Der Ausbau der Biowaffenabwehrforschung nach 9/11 ist gigantisch

Das Sunshine Project, das sich gegen B-Waffen engagiert, stellt seine Arbeit ein. Ein Gespräch mit Gründer Jan van Aken

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Fast zehn Jahre lang hat sich das Sunshine Project kritisch mit der Entwicklung von biologischen Waffen beschäftigt. Edward Hammond, Susana Pimiento und Jan van Aken haben die kleine deutsch-amerikanische Organisation mit Sitz in Austin (USA) und Hamburg 1999 gegründet. Nun hören sie auf – obwohl noch viel zu tun wäre, wie Gründungsmitglied Jan van Aken (46) sagt.

Eine Welt ohne biologische Waffen. Träumen Sie davon eigentlich noch?

Jan van Aken: Ja, von einer Welt ohne Massenvernichtungswaffen, ohne biologische Waffen, am besten ganz ohne jede Waffe.

Sie haben mit dem Sunshine Project immer angeprangert, wenn irgendwo an biologischen Waffen gearbeitet wird. Nun stellt das Sunshine Project seine Arbeit ein. Warum?

Jan van Aken: Aus Geldmangel. Wir hatten über die Jahre eigentlich nie genug Geld, um wenigstens einen Rechercheur kontinuierlich zu bezahlen. Zuletzt hatten wir nur noch eine Stelle in den USA, aber das lässt sich finanziell nicht mehr durchhalten.

Was haben Sie mit dem Sunshine Project erreicht?

Jan van Aken: sehr viel. Ich hätte nie gedacht, dass drei Menschen so viel bewirken können. Als die USA planten, in Kolumbien mit biologischen Waffen gegen den Drogenanbau vorzugehen, haben wir das im Jahr 2000 mit einer Kampagne stoppen können. Außerdem haben wir unglaubliche Mängel in der Biowaffenforschung in den USA aufgedeckt. Ein Labor musste sogar geschlossen werden. Da hat mein Kollege Ed Hammond in den USA wahrscheinlich mehr für die Biosicherheit in der Welt getan als irgendjemand vor ihm. Generell haben wir das Bewusstsein dafür geschärft, was erlaubt ist und was nicht. Auch in Deutschland, bei der Bundeswehr.

You’re diggin’ your own grave

Wie haben Regierungen auf Ihre Arbeit reagiert?

Jan van Aken: Wenn sie nicht selber direkt betroffen waren, eher positiv. Ich erinnere mich, als wir 2003 das geheime Chemiewaffenprogramm der USA zur Produktion von Betäubungsmitteln aufgedeckt haben, da war der Saal in Den Haag gerammelt voll mit Diplomaten, die anschließend ihren US-Kollegen die Leviten gelesen haben.

Andererseits bin ich in Deutschland angefeindet worden, wenn ich was Kritisches zur Bundeswehr gesagt habe. Wobei die Reaktionen immer gemischt waren. Es gab und gibt in der Bundeswehr und im Auswärtigen Amt Menschen, die zwar nicht gerne angegriffen werden, aber sehen, dass wir die richtigen Dinge ansprechen. In den USA war es etwas anders. Da wurde mein Kollege Ed Hammond auch mal am Telefon von einem Offizier der Marines bedroht mit den Worten: You’re diggin’ your own grave.

Wo wird heute an biologischen Waffen gearbeitet?

Jan van Aken: Man kann das schwer sagen. Biowaffen sind durch die Biowaffenkonvention geächtet. Leider wird dieses Verbot aufgeweicht. Die USA entwickeln gerade gentechnisch veränderte, neue Erreger, die noch gefährlicher sind alles, was wir jemals hatten. Das läuft unter dem Deckmantel der Abwehrforschung, man will sich vorbereiten auf eventuelle Angriffe.

Was ist daran verkehrt?

Jan van Aken: Niemand kann vorhersehen, womit ein möglicher Gegner zuschlagen wird. Denn die Anzahl der Kombinationen an möglichen Erregern und Genen ist unendlich groß. Insofern halte ich das Argument für vorgeschoben.

Warum wird dann an B-Waffen geforscht?

Jan van Aken: Das amerikanische Militärs will technisch immer auf dem neusten Stand sein. Im Moment haben die USA zwar kein Interesse an Biowaffen, aber falls sich die Lage mal ändert, hätten sie das Know How, um solche Waffen zu entwickeln.

Die Gefahr eines Anschlags mit Biowaffen wird überschätzt

Gegen terroristische Anschläge mit biologischen Waffen kann man sich also nicht schützen?

Jan van Aken: Nur bedingt. Aber die Gefahr eines Anschlags mit Biowaffen wird überschätzt. Solche Waffen sind komplizierter als gemeinhin angenommen. Man kann nichts ausschließen, aber wenn es eine B-Waffen-Gefahr gibt, dann geht sie fast ausschließlich von Staaten aus. Oder vielleicht von Mitarbeitern von Hochsicherheitslaboren, die durchdrehen und ihr Wissen für terroristische Zwecke einsetzen. Aber dass Al Qaida sich ein Biowaffenprogramm aufbaut, ist völlig illusorisch. Da sind schon ganz andere Leute vorher dran gescheitert.

Sie haben sich bei ihrer Arbeit vor allem auf die Vereinigten Staaten konzentriert. Warum?

Jan van Aken: In Deutschland haben wir zunächst die Abwehrforschung der Bundeswehr untersucht. Wir haben auch Länderberichte gemacht, etwa zu Frankreich und zur Türkei. Am Ende haben wir uns fast ausschließlich auf die USA konzentriert, ganz einfach weil da am meisten passiert. Der Ausbau der Biowaffenabwehrforschung nach dem 11. September 2001 ist gigantisch.

Verstoßen solche Forschungen gegen die Biowaffenkonvention?

Jan van Aken: Die Konvention verbietet nur die Entwicklung, Produktion und Lagerung von Biowaffen, nicht die Forschung. Aber gegen den Sinn der Biowaffenkonvention verstoßen sie schon. Der Irak ist für viel weniger bombardiert worden. Wenn irgendein Land der Welt solche Labore aufbauen würde wie die USA, würden diese sofort bombardiert werden. Insofern fällt da ein moralische Grenze, wenn die USA jetzt vorpreschen.

Angst vor einem biologischen Wettrüsten

Putin hat neulich gedroht, neue B-Waffen zu bauen.

Jan van Aken: Das ist genau dieses biologische Wettrüsten, das ich befürchte. Im Kriegsfall hält sich sowieso keiner mehr an Konventionen. Ihr wirklicher Schutz besteht darin, dass in Friedenszeiten kein Wettrüsten stattfindet. Wenn jetzt ein neues Wettrüsten beginnt, dann kann man die Biowaffenkonvention gleich beerdigen.

Wie könnte die Rüstungskontrolle verbessert werden?

Jan van Aken: Wir brauchen auch bei den Biowaffen ein rechtlich verbindliches Kontrollabkommen wie bei den Chemiewaffen. Leider haben die USA das bisher verhindert. Wahrscheinlich würden bei Kontrollen Projekte ans Licht kommen, die tatsächlich gegen den Geist der Biowaffenkonvention verstoßen.