Hightech-Mauer am Gazastreifen

Türme mit fernsteuerbaren Kameras und Maschinengewehren sichern Israel als "gated nation" und machen den Gazastreifen zum Gefängnis

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Die Berliner Mauer und der Rest der befestigten Grenzanlagen der DDR werden vermutlich einmalig bleiben. Zwar sollte nach der Propaganda der "antifaschistischer Schutzwall" vor dem bösen Außen schützen, in Wirklichkeit diente er aber dazu, eine Gefängnismauer zu sein, um den DDR-Bürgern die Flucht in den Westen zu verbauen. Die neuen Mauern, die allerorten um Staaten physisch und elektronisch errichtet werden, sollen hingegen Immigranten und Gegner abwehre, sind also ein Schutzwall, der eine gated nation schafft (Gated Nations: Rückzug hinter Mauern).

Das ist so im Fall der USA, wo der Grenzzaun im Süden bereits weitgehend fertig gestellt ist (Die Große Amerikanische Mauer), aber auch in der EU oder zwischen Indien und Pakistan, selbst noch im Fall der teils sieben Meter hohen Mauer, die Israel gebaut hat, um sich vor dem Westjordanland abzugrenzen und gleichzeitig auch einige Gebiete einzugrenzen. Sie bietet Schutz und schafft Tatsachen. Ganz anderes ist die 60 km lange Mauer um den Gaza-Streifen, die bereits in den 90er Jahren gebaut wurde und nicht nur Israel davor schützen sollte, dass Palästinenser in das Land eindringen können, sondern die den gesamten 40 km langen und 10 km breiten Gaza-Streifen zu einem großen, gut kontrollierbaren Gefängnis für jetzt 1,5 Millionen Menschen machten. Auch die Küste werden streng von Militärschiffen überwacht. Im Irak haben die US-Truppen ähnliche "Stadtmauern" errichtet, um riskante Städte von der Außenwelt abzuschnüren und die wenigen Ein- und Ausgänge zu kontrollieren. Die einstige Stadtmauer wurde zu einer Gefängnismauer.

Die Mauer in Jerusalem. Bild: Lin Chalozin Dovrat/Btselem

Während der Intifada haben die Palästinenser die Mauer um den Gazastreifen teilweise zerstört und das Gefängnis geöffnet. Die Israelis bauten schnell die Mauer wieder auf und schufen zudem einen Sicherheitsstreifen von einem Kilometer auf der Seite des Gaza-Streifens, der gut überwacht werden kann und von Palästinensern nicht betreten werden darf. 2005 zogen sich die Israelis ganz aus dem Gazastreifen zurück und räumten die letzten Siedlungen. Anfang des letzten Jahres konnten wieder Tausende von Palästinensern die von Israel auferlegte Blockade durchbrechen, indem sie den Zaun auf der ägyptischen Seite in Rafah aufsprengten und so nach Ägypten vordringen konnten. Diese Grenze zu Ägypten wird letztlich auch von Israel kontrolliert, völlig kontrolliert wird der Luft- und Seeraum.

Schon vor dem Krieg, den Israel nach dem Ende des Waffenstillstands gegen den Gaza-Streifen führte, gab es Visionen, wie man das Gefängnis weiter abdichten und die vor allem die letzten Ein- und Ausgänge, die Tunnels, schließen könnte, in denen nicht nur Menschen oder Waffen, sondern, bedingt durch die Blockade, Lebensmittel, Treibstoffe und andere lebenswichtige Güter in den Gazastreifen transportiert werden. Vor dem Abzug aus dem Gazastreifen wurde bereits 2004 ein neues Waffen- und Überwachungssystem entwickelt, das durchaus auch mit Blick auf den Export entwickelt wurde (Fernsteuerbare, mit Sensoren, Waffen, unbemannten Fahrzeugen und Drohnen ausgestattete Grenze). Schließlich sind territoriale Sicherungssysteme überall gefragt.

Ferngesteuertes "Sensor-and-Shooter"-System an der Grenze zum Gazastreifen. Bild: Rafael/ IDF

Während man auf israelischer Seite ein Hightech-System mit "automated kill zones" plante, sollte zwischen dem Gaza-Streifen und dem ägyptischen Sinai ein vier Kilometer langer, zwischen 15 und 25 Meter tiefer und zwischen 100 und 120 Meter breiter Graben als Sicherheitskorridor ausgehoben werden. Dieser moderne "Burggraben" sollte verhindern, dass Tunnels gebaut werden können und sich die Grenze überhaupt unbemerkt überschreiten lässt. Daraus ist nicht geworden, aber auf israelischer Seite wurde die Mauer technisch hochgerüstet. Eingeführt wurde bereits ein System, mit dem sich aus der Ferne die Grenze überwachen und auf Türmen installierte Waffen bedienen lassen. Zu dem vom israelischen Rüstungskonzern Rafael entwickelten "Sentry-Tech"-System gehören Bodensensoren, bemannte Flugzeuge und Drohnen zur Überwachung aus der Luft sowie ferngesteuerte Maschinengewehre vom Typ "See-Shoot".

Letztes Jahr wurden die ersten Türme, ausgestattet mit Überwachungskameras und Maschinengewehren installiert, die von einem Kontrollzentrum mit einer integrierten "sensor-and-shooter"-Plattform gesteuert werden – angeblich vor allem von Frauen.