Jeb Bush im Subprime-Sumpf

Der Präsidentenbruder und zweimalige Gouverneur von Florida gerät in den Strudel der Subprime-Krise

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Anlass sind die Probleme eines öffentlichen Fonds, der wegen seines hohen Bestandes an zweifelhaften Finanzanlagen die Auszahlungen einstellen musste. Gekauft hat der Fonds die Papiere bei einer Investmentbank, bei der Bush kurz zuvor einen Beratervertrag unterschrieben hatte

Der wie ein Geldmarktfonds konzipierte öffentliche Pool wird von rund 1000 Städten, Schuldistrikten und anderen öffentlichen Körperschaften genutzt, um überschüssige Gelder kurzfristig anzulegen. Noch im August war es mit 26 Mrd. USD der größte derartige Pool der USA, der zwar nur geringfügig höhere Zinsen brachte als ein normales Bankdepot, dafür aber auch absolut risikofrei sein sollte.

Von kurzfristig kann jetzt allerdings nicht mehr die Rede sein, denn als im November bekannt wurde, dass der Fonds rund 1,5 Mrd. USD in unverkäufliche Subprime-Assets investiert hatte, stürmten die Investoren zur Kasse und zogen innerhalb weniger Tage 12 Mrd. USD ab. Nachdem fast die Hälfte der Einlagen verloren war, stellte der Fonds am 29. November die Zahlungen ein und Lehrer und städtische Angestellte bangten um die Auszahlung ihres Weihnachtsgelds.

Einen Tag nach der Schließung wurde die Wall Street Investmentfirma BlackRock beauftragt, die zwei Milliarden USD (14 % des Potfolios) an zweifelhaften Investments in einen separaten Fonds „B“ auszulagern, der vielleicht für immer eingefroren bleiben wird. Die verbleibenden 12 Mrd. an funktionierenden Anlagen kamen in einen Fonds „A“, auf den die Anleger nun wieder zugreifen konnten und von dem sie dann innerhalb von drei Tagen sofort 1,8 Mrd. USD abhoben.

Damit ist die Angelegenheit aber noch nicht ausgestanden, denn am 18. Dezember brachte Bloomberg die Verstrickung des früheren Gouverneurs Jeb Bush in die Affäre ans Licht. Der zweimalige Gouverneur von Florida, der im Januar 2007 abgetreten war, hatte mit seiner im Februar gegründete Beratungsfirma erst diesen Juni einen vermutlich gut dotierten Beratervertrag von der Investmentbank Lehman Brothers erhalten; genau der Bank also, die dann im Juli und August um 842 Millionen USD strukturierten Hypothekaranleihen an den Fonds verkaufte, die nun zum Zahlungsstopp geführt haben.

Zu diesem Zeitpunkt müsste innerhalb der Bank jedenfalls längst klar gewesen sein, welche Probleme derartige Anleihen bereiten würden, denn nachdem die Investmentbank Bear Sterns im Juni zwei Hedge Fonds wegen genau solcher Papiere geschlossen hatte (Subprime-Brutalität), galten derartige Finanzprodukte inzwischen längst als nicht zu bewerten und gefährlich. Schon im Juli hatte sich an den Märkten die Bezeichnung „toxic waste“ (Giftmüll) eingebürgert, und selbst im sommerlich heißen Florida hätte es einem professionellen Investmentmanager nicht entgangen sein dürfen, dass die großen Wall Street Banken auf riesigen Mengen nunmehr unverkäuflicher strukturierter Finanzanlagen saßen.

Das Problem mit den verkauften Papieren hatte nun aber nicht mehr Lehman, sondern der Fonds und somit letztlich der Steuerzahler. Verantwortlich für den Fonds war bis zu seinem Rücktritt am 4. Dezember Coleman Stipanovich, Executive Director des "State Board of Administration of Florida", dessen Familie dem Bush-Clan eng verbunden ist und dessen Bruder J.M. "Mac" Stipanovich, ein republikanischer Lobbyist und Parteistratege, bereits 1994 Jebs’ (verlorene) Wahlkampagne geleitet hatte. Coleman, der seit 2000 die öffentlichen Pensions- und andere Gelder Floridas managt und für diesen Job im Vorjahr 180.000 USD erhielt, hatte für den Job übrigens drei persönliche Empfehlungsschreiben vorgelegt, zwei davon von engen Mitarbeitern von Gouverneur Bush, der dem Board des Fonds übrigens bis Januar vorsaß.

Für Jeb Bush wäre es jedenfalls nicht neu gewesen, öffentliche Gelder für Assets zu mobilisieren, die jemand verkaufen will, zu dem er selbst enge und profitable Beziehungen pflegt. Immerhin hatte der damals ebenso von Stipanovich gemanagte und von Bush beaufsichtigte öffentliche Pensionsfonds Floridas 334 Millionen Dollar mit Aktien des Energiehändlers Enron versenkt. Dessen Präsident Kenneth Lay, der einer langjährigen Gefängnisstrafe wohl nur durch einen tödlichen Herzinfarkt im Jahre 2006 entging, war ein guter Freund der Bush-Familie und ein großzügiger Spender in allen Wahlkämpfen. In beiden Fällen dürften öffentliche Fonds aus Florida jedenfalls zu den allerletzten gezählt haben, die schnell noch eine Passage auf den bereits sinkenden Schiffen gebucht hatten. So soll Floridas Pensionsfonds noch 2001 Enron Aktien nachgekauft haben, was dann den höchsten Enron-bezogenen Verlust aller öffentlichen Fonds der USA zur Folge hatte.

Für Lehman Brothers dürfte sich das Engagement von Bush – das laut offizieller Stellungnahme natürlich absolut nichts mit irgendwelchen Anleiheverkäufen oder öffentlichen Fonds zu tun hat, sondern mit „Private Equity“ - jedenfalls gelohnt haben. Das zeigt sich übrigens auch im Jahresergebnis, denn während andere Banken mit ähnlichen Marktpositionen im Subprime-Strukturierungs-Segment bis zu 20 Mrd. USD abschreiben und zumindest deutliche Gewinneinbrüche bekannt geben mussten, fiel das Jahresergebnis bei Lehman heuer sogar noch um fünf Prozent besser aus als im Rekordjahr 2006.

Jebs’ Engagement bei Lehman Brothers ist übrigens nicht die einzige Verflechtung des Investmenthauses mit dem Bush-Clan. Erst im vergangenen Jahr hatte Lehman Brothers einen Cousin zweiten Grades des Präsidenten zum Chef der Vermögensverwaltungssparte berufen. Jeb, der angesichts der offensichtlichen Schwächen aller republikanischen Präsidentschaftskadidaten bereits ernsthaft wie ironisch als Überraschungskandidat durch das Web geistert, gab keinen Kommentar zu den Vorwürfen ab. Er ist mit anderem beschäftigt:blogs.usatoday.com/ondeadline/2007/12/florida-state-s.html, gilt es doch für Florida eine neue Landeshymne auszuwählen, nachdem das als „Swanee River“ bekannte „Old folks at home“ wegen der darin enthaltenen rassistischen Untertöne nicht mehr tragbar erscheint.

Zuvor dürfte er allerdings in recht enger Symbiose mit dem amerikanischen Wohnbau- und Wohnbaufinanzierungsindustrie gelebt haben. Der konservative amerikanische Traum vom Eigenheim im lauschigen Vorort, der angesichts der großen Probleme mit der Zersiedelung politisch erst einmal erlaubt werden muss, konnte also plötzlich mit Subprime-Hypotheken von jedem vorübergehend realisiert werden. Das tatsächlich neben Kalifornien am stärksten in Florida, wozu Jebs’ Regierung einen erheblichen Beitrag geleistet haben soll, zumindest hat er einen großen Teil seiner Wahlkampfgelder aus damit verbundenen Quellen bezogen. Was er jetzt allein Lehman Brothers an Verlusten erspart haben soll, dürfte locker auch für einen Präsidentschaftswahlkampf reichen.