Folter im Ausland straffrei?

Ein US-Bezirksgericht wies eine Klage gegen den ehemaligen Verteidigungsminister aus formalen Gründen zurück, obgleich die Vorwürfe der Kläger, in Afghanistan und im Irak gefoltert worden zu sein, bestätigt wurde

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Nach dem unglaubwürdigen Geständnis von Khalid Scheich Mohammed vor dem Militärgericht in Guantanamo ("Der Islam hat kein grünes Licht zum Töten gegeben") hat nun ein weiteres Verfahren gegen den Australier David Hicks begonnen, der seit fünf Jahren als "feindlicher Kämpfer" in Guantanamo in Haft ist. Auch er legte vor dem Militärtribunal nach einer gerichtlichen Farce, bei der der Richter gleich einen Verteidiger aussperrte und dem verbliebenen Militärverteidiger mit einer Disziplinierungsstrafe drohte, gleich ein Geständnis ab – vermutlich um möglichst schnell nach Australien überstellt zu werden. Dort dürfte er bald freigelassen werden. In Guantanamo, so zeigt sich, finden scheinlegale Schauprozesse statt, die an stalinistische Inszenierungen erinnern. Sollte die Bush-Regierung mit solchen Verfahren fortfahren, dürfte dies das Ansehen der USA und ihrem Einstehen für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ebenso wie dem gesamten demokratischen Westen weiteren erheblichen Schaden zufügen. Dazu beitragen könnte aber auch der Beschluss eines Gerichts, das eine Klage gegen den ehemaligen Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und andere Militärs abgewiesen hat, die für Folter verantwortlich gemacht werden.

2005 hatten die Bürgerrechtsorganisationen Human Rights First und American Civil Liberties Union zusammen mit einigen ehemaligen Offizieren die Klage von neun früheren Häftlingen unterstützt, die in US-Gefangenschaft im Irak und in Afghanistan gefoltert wurden. Für die Folter wurden Rumsfeld sowie General Ricardo Sanchez, der ehemalige Kommandeur der US-Truppen im Irak, Oberst Thomas Pappas vom Militärgeheimdienst und Generalin Janis Karpinski, ehemalige Kommandeurin von Abu Ghraib, verantwortlich gemacht.

Die Gefangenen seien geschlagen, sexuell gedemütigt, mit Messern verletzt, lange Zeit in schmerzvollen Haltungen gezwungen, mit dem Tod bedroht oder Scheinhinrichtungen ausgesetzt worden. Alle Kläger wurden, ohne dass jemals Anklage erhoben wurde, nach Haftzeiten bis zu einem Jahr wieder freigelassen. Die Kläger fordern Schadensersatz und ein Urteil, dass die Angeklagten die Verfassung der USA, US-Rechte und internationales Recht verletzt haben, indem sie Folter und Misshandlungen angeordnet oder gebilligt haben.

Nach dem Beschluss des Richters wird die Klage abgewiesen, weil die US-Verfassung nicht für Ausländer in anderen Ländern gelte und Rumsfeld als ehemaliger Verteidigungsminister sowieso Immunität genieße. Die Kläger haben also kein Recht, eine Klage vor einem amerikanischen Gericht einzureichen, was unter Absehung einer internationalen Gerichtsbarkeit, der sich die USA nicht unterworfen haben, und der Immunität, die für US-Regierungsangehörige in Afghanistan und Irak ausgehandelt wurde, bedeutet, dass hier das Recht ebenso ausgesetzt wird wie bei den Militärtribunalen und ganz allgemein bei der Einstufung von Menschen als "feindlichen Kämpfern".

Die Bestätigung des rechtlichen Ausnahmezustands, das die US-Regierung für sich im Kampf gegen den Terrorismus in Anspruch genommen hat, durch den amerikanischen Richter ist vor allem deswegen bedauerlich, weil dieser in seinem Urteil davon ausgegangen ist, dass die Angeklagten tatsächlich gefoltert und misshandelt wurden. "Trotz der schrecklichen Foltervorwürfe", so der Richter Thomas Hogan, habe er keine rechtliche Grundlage für Annahme der Klage finden können. In seiner Begründung argumentierte der Richter ganz pragmatisch. Wenn man Schadensersatzansprüche gegen Militärs im Krieg zulassen würde, würde man "Feinden die Möglichkeit eröffnen, unsere eigenen Gerichte zu benutzen, um die Fähigkeit der Streitkräfte zu behindern, entschieden und ohne Zögern zu handeln".