Dem Affen ins Hirn geschaut

Funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRT): Das Leuchten ist nicht immer, was es zu sein scheint

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Die bildgebenden Verfahren haben die Diagnostik in der Medizin revolutioniert. Sie erlauben auch einen Einblick in die Aktivitäten menschlicher Gehirne. Es leuchtet in den grauen Zellen, wenn das Hirn arbeitet. Was aber genau auf den schönen Bildern zu sehen ist, sollte immer wieder hinterfragt werden. Eine neue Studie verdeutlicht, dass Affenhirne offensichtlich komplizierter funktionieren, als es die bunten Abbildungen suggerieren.

Die Wissenschaftsjournalisten und die breite Öffentlichkeit mögen die Aufnahmen, die angeblich detailliert die Abläufe im menschlichen Gehirn abbilden. Da ist gerne die Rede von Gedankenlesen, Einblick ins Gedächtnis oder "Bildern des lebendigen Geistes". Ein Probant wird mit einer Anregung oder einer Aufgabe konfrontiert und schon schießt ihm das Blut in den Kopf, bzw. an ganz bestimmte Stellen des Hirns und der Computer hält fest, an welchen Stellen das geschieht. Aus der Untersuchung der Reaktionen einiger Individuen (oft sind die Fallzahlen der Studien sehr klein) werden dann von den Wissenschaftlern allgemeine Aussagen über die Funktionsweise unseres Denkapparates abgeleitet.

Die funktionelle Magnetresonanztomografie dient der bildlichen Darstellung von Hirnfunktionen und zur Identifizierung von Hirnarealen (z.B. in der neurochirurgischen präoperativen Planung). Es wird der Effekt ausgenutzt, dass aktive Hirnzellen besser mit (sauerstoffreichem) Blut versorgt werden, als nicht aktive. Dies führt zu einer Steigerung der Durchblutung und schließlich zu einer lokalen Änderung des Sauerstoffgehaltes im Blut (BOLD-Effekt - blood oxygen level dependency). Über viele aufsummierte Aufnahmen während gezielter Aktivierung von Hirnzentren für Bewegung oder Sprache kann diese Aktivität dann nachgewiesen werden. Bild: Ruhr Universität Bochum

Keine Frage: Die Kernspintomografie, wie die Magnetresonanztomografie auch genannt wird, hat den Ärzten ganz neue Einblicke in die Abläufe und Störungen im Körper ermöglicht. Das Prinzip der Magnetresonanz ist bereits seit 1946 bekannt (vgl. Nobelpreis 1952), Anfang der 70er Jahre entwickelten Paul C. Lauterbur und Peter Mansfield die Technik (die vorher bereits in der Chemie und der Physik zum Einsatz kam) für den Einsatz im medizinischen Bereich weiter. Für ihre "Entdeckungen in Bezug auf die Abbildung mit Magnetresonanz" gab es 2003 den Nobelpreis für Medizin.

Natürlich bot es sich an, mit der neuen Technik auch unser kompliziertestes und bis heute nicht wirklich verstandenes Organ zu untersuchen – das Gehirn, das sich gut geschützt im Schädel verbirgt. Seit den 90er Jahren wird die funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRT) für Hirn-Scans verwendet. Das erspart dem Patienten die Einnahme von Kontrastmittel, denn das liefert der Körper in Form von Blut selbst. Der rote Lebenssaft hat je nach seinem Sauerstoffgehalt unterschiedliche magnetische Eigenschaften – dadurch kann die Versorgung einzelner Hirnregionen mit frischem, sauerstoffreichem Blut sichtbar gemacht werden. Und zwar in schneller zeitlicher Folge und mit hoher räumlicher Auflösung.

Blutfluss und Hirnaktivität

Wenn also das Hirn eingehende Impulse verarbeitet, dann fordern die aktiven Neuronen frisches Blut an, um die Signale zu verarbeiten. Das zeichnet der Magnetresonanztomograf auf und macht damit sichtbar, an welcher Stelle das Hirn gerade intensiv arbeitet. Im Rückschluss gehen die Forscher davon aus, dass der Bereich, in dem es aufleuchtet, entsprechend immer für die Verarbeitung z.B. visueller oder akustischer Reize zuständig ist, wo Lob oder Tadel ankommen, oder wo der Lustgewinn sitzt (die Neuro-Marketingexperten hoffen sehr, das Gehirn bald am Bewusstsein vorbei direkt und gezielt stimulieren zu können).

Blutgefässe im Affenhirn werden nach einer visuellen Stimulierung aktiviert. Die dunkle Stelle in der Mitte ist das Zentrum der Reaktion. Bild: Y. Sirotin/A. Das

Soweit so gut, aber nun kommen zwei Wissenschaftler mit zwei Affen und stellen fest, dass Blutfluss und Hirnaktivität nicht immer deckungsgleich sind. In der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Nature stellen Yevgeniy B. Sirotin und Aniruddha Das von der Columbia University in New York ihre neue Studie: „Anticipatory haemodynamic signals in sensory cortex not predicted by local neuronal activity” vor.

Die beiden Forscher richteten zwei Rhesusaffen darauf ab, bestimmte Punkte auf einem Computerbildschirm sechs bis dreißig Sekunden lang zu fixieren, um dann eine Belohnung in Form von Fruchtsaft zu kassieren. Dann wurden ihnen Löcher in den Schädel gebohrt und Glasfenster eingesetzt und die Oberfläche des Hirns beleuchtet, um die Aktivität der Blutbahnen und Hirnzellen direkt mit einer Kamera zu beobachten, zudem wurden die elektrischen Aktivitäten der Neuronen mit Mikroelektroden aufgezeichnet. Dabei erwies sich, dass die Affenhirne auch mit einer verstärkten Durchblutung im Bereich der visuellen Verarbeitung reagierten, wenn sie die Seh-Aufgabe nur erwarteten.

Unter normalen Bedingungen lief im Labor alles so ab wie voraus gesehen: Die Affen saßen vor den Bildschirmen, starrten auf die Punkte, die sie fixieren sollten und erhielten dafür ihre Belohnung. In ihren Hirnen reagierte sowohl der verstärkte Blutfluss als auch die Neuronen mit elektrischer Aktivität auf den visuellen Stimulus. Wie es sein sollte.

Die Wiederholung des Versuchs in absoluter Dunkelheit brachte dann die große Überraschung: Die Sehrinde deaktivierte sich nicht wie erwartet, sondern reagierte mit verstärkter Hämodynamik, obwohl die Neuronen schwiegen. Die Äffchen erwarteten, dass sie die Punkte fixieren sollten, das reichte offensichtlich, um ihr Blut in Wallung zu bringen. Die Hirnzellen sahen sich dagegen nicht dazu angeregt, ihr elektrisches Feuer zu entfachen.

Der Magnetresonanztomograf hätte eine Aktivität des Gehirns im visuellen Cortex aufgezeichnet und damit ein Abbild geliefert, das nur sehr bedingt die tatsächliche Hirn-Realität spiegelt. Denn die Affen sahen nichts und ihre Neuronen entfalteten keine Aktivität – es strömte nur mehr Blut herbei. Ihre Gehirne reagierten präventiv, aber ohne tatsächliches Verarbeiten von Signalen, ohne das Freisetzen elektrischer Impulse.

Rhesus-Affen sind keine Menschen und ein Versuch mit zwei Äffchen kann wohl nicht mehr als ein Hinweis darauf sein, wie die Verhältnisse in vielen menschlichen Schädeln ablaufen. Zweifel sind und bleiben aber berechtigt, wenn bunte Magnetresonanz-Bilder uns angeblich ganz genau zeigen, wie unsere Hirne ticken.