Online-Werbung

Prognosen gehen dahin, daß die Werbung im Web explosiv anwachsen wird. Noch dominiert die Bannerwerbung, aber das könnte schon bald anders werden. Douglas Rushkoff aber ist überhaupt genervt. Intermercials sind möglicherweise der nächste Trend, dem Benutzer Zeit und Aufmerksamkeit zu stehlen.

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Ich hasse Werbung, ich hasse Dinge, die mich anspringen, und ich hasse es, wenn ich warten muß. Deswegen habe ich bei meinem Web-Browser das Menü "Allgemeine Einstellungen" geöffnet und die Bilder ausgeschaltet. Doch wenn die Institute für Medienmarktforschung mit ihren Analysen recht haben, werden Bannerwerbungen im Web bald verschwunden sein.

Die Bannerwerbungen, die viele der von mir besuchten Web-Sites schmücken, brauchen lange, um herunter geladen zu werden - in den meisten Fällen mehr Zeit als der Rest der Seite.

Ich ärgere mich über die Namen der Firmen auf der Site und fühle mich durch ihre zuckende Bewegung gestört und nicht unterhalten. Ich denke an die Menschen, die als Sponsoren meine Lieblings-Webseiten zahlen, nur als Blutsauger meiner Zeit und Bandbreite. Wenn sie wirklich eine Site unterstützen wollten, würden sie den Zugang zu ihr nicht mühsamer machen.

Nach dem Modell der Sportstadien, die jede mögliche Oberfläche mit einer bunten Werbung überziehen, verkaufen Web-Sites ihren "zusätzlichen" Platz an Werbekunden, von denen die meisten ihre eigenen Webseiten besitzen. Der Zweck der Werbung war, "Klicks" hervorzurufen, die den Benutzer zur Firmensite bringen. Dort könnte der umgelenkte Sucher vielleicht dazu gebracht werden, irgend etwas zu kaufen.

Wie die Werbung im Fernsehen lenkten Bannerwerbungen mit der Zeit die Aufmerksamkeit immer mehr ab. Als wir schließlich gelernt hatten, einen standardisierten horizontalen und bunten Streifen wiederzuerkennen und zu übersehen, begannen die Designer, Animationen einzusetzen, um unsere Augen auf die Werbung zu lenken. Zahlreiche Untersuchungen wurden gemacht, um genau zu bestimmen, welche Farben und Bewegungen am wahrscheinlichsten die meiste Aufmerksamkeit und die meisten Klicks hervorrufen. Man versuche nur einmal, eine komplexe Reihe von Ideen zu lesen oder aufzunehmen, während das Bild eines glänzenden neuen Modemmodells oben auf der Seite herumtanzt.

Jüngste Forschungen haben jedoch gezeigt, daß selbst die verrücktesten Bannerwerbungen wenig wirkliches Interesse oder gar Käufe bewirken. Selbst wenn die Benutzer dazu verführt werden, auf die Bannerwerbung zu klicken, kommen sie dadurch meistens nur auf eine Seite, die nicht spezifisch das von der Werbung geweckte Bedürfnis befriedigt. Anders gesagt: Bannerwerbungen, die eine Chance eröffnen, kostenlos ein Modem zu gewinnen, bringen einen nur zur Hauptseite einer Modemfirma. Von dort aus muß man weiter herumstöbern, um das angekündigte Gewinnspiel zu finden.

Leider ist es noch zu früh, um den Tod der Online-Werbung zu feiern. Man brütet noch Schlimmeres aus: Intermercials. Die neue Idee besteht darin, dem Vorbild des Fernsehens zu folgen und Werbung laufen zu lassen, bevor die vom Benutzer gewünschte Web-Site überhaupt heruntergeladen wurde. Wenn man auf diese Weise beispielsweise zu der Site einer Zeitung kommen will, wird man durch eine wirkliche, den ganzen Bildschirm füllende Werbung mit Videobildern begrüßt. Wenn die Werbung zu Ende ist, kann man auf sie reagieren oder dorthin gehen, wohin man ursprünglich wollte.

Das klingt wirklich gut. Ich denke und hoffe, daß "Intermercials" das Schicksal der Bannerwerbungen erleiden, weil sie dieselben Probleme haben. Was diejenigen, die im Web werben möchten, nicht erkennen, ist, daß es hier keinen Platz für ihre Unterbrechungen gibt, gleich ob sie diese auf der Grundlage des visuellen Grundbesitzes (wie mit Bannern) oder der Zeit zum Herunterladen (wie bei den Intermercials) machen.

Im Web ist das Ziel des Spiels, so schnell wie möglich das, was man will, zu bekommen. Hindernisse sind Feinde, und Firmen, die sich selbst in Zusammenhang mit diesen Hindernissen stellen, werden Popularität verlieren und diese nicht gewinnen. Nebenbei ist die "Kunst" des Werbens die Erzeugung von Wünschen bei passiven Rezipienten. Da wir im Web aber versuchen, aktiv und nicht passiv zu sein, sind wir kein gutes Zielpublikum. Wir haben bereits unsere Wünsche und versuchen, ihnen nachzugehen. Wir haben kein Bedürfnis danach, daß unsere Wünsche durch andere ersetzt werden.

Das größere Problem für die Online-Werbung aber ist, daß durch die interaktive Technologie Werbeanzeigen obsolet werden. Das Internet schließt aus wirtschaftlicher Perspektive die Kluft zwischen Angebot und Nachfrage. Man hält niemanden auf und spielt eine Werbung für ihn ab, wenn er sich schon im Geschäft befindet.

Wir sind jedoch nicht die einzigen, die das erkannt haben. Firmen, die uns etwas verkaufen wollen, werden unweigerlich zu der Einsicht kommen, daß man das Web am besten nicht als Propagandamittel, sondern als Verteilungsnetz benutzen sollte. Sie werden das Modell der Werbung aufgeben und das des Direktverkaufs übernehmen.

Der Plan von Bill Gates für das Microsoft Network als Ort des Handels ist nur der Beginn. Wie in Disneys neuer Wohnsiedlung Celebration, in der der gesamte öffentliche, private und kommerzielle Raum für den Profit des Unternehmens ausgebeutet wird, werden Geschäftsleute bald das ganze Web als kommerziellen Ort betrachten.

Wenn das einzutreten beginnt, muß man aufpassen. Wir könnten uns dann nach den guten alten Zeiten der klar erkenntlichen Bannerwerbung sehnen.

Aus dem Englischen übersetzt von Florian Rötzer

Copyright 1997 by Douglas Rushkoff
Distributed by New York Times Special Futures

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