Falsch gepeilt?

Die englische Regierung legt Beweise dafür vor, dass ihre Marineangehörigen in irakischen Hoheitsgewässern operiert haben sollen und bezichtigt Iran falscher Positionsangaben

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Die 15 britischen Marineangehörigen sollen sich bei ihrer Operation, die zur Festnahme durch Mitglieder der iranischen Revolutionären Garden geführt hat (vgl. ), „1,7 Seemeilen innerhalb irakischer Hoheitsgewässer“ befunden haben, gab die Royal Navy heute am späten Vormittag bekannt. GPS-Beweise sollen diese Behauptung stützen. Ob damit die Kernfrage im derzeitigen Konflikt zwischen Großbritannien und Iran eindeutig geklärt ist und die Krise bald gelöst werden kann, bleibt bis zur offiziellen Stellungnahme aus Teheran abzuwarten. Man darf darauf gespannt sein, denn die Beweisführung enthält einen heiklen Punkt, der es Iran erschweren könnte, in der Sache Zugeständnisse zu machen.

Aus britischer Sicht ist die Beweislage geklärt: GPS-Daten, so der Vizeadmiral Charles Style, würden eindeutig belegen, dass das Personal der Royal Navy von Angehörigen der iranischen Marine in einem Hinterhalt „well inside Iraqi waters“ festgenommen wurden. Vor einer Karte sitzend, in der die Positionen des verdächtigen Handelschiffes und der HMS Cornwall, dem Mutterschiff, von dem die britischen Schlauchboote zur Überprüfung losfuhren, eingezeichnet waren, präsentierte der Vizeadmiral im Londoner Verteidigungsministerium, GPS-Beweise und Positionsinformationen eines Helikopters.

Das Verteidigungsministerium stützt seine Beweise unter anderem auf GPS-Informationen von einem Gerät, dass sich an Bord eines der beiden Schlauchboote befand. Beide Schlauchboote befinden sich derzeit in iranischen Händen, was ein eigener Streitpunkt ist, da die Briten in einem ähnlichen Fall 2004 ihr Boot nicht zurückbekamen. Das Boot soll Positionsangaben an das Mutterschiff HMS Cornwall gefunkt haben, das „in der Lage war, die Positionen kontinuierlich zu erfassen und aufzuzeichnen („chart“)“.

Auf dem GPS-Empfänger soll die Position des Schiffes zu sehen sein. Bild: MoD

Weitere Beweise sollen „Informationen“ eines britischen Lynx-Helikopters liefern, der die Aktion, wie aus dem Bericht eines Reporters des Independent an Bord der HMS Cornwall hervorgeht, teilweise aus der Nähe verfolgt hat. Am Sonntag soll der Helikopter, der von der HMS Cornwall aus operierte, die Position bestätigt haben. Er überflog noch einmal das Schiff, welche die englischen Marinesoldaten am Freitag überprüften, als sie von iranischen Revolutionären Garden, wie berichtet wurde, festgenommen wurden. Das Schiff, nach Angaben des Guardian mit indischer Flagge, soll dem Kapitän zufolge ihre Position seit Freitag nicht verändert haben. Warum, wird nicht weiter erklärt. Für Style ist dadurch aber klar:

The position was 29 degrees 50.36 minutes north, 048 degrees 43.08 minutes east. This places her 1.7 nautical miles inside Iraqi territorial waters.

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Dem Bericht des Independant-Reporters zufolge waren die britischen Matrosen auf das Schiff aufmerksam geworden, weil es den Verdacht auf Schmuggelgeschäfte erregte.

Positionsangeben der Iraner nach Angaben des britischen Verteidigungsministeriums (größer

Die iranische Seite dürfte es nach den Ausführungen der britischen Regierung nicht leicht haben, ihr Gesicht zu wahren. Denn die Argumentation des Vize-Admirals kritisierte ausdrücklich „falsche Angaben“ der Iraner. Diese hätten zwei unterschiedliche Positions-Angaben gemacht und erst die zweite, die korrigierte, die anscheinend am Montag übermittelt wurde, zeige eine Position innerhalb iranischer Gewässer an. Die erste, die Iran den britischen Behörden am Samstag übermittelt habe, liege klar auf irakischem Gebiet.

Man darf nun gespannt sein, wie die offizielle iranische Stellungnahme zu den Beweisen und Vorwürfen der britischen Regierung aussieht. Einiges spricht dafür, das dies nicht allzu schnell geschehen wird, zumal es in den letzten Tagen Spekulationen darüber gab, dass es angesichts der unterschiedlichen politischen Kräfte in Iran einige Zeit dauert, bis eine koheränte offizielle Linie gefunden wird. Zur Zeit wird die Angelegenheit der 15 Gefangenen im Nationalen Sicherheitsrat behandelt, so die Informationen des Iran-Korrespondenten und Bloggers Martin Ebbing, für den dies darauf hindeutet, dass die Angelegenheit in Iran sehr ernst genommen wird.

Wie die Nachrichtenagentur IRNA heute berichtet, habe man bereits GPS-Koordinaten bekannt gegeben, die deutlich machen, dass sich die britischen Marineangehörigen „0,5 Kilometer weit in iranischem Hoheitsgebiet befunden hätten“ - eben die korrigierte zweite Positionsangabe, von der Vizeadmiral Style heute sprach.

Die große Frage ist jetzt, wie die Lösung des Konflikts zwischen den beiden Ländern jetzt aussehen wird. Von westlicher Seite wird großer Druck aufgebaut. Blair sprach gestern davon, dass man in eine „neue Phase“ eintreten werde, nachdem von iranischer Seite keinerlei konkrete Signale für eine bevorstehende Freilassung der 15 Gefangenen kamen. Heute sollen nach der Beweisvorlage der Briten noch eindeutige Stellungnahmen der EU erfolgen. Von iranischer Seite heißt es laut IRNA, welche die Position der iranischen Botschaft in Großbritannien übermittelt:

We are confident that Iranian and British governments are capable of resolving this security case through their close contacts and cooperation in which would prevent the reoccurrence of such incidents in the area.

Zwar ist die Regierung Blair wie die iranische Regierung bislang bemüht, den Konflikt um die Gefangenen von anderen Themen zu trennen, etwa von der Spekulation, dass die britischen Gefangenen in Iran gegen von den USA festgenommene Mitglieder der Revolutionären Garden getauscht werden sollten, doch könnte sich durch andere Aktionen die Situation verschärfen. So etwa die Ankündigung eines größeren Manövers im Golf durch die USA, nachdem nun die Flugzeugträger-Einheit USS John C. Stennis im Golf angelangt ist und dort die USS Dwight D. Eisenhower Carrier Strike Group verstärkt :

This exercise demonstrates the importance of both strike groups’ ability to plan and conduct dual task force operations as part of the U.S. long-standing commitment to maintaining maritime security and stability in this region.

Die britische Soldatin Turney im iranischen Fernsehen

Update: Als "humanitäre Geste" hat Iran angekündigt, die einzige Frau unter den gefangenen britischen Soldaten freizulassen. Damit will man wohl einerseits den Konflikt entschärfen, verbindet die Freilassung aber damit, dass die britischen Soldaten zugeben, in iranisches Gewässer eingedrungen zu sein. Im Fernsehen wurde ein Video gezeigt, auf dem man die Soldaten essen sieht und die Soldatin Faye Turney interviewt wird. Sie sagt, man habe sie alle gut und freundlich behandelt und ihnen den Grund der Festnahme erklärt. Gezeigt wurde auch ein Brief von Turney an ihre Eltern, in dem sie "gesteht", was passiert ist.