit und Bluthochdruck. Für ihre Daten haben sich die Wissenschaftler neben anderen Statistiken vor allem auf eine Eurobarometer-Umfrage aus dem Jahr 2001 gestützt. Dabei wurden 15.000 Menschen in den damaligen 15 EU-Mitgliedsländern gefragt, ob sie Probleme mit Bluthochruck hätten. Diese Angaben seien, so die Auskunft der Wissenschaftler, ziemlich verlässlich, auf jeden Fall sehr viel besser als Selbstauskünfte zur Zufriedenheit. Die Befragten hatten vier Optionen zur Beantwortung (überhaupt nicht; nicht mehr als üblich; mehr als üblich; sehr viel mehr als üblich). Für ihren Glücklichkeits- oder Zufriedenheitsindex gingen die Wissenschaftler von einer direkten Korrelation zwischen Bluthochdruck und Zufriedenheit aus und "übersetzten" die Antworten in Angaben zur Zufriedenheit (sehr zufrieden, zufrieden, nicht ganz zufrieden, überhaupt nicht zufrieden).

Das Geschlecht scheint auf den Zusammenhang zwischen Zufriedenheit und Bluthochdruck keinen Einfluss zu haben. Die Korrelation zwischen längerer Lebenserwartung und höherer Zufriedenheit ist schwach, dagegen haben die Menschen mit höherer Bildung eher weniger Bluthochdruck. Am zufriedensten wären nach dieser Analyse die Menschen in Irland, Dänemark, Holland und Schweden. Am unteren Ende befinden sich erstaunlicherweise Finnland, gefolgt von West- und dann Ostdeutschland, am Ende befindet sich Portugal. Warum Finnland, ansonsten besser eingestuft, hier am unteren Ende steht, können sich die Wissenschaftler nicht erklären.