Auch Russlands Behörden wollen lauschen

Die alte Verführung durch neue Möglichkeiten

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Den Sicherheitsbehörden vieler Staaten ist das Internet unheimlich. Man fürchtet, daß dort allerhand geschieht, was den wachsamen Augen der Polizei und den Geheimdiensten entgehen könnte. Jetzt hat diese Welle offenbar auch Rußland erfaßt. Wie Guardian berichtet, plant der russische Geheimdienst FSB, Nachfolger des berüchtigten KGB, sich Zugang zu allen Internetaktivitäten der russischen Bürger zu verschaffen. Weit weg von dem, was etwa dem deutschen Innenminister Kanther vorschwebt und vorerst nur verschoben wurde, ist dieses Vorhaben freilich nicht.

Noch ist Sorm, so der Name des Systems, nur ein Entwurf des FSB. Er sieht vor, daß alle Provider eine Überwachungssystem als Black Box in ihre Computer einbauen und diese direkt über eine schnelle Datenleitung mit dem Geheimdienst verbinden sollen. Das System soll es dem Geheimdienst ermöglichen, so der Entwurf, "jede eingehende und ausgehende Information der individuellen Kunden eines Netzwerks abzurufen." Damit können auch dann Profile einzelner Menschen erzeugt werden, wenn diese ihre Mails verschlüsseln.

Die Sorge ist natürlich, daß der Geheimdienst sich dann möglicherweise, wenn eine solche direkte und vom Provider in keiner Weise beeinflußbare Verbindung geschaffen würde, über den eigentlich vorgeschriebenen Rechtsweg beim Abhören hinwegsetzen könnte, der eine richterliche Genehmigung voraussetzt. Aber das ist ja nicht nur in Russland so.

Anatoly Levanchuk, der den Entwurf im Internet veröffentlicht hat, sagte, daß sei so, "als habe man das Ehrenwort des FSB, daß sie ihr Abhörsystem nicht einschalten, das sie einem gerade in die eigene Wohnung oder ins Büro eingebaut haben, wenn sie dies nicht wirklich wollen."

Obwohl ich die angeblich beim russischen Online-Infodienst FCSM, den Levanchuk bis vor kurzem geleitet hat, veröffentlichten Informationen über Sorm nicht gefunden habe, scheint es doch wieder einmal ein großer Vorteil des Internet zu sein, daß solche Projekte, die dem Begehren der ständig nach neuen Beschäftigungs- und Überwachungsmöglichkeiten suchenden Sicherheitskräfte entspringen, schnell an die Öffentlichkeit gebracht werden können.