Klonen und kein Ende

Neue Versuche, neue Verbote, Fortschritte im "Pharming" und der Aufschwung des Bio-Tech-Standorts BRD

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Aufgeschreckt durch das Vorhaben des Mediziners Seed, in den USA eine Klinik zu gründen, um innerhalb von 18 Monaten Menschen zu klonen, hat die Food and Drug Administration (FDA) schnell quergeschossen und bekannt gegeben, daß sie jeden Versuch, ohne Genehmigung Menschen zu klonen, unterbinden wird. Und sondt beeilen sich Wissenschaftler, schnell ihre neuen Erfolge im Klonen zu verkünden, um Aufmerksamkeit zinden.

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Nachdem bereits die EU-Staaten ein Klon-Verbot beschlossen haben, schießen auch Initiativen und Gesetzesvorschläge in den USA auf, um schnell die Schlupflöcher für das bislang Tabuisierte und Verabscheute zu schließen. Präsident Clinton rief den Kongreß dazu auf, das Klonen von Menschen zu verbieten. Letztes Jahr hatte der Präsident kurz nach dem Bekanntwerden von Klon Dolly ein fünfjähriges Moratorium vorgeschlagen, das Klonen durch die Übertragung von somatischen Zellkernen verhindern sollte. In Kraft getreten ist es nicht. Am 1. 1. 1998 wurde in Kalifornien das Klonen durch eben diese Methode verboten. Für viele geht dieses Gesetz aber zu weit. Man müsse sich den Wortlaut solcher Gesetze genau überlegen. Verboten werden solle einzig das Klonen von ganzen Menschen, ohne die wissenschaftliche Forschung hinsichtlich des Klonens von menschlichem Gewebe zu verhindern.

Es gibt in Europa keinen BioTech-Standort, der bessere Bedingungen bietet als Deutschland. Wir haben einen Durchbruch erzielt: das Ausland hat Deutschland als Investitionsstandort in der Biotechnologie wiederentdeckt. Die Akzeptanzkrise in der Bevölkerung ist überwunden.

Pressemitteilung des BMBF vom 20.1.98

Klonen steht derzeit wieder im Zentrum der Aufmerksamkeit. Daher beeilten sich auch gleich Wissenschaftler der University of Wisconsin unter der Leitung von Neal L. First, ihre neuen Forschungsergebnisse der Öfentlichkeit bekannt zu geben. Das Problem der Dolly-Methode ist, daß über 270 Eizellen notwendig waren, um ein teilungsfähiges Ei herzustellen, das sich schließlich zum Embryo entwickelt hat und dann als Lamm geboren wurde. Bei Menschen aber wäre das sehr aufwendig und kaum durchführbar. Daher hatten die Wissenschaftler die Idee, Eizellen von Kühen zu entkernen und in sie den Kern von anderen Säugetieren einzuführen. Das ließe sich, wenn es denn funktionierte, auch bei Menschen anwenden, denn Eizellen von Kühen oder anderen Säugetieren lassen sich genügend gewinnen. Die Eizellen eines Säugetiers, die sich als besonders aufnahmefähig erweisen, ließen sich als "universelle Rezipienten" für die Gene anderer Säugetiere verwenden.

Noch allerdings wurde keine erfolgreiche Schwangerschaft erreicht. In die entkernten Eizellen von Kühen wurde das Genom von Ohrzellen ausgewachsener Schafe, Affen und Schweine eingeführt. Durch einen schwachen Stromschlag wurde die Eizelle mit dem Genom verbunden und die Zellteilung ausgelöst. Nach einigen Tages des Wachstums verpflanzte man dann die ungefähr 100 Zellen umfassenden Embryos in den Uterus von Ersatz-Tiermüttern - und dann war Schluß. Noch wissen die Wissenschaftler nicht, aus welchem Grund, aber sie gehen davon aus, daß wahrscheinlich jede Eizelle eines Säugetiers ein ähnliches Programm enthält, um das genetische Programm jedes anderen Säugetiers starten zu können. Der Kern, nicht die Eizelle, diktiert, welcher Organismus entsteht. Andere Forscher versuchen es auf direktere Weise, indem sie entkernte Eizellen von jungen Frauen verwenden, um dort den Zellkern von älteren Frauen einzupflanzen, die keine lebensfähigen Eier mehr haben. Aber genau eine solche Forschung würde durch Gesetzesformulierungen, wie sie etwa Clinton vorschlägt, unterbunden werden.

Inzwischen ist japanischen Wissenschaftlern des Forschungsinstituts für Tierindustrie in Tsukaba, was sie auch eilends in der Klon-Aufregung bekanntgaben, offenbar gelungen, mit der bislang "einzigartig" gebliebenen Dolly-Methode Klone von Kuhembryonen aus Zellen erwachsener Tiere zu züchten. Die befruchteten Zellen wurden Kühen eingesetzt. Noch seien 12 Kühe schwanger. Ob der Versuch gelingt und tatsächlich geklonte Kälber geboren werden, ist weiter fraglich. Dafür sprangen dann Wissenschaftler an der University of Massacussetts ein, daß sie erfolgreich zwei genetisch identische Kälber mit den Namen George und Charlie geklont haben, nachdem Ian Wilmut, der schottische Dolly-Schöpfer, das bereits mit den Lämmern Molly und Polly geschafft hatte, die ein medizinisch interessantes Protein herstellen. Selbstlos räumte Wilmut ein, daß geklonte Kühe aber einfach besser seien, weil sie mehr Milch mit dem erwünschten Produkt der Tiermaschinen liefern können.

George und Charlie haben zwei veränderte Gene: ein Markergen und ein Gen, daß Zellen resistent gegen ein Antibiotikum macht. Dumm ist nur, daß sie keine Milch geben. Die Klonung von Milchkühen ist daher der nächste Schritt, um dem "Pharming" - also die Herstellung von Medikamenten durch das Halten von geklonten Nutztieren - näherzukommen. Davon erwartet man ein gigantisches Geschäft. Aber offenbar wachsen bereits derartige Embryos auf der texanischen Farm, in deren Milch sich dann das Serum Albumin finden und gewinnen läßt. Mit der hier praktizierten Methode, bei der man ausdifferenzierte Zellen nimmt, sie genetisch verändert und dann wieder in den Zustand bringt, an dem sie sich teilen und jeden beliebigen Zellentyp produzieren können, ließen sich, wie die Wissenschaftler sagen, auch Zellen herstellen, die man Alzheimer- oder Parkinson-Patienten implantieren könne.

Aber natürlich ist man auch in Deutschland nicht faul. In einer Pressemitteilung vom 20.1.1998 betont Forschungsminister Rüttgers, daß man an der strikten deutschen Position beim Verbot der Herstellung von Embryos zu Forschungszwecken und beim Verbot der Keimbahntherapie ebenso festhalte, wie man ein internationales Verbot für das Klonen von Menschen anstrebe. Ethische Fragen bei der Bio- und Gentechnologie seien sehr wichtig, weswegen man ein "Referenzzentrum für Bioethik" einrichten werde, dem vom Ministerium in den nächsten fünf Jahren jährlich eine Million DM zur Verfügung gestellt werden sollen.

Diese ethische Initiative hat den Hintergrund, daß man Deutschland als Standort für die Biotechnologie stärken will. Ähnlich wie in den USA dient das Verbot des Klonens von Menschen dazu, möglichst alles andere freizugeben. Zwar sollen gegen den Vorschlag der Empfehlungen des Rats für Forschung, Technologie und Innovation zur Biotechnologie und Gentechnik die Erzeugung transgener Tiere genehmigungspflichtig bleiben, aber man will die Sicherheitsstufe 1 im Gentechnikgesetz abbauen und gentechnische Genehmigungsverfahren verinfachen und beschleunigen. Der Rat habe festgestellt, daß die "Gentechnik per se kein Basisrisiko" sei. Deshalb müsse man jetzt daraus die rechtlichen Konsequenzen ziehen, um Deutschland in der Biotechnologie nach vorne zu bringen.

Laut Spiegel vom 19.1.1998 sieht Rüttgers Deutschland auf dem Weg zum "europäischen Biotechnologie-Standort Nr. eins", zumindest würde er das gerne so sehen. Tatsächlich hat sich die Zahl der dementsprechenden Firmen 1997 auf etwa 300 verdoppelt. Noch aber sind Deutschland und Europa etwa gegenüber der USA weit zurück. Hatten in den USA Biotechnologiefirmen 1996 einen Umsatz von über 20 Milliarden Mark, so europäische nur von 3 Milliarden und deutsche gerade einmal 550 Millionen. Arbeiteten in den USA 1996 über 100000 Menschen in solchen Firmen, so in Europa nur 27000 und in der BRD gerade einmal 4000. Vielleicht wäre das Klonen von Menschen die "Killer Applikation"?